Lobenberg: Dieser Wein ist kurios, denn obwohl der Wein 16% vol. hat, ist er nicht aufgespritet. Die Trauben waren hochreif und teils eingetrocknet, was dann diese gewaltige Wucht enfaltet, ohne dass Alkohol zugesetzt werden müsste. 2018 war etwas kühler als das sehr heiße Vorjahr, entsprechend hat der Wein durchaus eine gewisse Eleganz, wenn man in diesem Kontext davon sprechen kann, denn er ist auch ungeheuer intensiv. So intensiv, dass man schon beim Hineinriechen die Augen zusammenkneift. Der Duft rangiert zwischen herbaromatischen Gräsern wie Lemongrass und weißem Tee, aber auch Sonnenblumen und deren getrocknete Kerne. Dazu viel Bitterorange, Physalis und eine fast stechend intensive Mineralschärfe, die an Salzwiesengras und einen tiefen Atemzug am Atlantik erinnert. Die Bitterstoffe in der Nase sind der Wahnsinn, brutal intensiv, aber dennoch sehr animierend und sie geben dem Wein trotz seiner gewaltigen Reife und der Schubkraft einen fast kühlen Touch. Kaum zu glauben. Der Mundeintritt zieht an allen Geschmacksknospen. Getrocknete Zitronenscheiben, Zitronengras, in Salz gewendete Mirabelle, weißer Pfeffer und eine feinbittere Eisenkrautnote. Auf eine sehr eigenartige Weise wirkt auch der Mund sehr elegant, hat fast einen gewissen Trinkfluss, was sicher vor allem aus der scharfen Salzigkeit kommt, die den Speichel in Strömen die Backen runterfließen lässt. Ein ungeheuerlicher Kalkbiss im Finale. Salz, Schärfe, Kalk und bittere Mandarinen kämpfen um die Hoheit. Selbst für erfahrene Verkoster ist das ein Wein, der fasziniert und Fragen aufwirft. Denn er hat auf seine sehr spezielle Art eine Leichtigkeit und einen Fluss, die schwer zu erklären sind. Er wird von Mineralität und Würze getragen und die Flasche wird schneller leer als man sich vorstellen könnte. 97+/100