Lobenberg: Château Le Boscq gehört zum Imperium der Thienot Champagner-Familie, zu dem auch Belgrave in Haut-Medoc und La Garde in Pessac-Léognan gehören. Auch einer der größten Négociant hier, CVBG, gehört zu diesem Imperium. Le Boscq ist spätestens seit 2009 und 2010 im Bereich der Verfolger der Spitze angekommen, also oberes Mittelfeld. Natürlich sind Montrose, Cos d´Estournel und Calon Ségur in ihrer Spitzenstellung nicht gefährdet. Aber dann im Reigen der Zweiten von Lafon-Rochet bis Phélan Ségur, bis Meyney und eben Le Boscq (gegebenenfalls in der weiteren Verfolgung Lilian Ladouys), ist es ein echter Kampf und mittlerweile ein Gerangel überragender Domaines in dieser Appellation. Gerade in den warmen Jahren, die es ja durch den Klimawandel immer häufiger gibt, ist die hohe Reife gegeben auf einem grundsätzlich eher kühleren Terroir. Das ist dann schon ziemlich perfekt. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Am linken Ufer fielen dann Mitte August circa 80 Millimeter Regen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Le Boscq zeigt 2020 Kirschlikör und etwas Rumtopf in der Nase. Dicht, schwarz, schiebend, dunkle schwarze Lakritze, wow! Schwarze Erde, würzig, süße Maulbeere. Viel Druck, viel Opulenz aufbauend. Süße, Reife, ohne schwer zu sein. Im Mund sehr viel Druck. Eine völlig andere Stilistik als beispielsweise Phélan Ségur mit seiner unendlichen Feinheit. Das hier geht mehr in Richtung Lafon-Rochet, mit dieser enorm tiefen Würze. Auch auf dem gleichen Level sich bewegend. Druck, Wucht, Würze, Lakritze und Maulbeere. Komplex, klassisch und lang. Intensiver und würziger noch als 2019. Etwas klassischer als 2018. Das ist 2016 mit etwas mehr Druck und Würze in der Mitte, mit etwas mehr Reife und Fett. Grandioser Le Boscq. Und wenn ich die Serie 2016, 2018, 2019 und 2020 sehe, dann liegt er nicht hinten. Ich will nicht sagen, dass er der Sieger ist, aber er kann sich trotzdem mit all diesen grandiosen Jahrgängen von Le Boscq messen. Für den Moment scheint der Wein mit seiner süßen, komplexen Würze ziemlich weit vorne zu sein, aber ich denke mal, dass er auf dem gleichen Level wie 2019 ist. Nur etwas anders im Style. 97+/100