Lobenberg: Dieses winzige Château von unter einem Hektar gehört Sophie Martin und Romain Carreau, die beide auch die Winemaker und Önologen sind. Die 0,62 Hektar liegen direkt neben dem Château Lynch Bages im Ort Bages auf Kies, also in bester Lage von Pauillac. Es ist mir ein großes Rätsel, wie Sophie und Romain so lange den Avancen der verschiedenen umliegenden Top-Château widerstehen konnten und dieses Kleinod nicht verkauft haben. Die Cépage des Weinguts setzt sich zusammen aus 80 Prozent Merlot und 20 Prozent Cabernet Sauvignon. Die jüngsten mediterranen Jahre, 2018 und 2016, haben mich dazu bewogen, mit Château Julia zu arbeiten. Es liegt auf einem Kiesplateau, ist aber doch eher kühl im Terroir und so grundsätzlich von wärmeren klimatischen Bedingungen begünstigt. Deshalb sind die Jahre seit 2015 ein qualitativer Durchbruch. Der 2020er ist schwarz, mit einem violetten Rand. Die Nase – wen wundert es – ist nicht gar so anders als die des Haut-Médoc aus gleichem Haus, denn die Weinberge gehen ja ineinander über. Würzige schwarze Früchte, sehr viel Holunder, mit Brombeere und Cassis. Hohe, intensive Aromatik. Leicht angebranntes Fleisch, etwas Blut und auch etwas rotfruchtige Schlehe darunter. Hohe Intensität und sehr an die maskulinen Pauillacs im Stile eines Pichon Baron erinnernd. Im Mund viel Druck, aber gleichzeitig auch sehr saftig, mit sehr spürbaren, ausgeprägten, aber feinkörnigen Tanninen. Durchaus nichts Grobes. Der Wein ist reif, offensichtlich war bei diesem Terroir mit seinem lehmhaltigen Kies genug Wasser im Speicher, sodass es keinen Trockenstress gab. Die Frucht ist reif geworden und gleichzeitig ist sie sehr konzentriert. Eine hohe Intensität schwarzer Beerenfrucht, ohne jedoch zu viel Fett auszustrahlen. Der Wein ist dicht, reich und wuchtig, aber nicht übermäßig fett und nicht mit zu viel Holz gesegnet. Das Ganze ist sehr harmonisch. Hier bekommt man eine Stilistik und fast auch eine Klasse wie Pichon Baron zur Hälfte oder zum Drittel des Preises. Das ist eine tolle Entdeckung der letzten Jahre. Ein spannender, würziger, enorm tiefer Powerwein, mit einer wunderbaren kühlen und frischen Stilistik im Finale. Nicht so sexy wie Pichon Comtesse, eher etwas auf der Kraftseite wie Pichon Baron. Mit dieser enormen Menge an schwarzer Frucht und durchaus maskulinen Tanninen. Dabei grandios saftig und reif und hedonistisch lecker. Denkwürdig gut für diesen wirklich abenteuerlich schicken Preis. Die Bewertung wie 2019, denn die beiden Jahrgänge tun sich nicht sehr viel, auch wenn sie geringfügig anders in der Stilistik ausfallen. Allerdings weniger unterschiedlich als ich erwartet hätte. Tolles Ergebnis! 97-98/100