Lobenberg: Das 18 Hektar große Château Jean Faure mit nur 40.000 Flaschen Gesamtproduktion grenzt exakt an die Weinberge von Château Cheval Blanc und La Dominique an. Die Weinberge gehen auf breiter Front ineinander über. Das Terroir und die Bestockung sind fast identisch. Eine etwas dickere Sand-Lehmschicht über dem Kalkboden als bei Cheval Blanc. Das Weingut wurde über die letzten Jahre immer mehr auf dichte Bepflanzung umgestellt. Die vorhandenen Reben sind uralt. 50% Cabernet Franc, 45% Merlot, 5% Malbec. Olivier Decelle hat das völlig runtergekommene Weingut 2004 kaufen können wegen bestehender Erbstreitigkeiten. Das Weingut gehörte früher Madame Loubat, der vor dem Verkauf an Moueix auch das Château Petrus gehörte. Château Jean Faure hat in den letzten Jahren noch mal die Önologie und Weinbergsberatung umgestellt von Stéphane Derenoncourt als Berater auf Hubert de Bouard, genialer Besitzer und Weinmacher von Château Angelus und inzwischen zusammen mit Derenoncourt der angesagteste Berater auf dem rechten Ufer. Die inzwischen seit 2004 währende Umstellung Richtung Biodynamie, die 2015/2016 abgeschlossen ist mit biodynamischer Zertifikation, hat ja zu großen Veränderungen im Weinberg geführt. Traktoren wurden überwiegend abgeschafft, die Weinberge werden mit Pferden bearbeitet. Diese komplette Natürlichkeit, diese burgundische Art und die Hinwendung zur Frische auch schon während der Wachstumsphase sind das, was sich im Keller fortsetzt. Die Fermentation der Weine von Jean Faure findet dann dementsprechend auch im rohen Zement oder im Holz statt, ohne Temperaturkontrolle aber auch ohne Kaltmezeration davor. Hier sind wir komplett zurück zur Ursprünglichkeit. Der Ausbau der Weine wurde auch umgestellt. Auch hier sind wir im state of the art des Burgund oder auch der deutschen Pinoterzeuger. Ein Teil wird im neuen Barrique ausgebaut, aber die Hälfte in Fudern von 1500l Stockinger Holzfass und auch in gebrauchtes Holz. Insgesamt wird der Einfluss des neuen Holzes speziell in aromatischer Form fast komplett runtergefahren und im Grunde sind wir hier bei den Biodynamikern, bei Clos Puy Arnaud in Castillon genau wie bei Jean Faure, komplett auf der Natürlichkeit gelandet. Bei Clos Puy Arnaud geschieht das in Form von Tonamphoren, hier in Form von großem Holz. Der Weg der burgundisch feinen Produzenten, speziell der biodynamischen in St Emilion und Castillon, ist ein wirklich traumhafter. Wenn das die Zukunft Bordeaux ist, dann ist das eine grandiose Zukunft. 2015 fand die Ernte relativ früh statt. Der Erntezeitpunkt in der vierten Septemberwoche für Merlot, und die Cabernet Franc wurde bis zum 10. Oktober vollreif geerntet. Es gab ja in St. Emilion perfekte Wetterbedingungen. Ein kühler September mit kalten Nächten. Die Säure wurde komplett bewahrt. In der letzten Septemberwoche war alles eingebraucht, hochreif und dennoch frisch. Die Besonderheit war, dass Olivier Decelle in diesem sehr reifen Jahr erstmalig seinen Traum verwirklichen wollte ganz burgundisch zu verfahren. Die Cabernet Franc, die immerhin 50% des Blends ausmacht wurde burgundisch fermentiert. Olivier traute sich 2015 erstmals, einen selektierten Teil mit besonders reifen Rappen der Cabernet Franc als Ganztraube unentrappt zu vergären. Das große Burgundervorbild Dujac und andere Biodynamiker des Burgunds. Die uralten Reben der Cabernet Franc gaben 2015 so reife Rappen, es wurde ja in der ersten und zweiten Oktoberwoche geerntet, dass die Vergärung auf den Rappen sinnvoll erschien. Die Nase dieses Weins ist eindeutig und fast nur Cabernet Franc. Die Merlot gibt nur das warme, schiebende, kirschige Rückgrat einer unglaublich duftig dichten Schwarzkirsche und süßer roter Kirsche. Vorne drauf ist aber die würzige Himbeere der Cabernet Franc, auch Schlehe, etwas Johannisbeere, super fein, tänzelnd. Wir sind in der Tat hier irgendwo zwischen Burgund, Cheval Blanc und Clos Rougeard an der Loire. Unendlich fein und trotzdem ein gutes, stützendes Merlot-Rückgrat. Der Mundeintritt ist kühl und sehr mineralisch. Die Füße der Reben stecken im Kalkstein, was sich hier auch im Mund zu zeigen scheint. Diese tolle, feine, stylische Kalksteinmineralik, das Salz ist so fein, nichts ist grob. Auf der Zunge sind die Rappen der Cabernet Franc leicht zu spüren. Das Ganze ist von warmer, süßer schwarzer und roter Kirsche gestützt, auch ein bisschen Sanddorn läuft sandig über die Zunge. Der Nachhall ist mit heller, salziger Lakritze, aber nichts Dunkles, sondern eher Süßholz, feine Blumigkeit, beschwingt tänzelnd und wieder diese Himbeere, Schlehe, Johannisbeere oberhalb der ganz feinen Kirschfrucht darunter. Man kann diesen Wein schwer beschreiben, da er im Grunde so ein Unikat ist. Ich müsste ihn beschreiben wie ein Pinot Noir oder einen großen Loire-Wein. Wir sind weit weg von üblicher St. Emilion schwarzer Frucht, wir sind hier nur in der Feinheit. Etwas was wir bei Petit Grave Aine schon in kleinerer Version hatten, wird hier in Perfektion vorgeführt. Das ist eine Art Château Cheval Blanc in puristischer und noch mehr Cabernet Franc orientierter, expressiver Form. Im Grunde die biodynamische Pinot-Noir-Loire-Version eines Cheval Blanc oder die Cheval Blanc Version eines Clos Rougeard von der Loire. Oder einfach ein großer Wein von Dujac aus dem Burgund. Jeder Käufer sollte sich darüber klar sein, dass dieser Cabernet Franc 5-10 Jahre Zeit braucht um seine ganzen Muskeln zu zeigen. Bis dahin bleibt es ein superfeiner, z.T. auf Rappen vergorener Wein für Freaks. Im Lauf der Zeit wird der Wein Wucht entwickeln. Das wird auch ein Krafthammer werden, allerdings mit super seidigen geschliffenen Tanninen und immer diese große Frische zeigend. Ich gebe eine reine Freak-Bewertung. Der Liebhaber klassischer St. Emilions ist vielleicht mit dem Nachbarn la Dominique in seiner satten Kirsche besser bedient. Der Liebhaber ganz großer Weine, die unendlich halten und ihre völlig eigene Stilistik haben, ist hier perfekt aufgestellt. Nein, klare Ansage: Cheval Blanc ist noch vorn. Aber für mich ist Jean Faure 2015 ein ganz großer Wein. 97-100/100