Lobenberg: Champs Martin ist ein genialer Weinberg. Wenn man zu Bruno Lorenzons Domaine fährt kommt man unweigerlich daran vorbei, denn sie sitzt relativ zentral über dem Ort und steigt dann steil auf. Der Boden ist mergelig und von hellen Steinen übersäht, man erkennt Lorenzons Parzellen sofort an der irren Stockdichte. Es ist ein sehr besonderer Lieu-dit und wäre er in Puligny oder Meursault sicher ganz groß gefeiert. An der Chalonnaise braucht es allerdings einen Meister wie Lorenzon, der darauf aufmerksam macht. Diese Lage hat den puren Kalkstein in der reinsten Ausprägung. Uralte Reben mit Erträgen von unter 300 Gramm je Stock wegen der extremen Dichtpflanzung von 14.000 Stöcken je Hektar. Hochkonzentriert, dabei aber nicht die winzigste Spur von Fett. Um Brunos Rotweine zu verstehen, muss man sich etwas in die Philosophie eines Weißweinwinzers hineinversetzen, denn Bruno vinifiziert en rouge mit derselben Vision wie er Weißweine keltert. Er will die maximale Präzision, den Grip, die Schlankheit, den Trinkfluss und die gewissermaßen geschmeidige Textur eines Weißweines erzielen. Das ist verblüffend, denn gleichzeitig setzt er enorm viele Rappen ein und erzielt hohe Reifegrade durch seine extrem niedrigen Erträge. Aber er weiß genau was er tut und am Ende erreicht er sein Ziel in einer Weise, die manchem gar abstrus erscheinen mag. Doch es funktioniert, wie es bei Roberto Voerzio in Barolo und Francois Mitjavile auf Tertre Roteboeuf auch geht. Der Wein sieht so gut wie kein neues Holz, über 60 Prozent Ganztraubenanteil in der Fermentation sprechen eine eigene Sprache. Alle Pinot Noirs bekommen eine 3 bis 4-wöchige Kaltmazeration vor der spontanen Gärung. Nach der Pressung geht es nach dem Sedimentieren relativ clean in die Barriques aus überwiegend zweiter Belegung, manchmal gibt es überhaupt kein neues Holz. Die Barriques sind von einer befreundeten Tonnellerie aus eigens selektiertem und gelagertem Holz hergestellt. 2023 ist schon ein hammermäßiges Jahr, fast noch wuchtiger als 2022 in Mercurey. Power ohne Ende. Für Bruno ist es ein hypothetischer Blend aus 2018 und 2019. Wir haben diese gewaltige Struktur wie 2018 oder auch 2005, dazu eine frische, knackige Frucht wie 2017 oder 2019. Das ist eine ansprechende Mischung, wenn man auf Power-Pinot steht. Es hat fast ein bisschen Hermitage im Charakter mit dieser lakritzigen, animalischen Wildheit, enorm reich, duftig, drückt aus dem Glas. Das könnte auch ein Echezeaux sein. In 2023 hat sogar Lorenzon, der so straffe, kühle Rotweine macht, diese cremige, meditarrene Seite im Pinot. Brutaler Stoff, nichts für Zartbesaitete! In 15 Jahren ist das ein ganz großer Pinot, wie 2005.