
C de Sec Bordeaux Blanc 2022
100
- 2
- Semillon, Sauvignon Gris
- 5
- weiß, trocken
- Trinkreife: 2025–2042
- Verpackt in: 12er
- 9
- mineralisch
- voll & rund
- exotisch & aromatisch
- 3
- Lobenberg: 94–96+/100
- 6
- Frankreich, Bordeaux, Barsac
- 7
- Allergene: Sulfite

Heiner Lobenberg über:
C de Sec Bordeaux Blanc 2022
/100
Lobenberg: In diesem Jahr ist es 70% Semillon und 30% Sauvignon Gris. Der Wein stammt von einem der besten Plots in Barsac, knapp 5 Hektar, die das Château direkt umrunden. Doisy-Däene, Doisy-Vedrine. Im 20. Jahrhundert gehörte Cloisot zum Grand Cru Classé Coutet. Ganz typisches Barsac-Terroir, also rötlicher Kalkstein. Im Gegensatz zum Basis-Cloisot ist der Wein komplett im Holz vergoren und ausgebaut, alles direkt ins Holz gegeben und spontan vergoren. Die Malo wird durchlaufen, der Ausbau ist burgundisch, also nur 10 Monate im Fass. Unberührt auf der Hefe bis zur Abfüllung. Wie bei Guffens-Heynen wird hier nur der Vorlaufsaft mit tiefem pH und sehr hoher Säure verwendet, die Pressung wird direkt verworfen. Die Nase ist sehr steinig, hat viel Kalkstaub, weiße und rote Johannisbeere, Orangenabrieb, Sternfrucht, weißer Pfeffer. Man spürt den reduktiven, spannungsreichen Stil von Guffens: hier ist ein Burgunder am Werk, der die Spannung sucht. Das hier ist ein völlig anderes Kaliber als die Bordelaiser. Es ist nicht die Schule von Derenoncourt oder Roland, die Frucht und Reichhaltigkeit suchen, sondern der Guffens-Ansatz, der auf maximale Frische, Spannung und Reduktion geht. Die Nase ist fast karg, sie ist nicht tropisch und keineswegs von Holz oder Botrytis dominiert. Total clean, geschliffen und sehr spannungsgeladen und scharf gezeichnet für einen Barsac. Das ist eben Guffens, der große Meister des Burgunds und einer der besten Weißweinwinzer der Welt. Mit seiner Handschrift ist auch trockener Barsac in einer völlig anderen Dimension unterwegs. Das ist einer der großen trockenen Weißweine des Bordelais, weil er so anders und so unique und burgundisch in seinem Ansatz ist. Eastcoast trifft Westcoast, sensationell. 94-96+/100
Jahrgangsbericht
2022 hatte den trockensten Sommer in Frankreich seit Beginn der Aufzeichnungen und war insgesamt das heißeste Jahr seit 1947. Nicht so extrem und plötzlich heiß wie 2003, eher harmoniefördernd gleichmäßig warm und eben sehr trocken. Nachdem im November und Dezember 2021 satt Regen fiel, blieb es in den Folgemonaten trocken und warm. Die Reben konnten sich also bei gleichmäßiger Blüte langsam an die Trockenheit gewöhnen. Die Terroirs mit den besten Wasserspeicher-Eigenschaften und den sehr tief wurzelnden alten Reben konnten das Wasser-Reservoir des Winters und Frühjahrs nach früher und sonniger Blüte relativ problemlos durch den trockenen Sommer nutzen. Regen gab es erst wieder im Juni und dann in der zweiten Augusthälfte mit 30 bis 50mm. Danach blieb es sonnig und trocken mit einem langen »Indian Summer« bis weit in den Oktober und sogar November. Jeder konnte auf den perfekten Erntezeitpunkt warten, zumal es dank sommerlicher Stillstände keinen Zucker-Alkoholdruck gab. Wer mit alten Reben und perfekten Terroirs dann noch verschont wurde vom jährlich zunehmendem April-Frost und vom allzu häufigen Hagel des Frühsommers, konnte sich gerade als biologisch arbeitender Winzer über das, ob des Klimas, vollständige Ausbleiben von Fäulnis und Pilzkrankheiten freuen. Niemand musste auch nur irgendwas spritzen. Für Bio-Winzer mit alten Reben und superbem Terroir war 2022 ein so noch nie erlebtes, perfektes Jahr, zumal man sich über die vergangenen 10 extremen Jahre an die besser angepasste Laub- und Bodenarbeit gewöhnt hatte. Saint Emilions und Castillons Kalksteinfelsen, Pomerols und Fronsacs Lehmböden und die dicken Kieslinsen des Medocs hatten bei sehr altem Rebbestand bis auf den Malus kleinerer Erträge kaum Sorgen. Weniger, aber ein überragend intensiver Saft aus kleinen, dickschaligen, kerngesunden Beeren. Aromatisch frischer Most, tiefes und zugleich delikates Tannin, dazu eine überragende Balance. Junge Reben und sandige Böden litten allerdings extrem, da gab es hier und da schon desaströse Ergebnisse. Besonders profitiert haben, neben den o.g. perfekten Böden dazu am linken Ufer, die in sehr nassen Jahren benachteiligten Fluss- und Ufernahen Terroirs des Medocs, des nördlichen Haut Medocs und Saint Estèphes. Die meisten Winzer vergleichen 2022 mit 2018, allerdings war 2022 überwiegend noch deutlich konzentrierter und reicher in der Frucht, vibrierender, cremiger und trotz der extremen Reichhaltigkeit erstaunlich frisch, seidig und harmonisch, das erinnert auch an das Traumjahr 2016. 2022 ist nicht so extrem pikant wie das Hammerjahr 2019 und nicht ganz so tänzelnd finessenreich wie der 2020er. Winzer mit langer Erfahrung sprechen eher von einer deutlich perfekteren Reinkarnation der Jahrgänge 1982, 1961 und 1949. Jean-Philippe Janoueix, eine Instanz am rechten Ufer und Besitzer vieler Châteaux in Pomerol, Saint Emilion und Castillon sagt: »2022 is the more concentrated version of 2018. With deep acidity and rich, soft masses of tannin, 2022 is the much better and long-lived resurrection of the great 1982 and 1961.« Und das mit größerem Know-how, optimaleren Weinstöcken, niedrigeren Erträgen je Stock, besserer biologischer Weinbergsarbeit, dramatisch präziserer Selektion vor der Kelter (Laser und Wasserbad) und einer kenntnisreicheren Kellertechnik als vor vierzig Jahren. Ohne Zweifel ist 2022 also ein historischer Jahrgang. Fakt ist, dass trotz der wohl berechtigten Jubelschreie der allerbesten Winzer das Jahr 2022 auf Kante genäht ist. Junge Reben und nur mittelgute und schwächere Terroirs, und das ist nun mal mit Abstand der Großteil des Bordelais, haben in nassen und noch mehr in solch trocken-heißen Jahren ganz schlechte Karten und üble Zukunftsaussichten. Und leider werden die Jahre trotz einiger, klassischer Ausnahmen wie das Bordelaiser »Normaljahr« 2021 im Schnitt immer extremer. Die wenigen, strahlenden Topwinzer der Appellationen glänzen ob der extraterrestrischen Qualitäten mehr denn je, die große Masse bleibt auf der Strecke. Die Spitze der Pyramide wird noch schmaler und zugleich noch höher. 2022 ist für die Superstars jeder Appellation ein so noch nie dagewesener Qualitätstraum, aber wo soll das für die breite Basis enden? Spanien findet den Ausweg aus den immer extremeren klimatischen Wetterkonditionen in 800 bis 1200 kühlen Höhenmetern, aber wie sieht – neben den weiter vorwärts stürmenden Superstars – die Zukunft des Bordelaiser »Normalwinzers« auf NN aus?
