Lobenberg: Der Hundertgulden ist ein Südwest-Hang mit Terra Fusca-Anteil, also hohem Tongehalt, vergleichbar mit dem Morstein in Westhofen. Hoher Carbonatanteil im Boden. Es gibt in den letzten Jahren nur noch kurze Maischestandzeiten bei Bischel. Der Hundertgulden ist mit der steilste und steinigste Weinberg von Bischel, das GG kommt überwiegend aus diesem Steilhang. Es ist sehr windig hier, was immer zu hoher Traubengesundheit führt, es gibt hier sehr selten Botrytis. Es ist sicher eine der spannendsten, vielleicht die spannendste Kalkstein-Lage im nördlichen Rheinhessen. Der Weinberg wird biologisch bewirtschaftet, mit Dauerbegrünungen. Ausbau überwiegend im Edelstahl, rund 10 Prozent Stückfassanteil. Natürlich spontan vergoren, ca. bis Die Weine bleiben auf der Vollhefe liegen bis Juni. Leicht rauchige, dunkelwürzige Mineralität in der Nase, sehr typisch für Kalkstein. Ein kleiner Hauch grüner Speck, helle nussige Töne, das Weiße einer Zitrone, schlanker Pfirsich, etwas Lorbeer, kühle Kräuterwürze. Ein bisschen pikanter weißer Pfeffer und Meersalz in der Nase. Auch dieses GG ist expressiv, aber zugleich sehr geschliffen und kristallin. Vielleicht nicht ganz so expressiv, so hoch im Oszillographen wie der wärmere Scharlachberg in Bingen. Etwas moderater in den Ausprägungen. Die Frucht ist elegant, lang und geschliffen, schöne getragene gelbe Frucht, feine Mirabelle, Weinbergpfirsich, Sommerapfel, saftig und verspielt, Wiesenblüten. Sehr sanfte, cremige Textur aus dem hohen Extrakt, tolles Mundgefühl. So muss Riesling schmecken, aufregend und salzig, aber trotzdem fein und anschmiegsam. Hundertgulden ist ein sehr stimmiges GG, sehr 2019 und mit dieser wunderbaren Frische und der Reife am Ende. Aber aufgrund des überragenden Scharlachberg doch deutlich zurückbleibend. 96-97/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.
