Lobenberg: 2018 war im Piemont ein sehr warmes Jahr mit ausreichend Regenmengen und einer regulären Ernte im Oktober. Ein sehr klassischer Jahrgang, kein grandioses Tannin-Jahr wie 2016, sondern eher delikat und sehr ausgewogen. Im Charakter an 2015 erinnernd, aber nicht ganz so rund und üppig. 2018 ist doch eher wie 2012, mit dieser hohen Eleganz und Verspieltheit. Und obwohl viele Leute von einem heißen und trockenen Jahr reden, weil es vor allem in Bordeaux sehr warm und trocken war, ist 2018 im Piemont kein besonders heißes Jahr. In Summe ist es ein elegantes und florales Jahr, mit einer guten Basis-Konzentration. Nicht so rund wie 2015, ohne die extremen Gerbstoffe von 2016 und nicht so hyperkonzentriert wie 2017. Der vorherrschende Eindruck der feinen und hedonistischen Art entsteht auch durch die Tatsache, dass der Jahrgang leicht verdünnt ist. Es gab etwas größere Mengen als im Durchschnitt, was unter anderem daran liegt, dass es etwas mehr Regen gab als in den Jahren davor. Der Jahrgang ist generell etwas leichter. 2018 ist einfach ein klassisches, aber feines, elegantes, trinkiges und hedonistisches Jahr. Der Vergleich mit 2012 passt wahrscheinlich am besten. Keine extremen Wetterkapriolen, eine trockene Erntezeit im Oktober – so wie es für einen klassischen Barolo oder Barbaresco sein soll. Dementsprechend gibt es sehr elegante und aromatische Weine. Im Grunde ist 2018 das idealtypische Jahr in der Langhe. Der Gavarini Chiniera trägt nicht mehr den Namen Ginestra, obwohl er natürlich aus der Großlage Ginestra kommt. Aber Gianluca Grasso unterschiedet eben Ginestra Casa Maté von diesem Gavarini Chiniera. Die Lage ist ein leichter Hügel oben am Wald in 450 Metern Höhe, der dann in ein kleines Amphitheater übergeht. Auf der einen Seite geschützt vom Wald, auf der anderen Seite ist es auch windig. Zusammen mit kreidigen und sandigen Böden gibt das eine ganz andere Stilistik als beim auf 350 Meter liegenden Ginestra, der fast nur aus weißem Lehm besteht. Der Gavarini Chiniera hat dementsprechend immer etwas mehr Säure, man muss aber auch immer etwas später Lesen. Schon die Blüte ist später und das zieht sich durch bis zur Ernte. Gianluca erntet in der Regel rund acht Tage später. Die Besonderheit bei Grasso besteht in der extrem langen Mazerationszeit. Es müssen außerordentlich gesunde Trauben gelesen werden, um sich 30, 40 Tage Mazeration und Gärphase erlauben zu können. Jede Unsauberkeit durch Botrytis und Co. wird durch die lange Verweildauer verstärkt. Gianluca hat 2018 drei grüne Lesen durchgeführt. Eine direkt nach der Varaison, eine zwei Wochen später und die dritte nochmals drei Wochen später. Der Ertrag liegt bei nur etwa 60 Prozent eines normalen Ertrags durch diese enorme Auslese. Hier bei Grasso werden alle Trauben mit einer extra entwickelten Entrappungsmaschine komplett entrappt. Selbst jedes noch so kleine Stielchen wird raussortiert. Total cleane Beeren, von denen die großen, nicht so reifen, entfernt werden. Dramatische Ertragsbeschränkungen. Und dennoch, so sagt Gianluca, ist die phenolische Reife in 2018 nicht so hoch wie in 2016, 2017 und später 2019 und 2020. Eine Eigenschaft, die aber alle Barolista betrifft. Die Nase ist fein wie alle 2018er, ist fein wie 2012, ist verspielt. Und trotzdem weiß ich was Gianluca meint. Reif, aber nicht bis auf den letzten Punkt wie 2015, 2016 und 2017. Insgesamt dadurch auch leichter und verspielter, was wiederum schön ist und einen sehr zugänglichen Barolo ausmacht. Helle Lakritze, feine Himbeere, ein Hauch Milchschokolade darunter, leichte Schlehe und etwas getrocknete Blaubeere. Im Mund zeigt sich die gesamte Erzählung. Eine unglaubliche Finesse. Aber es zeigt sich auch was Gianluca sagt: 2018 hat überwiegend keine vollständige phenolische Reife erreicht. Ein ganz leichter Hauch auf prickelndem Grün bleibt auf der Zunge. Eine Frische, die aber durchaus zu diesem frischen, verspielten Jahrgang passt. Es bleibt ein traumhaft schicker, spielerischer und tänzelnder Wein. Und trotzdem fehlt ihm die letzte Perfektion, die 2018 im Grunde kein Wein erreichen kann, so wie im entsprechenden Vorgängerjahrgang 2012. 2008, 2012 und 2018 – alles in ähnlicher Art und Weise kurz vor der Perfektion, dafür mit unglaublicher Finesse, Frühreife und einer wahnsinnig aromatischen Feinheit. Toller Wein. 98+/100