Lobenberg: Ein winziges Weingut, nur 2,5 Hektar groß, das direkt an den Ausläufern der Hänge von Saint Emilion liegt. Genauer gesagt ist es die Fortsetzung der Hänge von Tertre Roteboeuf in Richtung Castillon. Dieses, im Grund lehmige Ufer, liegt aber zu 100% auf einer Kalksteinplatte. Das beste Terroir Saint Emilions. Hier wurden früher Kalksteinziegel hergestellt. Daher auch der Name Lafon La Tuilerie. Alles wird in reiner Handarbeit im Weinberg bearbeitet. Pierre Lafon ist auch viel mit der Nagelschere unterwegs. Biologische Weinbergsarbeit. Was sonst? Penibelste Bearbeitung jeder einzelnen Rebe. Zu 100% spontan vergoren aus vollständig entrapptem Traubengut. Die Handlese führt in diesem Fall auch zur reinen Handentrappung. Das ist normalerweise unbezahlbar. Das kann sich kein normaler Winzer erlauben. Pierre arbeitet während der Ernte und in den Anfängen der Fermentationszeit 14 Stunden täglich, 7 Tage die Woche. Bei so wenig Ertrag kommt dies einer totalen Selbstausbeutung gleich, der Mann lebt dann nur für seinen Wein. Dementsprechend clean ist aber dann das Biomaterial. Pierre arbeitet in unbeschreiblicher Weise und voller Enthusiasmus. Einige Wochen vor der Lese, direkt nach der Verfärbung, schneidet Pierre mit der zuvor genannten Nagelschere alle nicht perfekt reifen, kleinen Beeren oder sogar ganze Trauben heraus. Bei den anderen Trauben werden die linke und rechte Schulter sowie die Spitze entfernt und nur das Herz mit der höheren Konzentration wird bis zur Lese weiter reifen. Die Fermentation der Weine geschieht spontan im Stahl, also mit natürlichen Hefen, der Ausbau in zu 100% neuen Barriques und 500 Liter Tonneaus. Der Ausbau dauert 18 Monate ohne Bâtonnage. Die Lese führt er alleine an einem einzigen Tag durch. Das geht bei ihm nur auf Grund der kleinen Fläche. Die Menge des Weingutes beträgt nur 12.000 Flaschen. Der Jahrgang 2016 war bei Pierre Lafon außergewöhnlich. Da er so perfekt mit Wasser versorgt ist auf dieser Kalksteinplatte mit 30 cm Lehm darüber, hatte er auch nicht so viel Trockenleid zu überstehen. Die Weine waren hoch reif und er erntete am 28. und 29. September. Dann war alles im Keller und händisch entrappt. Der Alkohol in 2016 liegt bei 14,5% bis 14,8%. Dies ist allerdings im Wein überhaupt nicht spürbar bei dieser reifen und sehr frischen Frucht. Die kalten Nächte des Sommers waren so perfekt für die Frische. Der Jahrgang 2016 bleibt eine große Verblüffung, ja es verbleibt ein großes Erstaunen. Wir waren gerade zuvor bei Tertre Roteboeuf und der Wein dort war ein kleines Monster, ein unglaublich konzentriertes Kraftpaket. Hier, bei 100% Merlot bei Lafon La Tuilerie, hätte ich natürlich mindestens so viel Druck und soviel satte Frucht erwartet. Aber Lafon La Tuilerie präsentiert sich unglaublich fein. Ein Potpourri dunkler Früchte, viele schwarze Beeren, aber das Holz kommt nicht durch. Es muss also ein großer Anteil Säure im Wein sein, denn Säure frisst bekanntlich Holz. Die Nase besitzt ganz feine ätherische Frucht. Im Grunde ein bisschen mehr ein Clos Louie aus Castillon oder ein Tertre de la Mouleyre des Saint Emilion Nachbarn von Clos Louie. Erhaben, getragen. Schwarze Kirsche, Cassis, Maulbeere, Brombeere aber auch ein bisschen Lorbeere darunter und ein Hauch (als sei Cabernet Franc enthalten) Himbeere sowie ein Hauch sehr reifer Rhabarber. Aber natürlich ist und bleibt es 100% Merlot. Der Mund nochmal feiner gezeichnet, klarer definiert an den Ecken und Kanten als der sensationelle 2015er. 2016 vielleicht etwas monolithischer, etwas mehr geradeaus, präziser. Erhabene schwarze, feine Frucht mit wunderschöner Frische daneben. Zieht sich lange durch, endet im Unendlichen, hallt für mehrere Minuten nach, hört gar nicht mehr auf. Trotzdem bleibt alles so fein. Für einen Saint Emilion fehlt das Laute was es hier häufig gibt. Das Dramatische. Es ist so unglaublich schön. Es ist mehr ein Pomerol in der Stilistik. Es ist eine zartere Version eines L’Evangile. Der Wein beeindruckt und verzaubert. Eine Delikatesse und trotzdem nie anstrengend. So fein zu trinken, es macht so viel Freude. Ich tue mich echt schwer in der Punkte-Bewertung mit dem 2016er. 2016 ist ein Jahrgang - und das habe ich in 2015 auch schon gesagt - wie ich ihn in dieser unglaublich erhabenen Schönheit noch nicht probiert habe. 2016 ist nicht ganz so lieb wie der unendlich schöne, erotische und feine 2015er. 2016 hat etwas mehr Struktur, etwas mehr Druck, aber gleichzeitig auch noch mal mehr Frische und vor allem diese ungeheure Präzision. Es ist die feinere und reifere Version, und gleichzeitig die frischere Version eines 2010er Jahrgangs. Ich muss irgendwann meinen Beruf einstellen, wenn es viele Pärchen wie 2015/2016 gibt, denn irgendwann ist die 100 Punkte Scala ausgereizt. Aber was soll ich den tun, wenn es einfach das Beste ist, was ich je probiert habe. Ich gebe diesem Wein vorsichtige 98+/100