Lobenberg: Der Zweitwein von Château Palmer. 2020 hat er eine ganz ungewöhnliche Assemblage: 55 Prozent Cabernet Sauvignon, fünf Prozent Petit Verdot und nur 40 Prozent Merlot. Normalerweise liegt der Merlot-Anteil beim Alter Ego bei über 50 Prozent. Ein Drittel der 66 Hektar Weinberge von Palmer sind immer für den Alter Ego reserviert. Es ist also kein klassischer Zweitwein, sondern ein eigenständiger Wein aus eigenen Parzellen. Ein Drittel ist jedes Jahr für den Erstwein Palmer reserviert und beim letzten Drittel wird jedes Jahr entschieden, ob Erst- oder Zweitwein – je nach Qualität. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings keinen einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Bei Palmer ist Trockenheit generell nicht so problematisch, weil wir hier überwiegend ein wasserspeicherndes Lehm-Terroir haben. Das Durchschnittsalter der Reben für den Alter Ego liegt bei 35 bis 40 Jahren. Die Reben für den Erstwein sind durchschnittlich 45 bis 50 Jahre alt. Die Nase des 2020 Alter Ego widerspiegelt die Wärme des Jahrgangs. Aber gleichzeitig – bei dieser guten Wasserversorgung von Palmer – gibt es keinen Hitzestress. Es ist eine feine, schwebende Nase, mit hoher aromatischer Dichte. Und auch in diesem Wein haben wir den typischen Palmer-Stil, mit diesem wahnsinnigen Ansturm an Charme, an Hedonismus. Palmer ist im Grunde einer der perfekten Zechweine des gesamten Bordelais – wenn man sich das denn leisten kann. Die Nase ist kaum vom Holz berührt. Auf Palmer wird komplett im Edelstahl spontan vergoren. Es kommt keinerlei Schwefel vor und während der Gärung zum Einsatz. Der Ausbau geschieht auf der Feinhefe im Barrique. Beim Alter Ego 30 Prozent Neuholz, beim Château Palmer bis zu 60 Prozent Neuholz. Nach einem Jahr in den Barriques wird abgestochen und der Wein in große Holzfuder gelegt, um die Weine noch feiner zu machen nach ihrer oxidativen Phase im Barrique. Die Nase des Alter Ego ist eine wunderschöne Mischung aus würziger Walderdbeere, etwas Himbeere, süßer Kirsche und schöner reifer Zwetschge. Das Ganze unterlegt mit ganz heller Lakritze und etwas Minze. Generell wird auf Palmer komplett entrappt. Die Minze und die leichte Eukalyptus-Spur kommen also definitiv nicht von Rappen. Die Nase ist einfach so fein und zum Reinspringen schön. Gleichzeitig aromatisch dicht. Eine wunderschöne, feine, verspielte Duftwolke. Der Mund zeigt dann eine unerwartet hohe Intensität. Aber auch hier wieder rote Frucht, süße Kirsche, Himbeere und Erdbeere. Enorme Länge, tolle aromatische Spannung zeigend, mit einem wunderschönen kühlen Trinkfluss. Große Frische. Ein kleines Wunderwerk an delikatem, seidigen Trinkfluss. Die Tannine sind so poliert. Der Wein macht ungeheuer Freude, schon im Fasswein-Stadium ist er fast nicht zum Ausspucken. Tolle Länge mit feinem salzigen, karamelligen Touch im Nachgang. Profunde Tiefe, aber kein Kraftwein, sondern eher ein feines, filigranes Wunderwerk, mit hoher aromatischer Dichte. Das macht echt Freude und das ist für alle, denen Palmer zu teuer ist, eine wirklich grandiose Alternative. 97+/100