Lobenberg: Château Bellefont-Belcier liegt an den Hängen des Kalksteinplateaus, an der sogenannten Côte Pavie. Es ist der übernächste Nachbar von Château Pavie, zu anderen Seite liegt Larcisse Ducasse. Reiner Kalkstein mit leichter Lehm-Sand-Auflage an den Südhängen Saint-Émilions. Die 13,5 Hektar von Bellefont-Belcier liegen auf allerbestem Terroir in Amphitheater-Form. Die Pflanzdichte liegt bei 7.000 Stöcke pro Hektar und bewegt sich Jahr für Jahr weiter in Richtung 10.000, damit der Stockertrag unter 500 Gramm liegt. Alles im Weinberg geschieht in Handarbeit, die Exposition ist komplett südlich. Der weitere Nachbar zur anderen Seite ist dann Tertre Roteboeuf. Das Terroir ist also allererste Sahne. Purer Kalkstein eben. Die Vergärung erfolgt hier bei 25 bis 27 Grad temperaturkontrolliert und spontan. Die Vinifikation findet im Betontank und im aufrechtstehenden Barrique statt. Also eine Mischung aus Mikro-Vinifikation und klassischer Vinifikation. Die Weine werden im Barrique ausgebaut, 30 Prozent neue Fässer. Schwefel sieht der Wein erst kurz vor der Füllung, es gibt insgesamt rund 50.000 Flaschen. Der Alkoholgehalt liegt bei 14,5 Volumenprozent. Die Rebsortenzusammensetzung ist 70 Prozent Merlot, 25 Prozent Cabernet Franc und fünf Prozent Cabernet Sauvignon. In 2020 wurden 37 Hektoliter pro Hektar gelesen. Seit einigen Jahren kabbeln sich die beiden Topweingüter Saint-Émilions von Besitzer Peter Kwok, Bellefont-Belcier und Tour Saint Christophe, um die qualitative Krone. Beides reine Kalkstein-Terroirs. Tour Saint Christophe einige Meter höher auf reinem Kalkstein in Terrassen gelegen. Bellefont-Belcier dagegen an der Côte Pavie, auch auf reinem Kalkstein, aber als Amphitheater. Beide in Dichtpflanzung, beide mit winzigen Erträgen von unter einem halben Kilo pro Stock. Vier Wochen sind zwischen meiner ersten Verkostung des Weins und der zweiten Verkostung in Bordeaux auf dem Château vergangen. Vier Wochen können Welten bedeuten. Vor vier Wochen war Tour Saint Christophe der stärkere Wein von beiden. Heute hat Bellefont-Belcier deutlich nachgelegt. Er erinnert mich stark an den Enclos Tourmaline aus Pomerol – ebenfalls ein Château der Kwok-Gruppe. Bellefont-Belcier hat eine unglaublich fokussierte Nase: seidig, samtig, super geradeauslaufend. Schwarze Kirsche, Lakritze darunter, Minze und Eukalyptus. Unglaublich schick, seidig und hocharomatisch. Im Mund mit unglaublich viel Grip – wie ich das schon bei Tour Saint Christophe hatte. Dieses Team hat sich 2020 selbst übertroffen. Es ist nicht in die Falle der extremen Reife gelaufen. Die Weine sind reif, gar keine Frage. Aber sie sind gleichzeitig extrem harmonisch, fein und verspielt. Sie zeigen ganz viel rote Frucht hinter der satten Schwarzkirsche und neben der Lakritze. Sie werden nicht klebrig-süß, nicht zu massiv, sondern bleiben verspielt. Das ist mehr ein Stil, wie wir ihn auch auf Angélus vor ein paar Tagen hatten. Ganz im Gegensatz zum Stil von Château Pavie. Ja, es ist mehr Angélus-Style. Ein grandioser, schicker Saint-Émilion, eine Ode an die Freude. Ein Wein, der immer getrunken werden wird, jede Flasche. Er ist nicht besser als Tour Saint Christophe, er ist anders, aber er ist genauso gut. Und er ist – das hätte ich nicht geglaubt – in Summe, wegen der hohen Reife bei famoser rotfruchtiger Frische, noch harmonischer, noch einen Touch größer als letztes Jahr. 98-99/100