Gerstl über:
Chateau Jean Faure Grand Cru Classe
-- Gerstl: Man braucht nur einmal kurz die Nase an dieses Glas zu halten und schon ist alles klar, was für ein präziser, tiefgründiger, nobler und gleichzeitig offenherziger, ausdrucksvoller Duft, das ist ganz grosser, eindrücklichen Bordeaux, der aber vor allem durch Charme und Liebenswürdigkeit auffällt. Der Gaumen bestätigt noch mehr, als die Nase verspricht, was für eine gigantische Süsse, dazu diese sensationelle Frische als Gegengewicht, beinahe burgundisch feine Gerbstoffe, man spürt sie praktisch nicht, dennoch hat der Wein Struktur, ein gigantisches Kraftpaket, aber fein, fein und nochmals fein, das ist sinnlicher St. Emilion. Auf dem Weingut bestätigt er sich eindrücklich, ich bin fast noch mehr beeindruckt, vor allem seine Tiefgründigkeit macht ihn zu einem Gänsehautwein. Das ist so ein Wein der so edel wirkt, dass er ehrfürchtiges Staunen auslöst, der aber dadurch nichts von seinem Charme verliert und immer noch kumpelhaft fröhlich wirkt. Meine Vermutung, dass dieser Wein bald einmal zu den überragenden Weinen der Region und somit von ganz Bordeaux gehören wird hat sich bereits mit diesem Jahrgang definitiv bestätigt. Er ist klar nochmals besser, als der sensationelle 2009er. Dass der neue Besitzer Olivier Decelle heisst ist ein Segen für den Weinfreund. Er hat das Weingut mit etwas List, einigem Glück und natürlich auch mit dem nötigen Kleingeld gekauft. Sehr beliebt gemacht hat er sich damit in der Region natürlich nicht, denn die Reichen Châteaux Besitzer in der Umgebung waren schon lange in der Startlöchern, um sich dieses Weingut zu ergattern. Als die kamen hatte Olivier den Vertrag aber schon unterschrieben, welch ein Glücksfall. Man kann sich leicht vorstellen, wenn beispielsweise ein Christian Moueix, ein Gerard Perse oder ein Hubert de Boüard dieses Weingut gekauft hätte würden die Weine heute schon den x-fachen Preis kosten. Olivier Decelle ist Winzer aus Leidenschaft, selbstverständlich will und muss auch er mit seinen Weinen Geld verdienen, aber es ist nicht seine Idee daraus ein Spekulationsobjekt zu machen. Und dass er in Sachen Qualität das maximal Mögliche herausholt, hat er schon eindrücklich bewiesen. Höhepunkt ist der 2010er, der sogar den sensationellen 2009er deutlich übertrifft und damit schon sehr nahe an der Perfektion ist. Ich finde bei der Verkostung der Fassprobe offen gestanden keinen qualitativen Unterschied zu Weinen den Top Weinen von St. Emilion, mir fehlt aber die Erfahrung wie ein ganz grosser Jean Faure schmeckt, wenn er reif ist, deshalb bin ich nicht in der Lage die Idealnote zu vergeben, auch wenn ich vermute, das er diese eines Tages erreichen wird. 19+/20