Lobenberg: Der Duft von Château Grillet kommt einem Riesling häufig nahe, ein bisschen Burgund schwingt auch immer mit. Ein Condrieu, der natürlich nicht Condrieu heißt, denn Château-Grillet ist eine eigene Appellation mit diesen etwas über drei Hektar. 2022 war die frühste Lese von Château-Grillet jemals, der Côtes du Rhône wurde als Vorlese am 28. August geerntet. Es ist für Grillets Winemakerin, Koreanerin Jae, in so einem heißen Jahr die größte Challenge die Frische zu erhalten, deshalb die frühe Lese. Initial braucht der Wein etwas Luft, zeigt sich weder fett noch wuchtig, sondern eher kühl und leicht verschlossen. Es ist wirklich verblüffend wie elegant sich Château-Grillet in heißen Jahren zeigt. Die Nase ist noch reduktiv und in sich gekehrt, der 2022er braucht viel Luft, um aufzublühen. Ich kann mich an kein Jahr erinnern, das vergleichbar ist. Weil es so heiß war und daher natürlich auch im Grundcharakter eher mediterran ist. Aber 2022 wirkt viel kühler und schlanker als etwa 2019, aber reicher und druckvoller als das kühle 2021. Ein bisschen wie eine etwas cremigere Version von 2020 vielleicht, das ähnlich elegant war. Der Mund ist aktuell expressiver als die Nase, zeigt eine dichte, sehr engmaschige Frucht, eher hellgelb bis weiß mit Plattpfirsich, etwas Blutorange, Anis und unsüßen Karamellen. Ganz hinten immer rauchiger, feuersteiniger werden. Ich denke, 2022 wird mehr Zeit brauchen als 2021 und 2023, es ist ein sehr beeindruckendes Jahr. Ein Touch Chablis mit Alsace Riesling Es ist aber dennoch immer ratsam 10 Jahre oder mehr zu warten, sicherlich für 2022. Der Wein steht absolut für sich selbst, und es verbietet sich fast, ihn mit irgendeinem anderen Condrieu zu vergleichen, weil es einfach nicht vergleichbar ist und sich auch in keiner Blindprobe wie ein klassischer Condrieu trinkt. Château Grillet und nichts anderes. A class of its own.
Der Jahrgang 2022 ist ein multikomplexer, kontrastreicher, heterogener und ganz und gar ungewöhnlicher Jahrgang - offensichtliche Folgen des Klimawandels? Die Rhone hat in den letzten zwei Jahren somit zwei extreme, paradoxe und diametral entgegengesetzte Jahrgänge erlebt. 2021 war frostig, kühl und regenreich, klassisch aufregendes cool-climate. 2022 war dagegen viel zu trocken und extrem sonnig. Dieser schnelle Wechsel macht etwas ratlos und 2022 stellt sogar die Zukunft mancher Weinberge dauerhaft in Frage. Der schon jetzt zu einem der besten Jahrgänge des letzten Jahrzehnts erklärte Jahrgang 2022, den manche gar mit 1978 vergleichen, hält zwar im Norden wunderbare, ja grandiose Überraschungen bereit, aber im Süden durchaus auch einige herbe Enttäuschungen. Die Widerstandsfähigkeit der Reben angesichts der klimatischen Extremsituationen erstaunt dennoch! Die mehr oder weniger intensiven Regenfälle Mitte August und September retteten dann die Weinberge und Regionen, in denen der Punkt ohne Wiederkehr durch Wasserstress noch nicht erreicht war, manchmal aber war es zu spät. 2022 ist somit durch sehr starke Heterogenität zwischen und auch innerhalb der Appellationen gekennzeichnet, grandiose Schönheiten und vertrocknetes, unreifes Elend liegen oft nah beieinander, alles hing am seidenen Faden. Unsere Verkostungen bei den Erzeugern und unsere akribische Auswahl hat in diesem Jahrgang 2022 noch mehr Bedeutung als je zuvor.Südliche Rhone:Wider Erwarten sind die Weißen harmonisch, aromatisch und nicht fett und alkoholisch, es gibt viele großartige Erfolge. Erstaunlich und superb! Die Qualität der Roten ist deutlich heterogener. Unbalanciertheit, Disharmonie, spröde und harte Tannine und mangelnde phenolische Reife findet man in vielen jungen Reben. Nur sehr alte Reben mit minimalen Erträgen und tiefem Wurzelwerk bieten komplexe und anmutige, ja sogar ganz große Weine der historischen Extraklasse.Nördliche Rhone:Der kühlere Norden blieb von den meisten Leiden des Jahrgangs verschont. Die vollständige Reife wurde fast immer erreicht und die Alkoholgrade blieben moderat. Die Gaumen der gleichermaßen großartigen Weißen und Roten sind üppig, prall und dennoch straff. Weine mit Typizität und Stil, die Sommeliers und Restaurants gleichermaßen glücklich machen werden. Ein historisch großer Jahrgang!