Lobenberg: Das Weingut war bis 1985 Grand Cru Classé und möchte das heute aufgrund erbrechtlicher Steuer-Problematiken nicht mehr sein. Die Weitergabe an die nächste Generation wird dadurch viel zu teuer. Heute nur Grand Cru. Chateau Coutet liegt direkt oberhalb von Chateau Angelus an den Südhängen des Kalksteinfelsens von Saint-Emilion. Die weiteren direkten Nachbarn sind Beausejour Duffau, Chateau Bellevue und Chateau Beausejour Becot. Viel besser geht es vom Terroir her kaum. Ein Drittel dieser Hanglage ist ganz oben gelegen und reines Kalksteinplateau, ein Drittel Lehmböden am oberen Hang, und der unterer Teil ist sandig kiesiger Boden. Dreifaltigkeit. Da kann man richtig spielen in der Komposition des Erstweins. Uralter Bestand an Reben. Zum Teil über 100 Jahre alt. Coutet ist das älteste Bioweingut in ganz Bordeaux. Es besteht seit 1599 und es ist seitdem im Besitz der Familie David Beaulieu, also seit unzähligen Generationen. Und vom ersten Tag an biologisch organisch bearbeitet. Es wurden über die Jahrhunderte nie Herbizide oder Pestizide oder künstliche Dünger verwendet. Hier existieren längst ausgestorbene Blumenarten und eigentlich ausgestorbene Kröten und Salamander. Wenn es woanders nur grün, oder später braun ist in der Natur, ist es hier immer noch bunt. Naturkundler der ganzen Welt geben sich zur Besichtigung die Klinke in die Hand. Die Familie gehörte immer der naturalistischen Bewegung an. Wir sind hier also im Herzen des natürlichen und biologischen Arbeitens der Weingüter Bordeaux. Trotzdem hat sich das Weingut erst 2012 biologisch organisch zertifizieren lassen, da die Generationen zuvor das für nicht nötig hielten. Die Besonderheit besteht auch in der Art der Merlot, welche aus Jahrhunderte altem, ausgestorbenem Ursprungsbestand der Rebsorte kommt, und eine viel kleinbeerigere Merlot ist. Nur diese Merlotform verfügt auch ohne Schalenkontakt über roten Saft. Eine Merlotform, wie es sie andernorts schon lange nicht mehr gibt. Einige Nachbarn haben sich eine Selection Massale von hier gesichert. Ansonsten ist diese Form seit dem Zweiten Weltkrieg ausgestorben. Die Entrappung erfolgt hier maschinell, aber es wird mit 12 Leuten von Hand nachsortiert, sodass alle grünen Elemente sowie Stile und Stengel herausgenommen werden. Auch unreife und überreife Beeren. Die Fermentation geschieht selbstverständlich spontan. Das Ganze passiert im Stahltank und wird dann lange auf den Schalen belassen. Der Ausbau geschieht zu 25% im neuen Holz und zu 75% im gebrauchten Holz. 2017 hat Chateau Coutet überhaupt keine Frostschäden. Sie haben einen kleinen Plot (ein Drittel Hektar) außerhalb des eigentlichen Weingutes liegen, der komplett erfroren ist, aber Coutet selbst wurde durch die umliegenden Wälder und Hügel komplett geschützt. Der kalte Wind fiel hier nicht ein. Entsprechend keinerlei Frostschäden, im Gegenteil. Die Önologin und der Besitzer sagten uns, dass Chateau Coutet qualitativ und quantitativ den besten Jahrgang seit Jahrzehnten, wenn nicht seit immer erzeugt haben. Auch der Septemberregen fiel auf Coutet lokal sehr moderat aus. Gerade so viel wie nötig war. Die Blüte war wie überall extrem früh. Sie fand in der dritten Maiwoche statt, was zwei Wochen vor normal ist, und die Ernte erfolgte hier dennoch relativ spät in der letzten September- und ersten Oktoberwoche. Andere waren da früher dran. Man konnte hier bei Coutet allerdings bei gesundem Lesegut durchaus zuwarten. Volle Reife, extrem gesundes Lesegut. 60% Merlot, 30% Cabernet Franc, 5% Cabernet Sauvignon, 5% Malbec. Wie im großen Jahr 2016, wir haben hier fast eine identische Nase. So old-fashioned und gleichzeitig so unglaublich tief und erdig. Süße schwarze Kirsche, Pflaume. Man meint auch die vielen Morcheln schon zu riechen, die hier auf Coutet in großer Zahl wachsen. Dann schöne erdige, tiefe Würze. Warme, ganz süße, ganz dunkelschwarze Kirsche. Und auch diese ganz reife Pflaume darunter. Schon die Nase ist eine Renaissance längst vergangener Zeiten. Kein Saint-Emilion, ja vielleicht kein Wein aus Bordeaux, riecht so extrem wie dieser Wein. Das ist ganz tiefes Burgund in unglaublicher Reife. Diese, auch an ganz reife Barolo erinnernde Nase, berauscht. Erdbeere, Himbeere. Alles in ganz reifer, ganz süßer Form. Und trotzdem ist die Nase fein und jongliert irgendwo zwischen einem superreifen, extrem dichten Chateau de Beaucastel von der Rhone, einem extrem reifen großen Barolo und einem ganz satten, süßen Chambertin aus Burgund. Was für eine Freude. Aber nie überwältigend, sondern immer fein und extrem charmant bleibend. Man muss diesen Wein riechen und probieren um zu wissen, wie früher ganz große Weine gewesen sein könnten. Wie sie heute eben nur noch hier sind. Im Mund kommt dann ein richtiger Ansturm an Mineralität. So hohe Intensität vom Kalksteinanteil alter Rebberge. Hochsalzig und dynamisch. Voller Spannung, ultralang. Die satte Kirschfrucht und die Himbeere setzten sich erst langsam gegen die salzige Mineralität durch. Das Tannin ist total geschliffen. Aber es ist mehr seidig als samtig. Der Wein hat eine angenehme Fülle, mittleren Körper, aber nie fett, sondern eigentlich eher total elegant. Ein so poliertes Tannin, eine so frische Frucht. Der 2017 braucht wahrscheinlich noch länger als der 2016. Sie müssen eben einige Jahre warten bis die hohe Mineralität integriert ist, aber dann wird es ein perfekter, großer, dichter Burgunder. Was für ein Wein. Aber eben in einer anderen Sphäre lebend. Für mich noch größer als 2016. 98-100/100