Was lange währt, wird endlich gut! Uns hat es nach langer Zeit mal wieder in das Land der tausend Rebsorten gezogen! Eine Reise, die eine Vielzahl der Facetten dieser wunderbaren Region erkundet. Von den heißen Weiten Alentejos, über die Terrassen des Douro, bis hin zu den einzigartigen Weinbergen der Azoren. Dass Portugal eines der vielfältigsten Weinbauländer der Welt ist, ist weitgehend bekannt. Über 500 autochthone Rebsorten machen das iberische Land einzigartig. Dass Portugal in vielen Köpfen nur mit Portwein verbunden wird, verkennt das riesige Potential und die Vielfalt der Terroirs und der Weine.
The country’s unique point of difference comes from the fact that it has one of the greatest numbers of indigenous varieties.
– Claire Nesbitt für James Suckling
Alentejo
Die riesige Region im südlichen Inland Portugals ist heute vermutlich eine der spannendsten Regionen des Landes. Das erbarmungslos heiße Klima, trennt hier qualitativ die Spreu vom Weizen. Denn wenn wir ehrlich sind, möchte niemand überkonzentrierte Blockbuster trinken, die jegliche Finesse, Eleganz oder gar Trinkfreude vermissen lassen! Es geht also darum, die Sonne in ihrer schönsten Facette in den Beeren schmeckbar zu machen.
Unsere Reise begann hier bei einem der vergleichsweise jungen und aufstrebenden Weingütern dieser Region, bei Fitapreta. Dies war das erste Weingut des grandiosen Antonio Macanitas, sein Stammhaus. Hier begann er Anfang des Jahrtausends und hier wohnt er heute. Die Philosophie Antonios ist es, Regionen in Ihrer ursprünglichen Form zu zeigen - dies wird auch in seinen weiteren Projekten sichtbar. Das Weingut ist heute in einem Schloss, dessen Wurzeln auf das 14 Jahrhundert zurückgehen und dessen Sanierung bis heute andauert. Es ist keine Seltenheit, dass wenn das Team von Fitapreta eine neue Wand freilegt ein neues Fresco zum Vorschein tritt. Die Weine, die hier produziert werden, sind genauso besonders und magisch wie der Ort, an dem sie heute entstehen. Gerade die beiden Os Paulistas sind auch in diesem Jahr wieder beeindruckend. Der Weiße, ein gemischter Satz, zeigt sein grandioses Spiel aus der warmen Frucht des Alentejo und einer rasiermesserscharfen Präzision, die man nicht in dieser Region erwarten würde. Der rote Os Paulistas ist ein wilder und zugleich seidiger Schmeichler. Ein Wein, der irgendwo zwischen Bio-Burgund und Mencia aus dem Bierzo schwebt, eigenständig und spannend.
At Fitapreta, António Maçanita weaves a magic carpet out of local varieties in the Chão dos Eremitas
– Julia Harding MW für Jancis Robinson
Beide Weine stammen aus dem ersten Weinberg, den Antonio gekauft hat, dem »Chão dos Eremitas«. Den Weinberg kaufte er aufgrund der Vielzahl an Rebsorten. Man könnte hier von einem 30 Hektar großen gemischten Satz reden. Hier wird es in der Lese so heiß, dass man sich bei Fitapreta dazu entschlossen hat, ausschließlich nachts zu ernten. Ein ungeheurer Aufwand, da Kopflampen eine Selektion im Weinberg unmöglich machen. Wenn man zu Gast auf Fitapreta ist, braucht man nur Augenblicke – und ein herausragendes Abendessen – um ein ganz bestimmtes Vorurteil gegenüber den Portugiesen zu bestätigen. Gastfreundschaft wird hier gelebt! Ich war von dieser Herzlichkeit und Wärme sehr überrascht.
Nicht weniger herzlich ging es bei einem der Vorbilder Antonio Macanitas und einem der Großmeister Portugals weiter, Luis Duarte. Ganz im Sinne der Gastlichkeit fand dieses Treffen in einem Restaurant statt. Eine Probe, in der die Weine im absoluten Mittelpunkt standen. Die Handschrift des grandiosen Luis ist seine stets beeindruckende Rubica Linie. Weine mit toller Präzision! Gerade der rote Rubica aus dem hervorragenden Jahr 2021, zeigt sich aktuell in einer wunderbaren Verfassung. Fruchtig, charmant und dabei doch wunderbar tänzelnd.
Der letzte Stopp im Alentejo war beim Großmeister dieser Region, bei Miguel Louro und seiner Quinta do Mouro. In seiner unnachahmlichen Art kam Miguel direkt aus seiner Zahnarztpraxis zum Termin. Wenn man hedonistische Spannung in Weinen sucht, sollte man hier definitiv mal reinschmecken! Als önologischer Berater ist hier niemand geringeres als Luis Duarte. Wenn man die Weine parallel zu verkosten bekommt, merkt man dies auch direkt. Die Präzision der Intensität ist berauschend!
Setubal und Lissabon
Zwei Regionen, die die Hauptstadt umranden. Setubal im Süden und Lissabon im Norden der Stadt. Beide Regionen sind auf vielen Weinradaren noch nicht so recht angekommen. Dies mag auch daran liegen, dass beide Regionen nicht für Ihre Breite an Spitzenweinen bekannt sind. Doch wer suchet, der findet. Insbesondere Andrea Tavares, die Schwester von Sandra vom Douro-Weingut Pintas, kriegt es im fast bäuerlichen Hinterland von Lissabon hin, ungemein feine und trinkfreudige Weine auf die Flasche zu bringen.
The Lisboa region seems like an increasingly likely source for interesting wines, and leaders like Chocapalha drive that point home.
– Luis Gutierrez für Parker
Die Weingüter Pego da Moura und Herdade do Portocarro zeigen sich in diesem Jahr ungemein gastronomisch. Insbesondere die Weine von Pego da Moura haben in den letzten Jahren eine beeindruckende Entwicklung hingelegt. Heute sind sie von einer wunderbaren Spritzigkeit, kombiniert mit den salzig-maritimen Einflüssen, dieses kleinen Plots im absoluten Hinterland.
Dao
Die kleine Region, gelegen zwischen dem Bairrada und dem Douro, ist in Portugal momentan eine der angesagtesten überhaupt. Zwischen zwei kleineren Gebirgsketten gelegen, kann man hier sogar von Cool Climate reden. Der unangefochtene Großmeister hier ist Alvaro Castro in seiner Quinta de Pellada. Im Sommer sind die Temperatur-Amplituden immens hoch. Obwohl diese tagsüber über 40 Grad steigen können, fallen diese in der Nacht auf gerade einmal 15 Grad. Das Ergebnis ist eine einzigartige Spannung. Die Probe hier fand direkt im Weinberg statt, weil Maria dieses Schließen des Kreises für schön hält. Wenn man hier sitzt, kann man die Lebendigkeit des Weinberges erst so richtig schmecken. Die Reben auf diesem Hochplateau waren gänzlich in ein Meer weißer Blumen gehüllt. Die Weine, die mittlerweile von Alvaros Tochter, Maria, gemacht werden, zeigen das Terroir perfekt.
These wines are noted for their silky texture and subtle structure, appealing to those who appreciate elegance.
– Jacobo García Andrade für Suckling
Die Kühle, die sie in sich tragen, ist nicht nur für portugiesische Standards großartig. Dazu eine tiefe Mineralik, die dem ganzen Eigenständigkeit verleiht. Sowohl in Weiß, als auch in Rot überragend. Meine persönliche Überraschung des Jahres!
Douro
Von Ost nach West haben wir uns auf unserem Trip den Douro entlang gearbeitet. Also vom Douro Superiore bis nach Porto. Vom heißesten Teil der Appellation, bis hin zu den geschichtsträchtigen Reifekellern in Vila Nova de Gaia.
Home to some of the most Avant Garde and cutting-edge unfortified wines from the country.
– Luis Gutierrez für Parker
Begonnen haben wir mit Quinta do Vale Meao. Ein Name der heute fast legendär erhallt. Gelegen auf einer fast privaten Halbinsel werden hier sicherlich einige der größten Rotweine der Region produziert. Die Quinta ist für mich auf jeden Fall ein Rotwein-Ort. Nicht weil die Weißweine mit den Roten nicht mithalten können, sondern weil diese so überragend sind. Der große Quinta do Vale Meao, ist mittlerweile ein feiner, hochgradig ziselierter Douro, der voller Spannung sicherlich zum besten gehört, was man in Portugal finden kann.
Weiter ging es mit einem der Großmeister und bekanntesten Namen der Region, van Zeller. Cristiano van Zeller war DER Kopf hinter der Quinta do Noval, was zu dem Zeitpunkt seiner Familie gehörte und führt heute nur noch sein eigenes Projekt. Für mich eine der spannendsten Portwein-Kollektionen in diesem Jahr. Tief und kraftvoll, zeigen sie sich, im positivsten Sinne, sehr klassisch. Besonders ist bei Cristiano auch, sein Händchen alte Portweine zu finden und zu perfektionieren. Man findet in seinem Keller 60, 80 oder gar 140 Jahre alte Portweine. Flüssige Geschichte! Ein Großteil wird sogar mit Jahrgang abgefüllt. Ein großartiges Erbe der Region, das in den Händen der Van Zellers magisch wird. Sicherlich ein Must-Try, wenn man es sich leisten kann.
Der nächste Tag stand unter dem Schirm die Philosophie und die Arbeit eines Weingutes bis ins kleinste Detail zu verstehen. Der Empfang bei Niepoort ist immer sehr herzlich, weshalb eine Aufwärmphase hier nicht wirklich notwendig ist. Nach einer intensiven Weingutsführung, zeigte Daniel Niepoort seine Weinberge, samt Pferd. Die Philosophie des Weingutes hat sich seit dem Einstieg von Daniel stark geändert. Der Fokus wird vermehrt auf die eigenen Weinberge gelegt. In diesem Mini-Seitental des Douro, wurde ein eigenes Ökosystem geschaffen, das sich allein optisch viel grüner und lebendiger zeigt als bei den Nachbarn. Das Ziel ist es, von den langjährigen Partnern zu lernen und in ihrer eigenen Form in die Quinta do Napoles zu integrieren. Daniel ist der Überzeugung, dass niemand die alten Reben des Douro so versteht wie die alten Weingärtner, die diese seit unzähligen Jahrzehnten bewirtschaften. Niepoort steht wie kaum ein anderes Weingut am Douro für schlanke und frische Weine. Ein Stil, der hier eher selten anzutreffen ist, der das Weingut aber so unglaublich spannend und eigenständig macht. Insbesondere die Rotweine haben mich beeindruckt, da eben jene Schlankheit hier um ein Vielfaches unerwarteter ist.
Despite the name, Dirk Niepoort is Portuguese. To me, he is the most influential person in Portuguese wine—a pioneer, visionary, leader and ambassador. A person I deeply admire.
– Luis Gutierrez für Parker
Ein weiteres Weingut, das durch eine Frische und Schlankheit besticht, ist das Weingut Macanita. Dieses Projekt von Antonio wird von seiner ebenso genialen Schwester Joana geführt. Das Ziel ist es hier erneut die schon lang vergessenen Lagen und Rebsorten der Region wieder zum Leben zu erwecken. Um dies in diesem Teil Portugals zu verstehen, muss man einen Blick in die Geschichtsbücher werfen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Punktesystem etabliert, dass die einzelnen Weinberge nach Ihrer, in damaligen Gesichtspunkten, Qualität unterteilt. Die besten Weinberge waren die mit der meisten Sonne und den richtigen Böden, also die, die unmittelbar am Fluss liegen. Die Weinberge, die teils weit ins Hinterland reichen, sind immer noch zu kühl, um hochwertige Portweine zu erzeugen. Das Potential, das dort schlummert, wird heute durch nur ganz wenige Weingüter erkannt. Die Böden enthalten hier mehr Granit und weniger Schiefer. Die Weinberge reichen bis auf über 1000 m Höhe. Und die Rebsorten sind nicht die bekannten Tourigas, sondern heissen Sousao, Tinta Carvalho oder Mourisco. Teils bestehen die gemischten Sätze aus über 100 verschieden Rebsorten, mit Durchschnittsaltern von bis zu 120 Jahren. Alle wurden bestimmt und beschriftet, um die Stöcke im Zweifel durch die gleiche Rebsorte ersetzen zu können. Ziel ist es, das Erbe der Parzellen und dieser weniger bekannten Region zu wahren. Die Weine, die aus diesem, teils surreal wirkenden, Terroir stammen, sind vermutlich die straffsten Weine des Douro. Gerade für Weissweine sind die Voraussetzungen ideal, unaufgeregt, subtil und dabei mineralisch. Wenn man diesen kargen und kühlen Stil mag, sicherlich eine, wenn nicht die Kollektion Portugals!
Die nächsten zwei Stationen standen unter dem Stern der großen Namen. Sowohl die Quinta Nova de Nossa Senhora do Carmo als auch die Quinta Vale Dona Maria sind heute in Händen von großen Weinfirmen. Die Quinta Nova gehört heute zu Amorim, dem Weltmarktführer für Korken. Das Weingut ist ein Herzensprojekt der Eigentümer und auf absolute Topqualität getrimmt. Das, was die Weine hier ausmacht, ist die Ruhe, die sie ausstrahlen. Die Quinta Vale Dona Maria verbindet einige unserer Partner. Bis zum Ende des letzten Jahrzehnts war sie noch in Besitz von Cristiano Van Zeller. Zudem war Sandra Tavares, heute Weingut Pintas, lange Jahre Önologin und Teilhaberin dieser Quinta. Der Qualität hat der Eigentümerwechsel keinen Abbruch getan. Der Douro Vinhas Velhas hat mich in 2022 noch mehr überzeugt als die beiden Topweine. Das Spiel aus Eleganz und Frische bringt eine beeindruckende Vielschichtigkeit.
Azoren
Die letzte und vielleicht auch die mit Abstand eindrucksvollste Station der Portugal-Reise war Pico. Eine historische Weininsel, auf der heute die pursten Terroirweine entstehen. Surreal ziehen sich die Lavasteinmauern über die Hänge des Monte Pico. Die Arbeit, die das Team von Azores Wine Company hier in das Erbe der Insel und die Böden steckt, ist unglaublich! Wie in den anderen Regionen, in denen Antonio Weingüter hat, steht auch hier die Philosophie, vergessene Rebsorten und Terroirs zu erhalten. Auf Pico – dessen Rebfläche Anfang der 1900er Jahre von über 1200 ha auf etwa 18 ha zurückgegangen ist – bedeutet dies die Rodung von Wäldern. Im ersten Moment klingt das natürlich wie ein massiver Eingriff in das Ökosystem, doch in Wahrheit werden hier die alten Rebflächen und Currais - so nennt man auf der Insel die Lavasteinmauern - wieder hergerichtet. Ein unglaublicher Arbeitsaufwand. Die Rebflächen, die Antonio und sein Team hier freilegen, sind in der Regel unmittelbar am Meer gelegen. Diese gelten hier auf der Insel als die Besten! Ein Sprichwort besagt sogar: »Die besten Weinberge sind die, in denen man die Krabben singen hören kann«.
I’d seen many photos of the tiny, contiguous black-walled vineyard blocks running down to the ocean but walking among them, clambering around these hand-built sea and wind defences and feeling the heat radiating from the basalt rocks long after the sun had gone down, was still a remarkable experience. So extraordinary are the Pico vineyards that in 2004 they were recognised by UNESCO as a world heritage site.
– Julia Harding MW für Jancis Robinson
Die Rebsorten, die hier teilweise keine zwei Meter vom Wasser entfernt, angebaut werden, sind zum Großteil autochthon. Sowohl der Verdelho, als auch der Arinto kommen von Pico und haben mit den Namensvettern auf dem Festland keine Verwandtschaft. Die Art und Weise, wie die Pflanzen hier wachsen, sind ähnlich surreal wie der erste Blick auf die Landschaft. In den Rissen des Vulkanbodens werden die Setzlinge gepflanzt, organische Masse sucht man hier vergebens. Bei tiefer Verwurzelungen erreichen die Reben sogar das Meerwasser, das sich im Untergrund befindet. Die Salzigkeit, die man in den Weinen findet, kommt somit von oben, den Meereswinden und von unten! Das raue Wetter bedingt eine bodennahe Reberziehung. Die Stöcke wachsen nicht nach oben, wie man es auch in Deutschland kennt, sondern kriechen förmlich auf dem Boden. Alle möglichen Einflüsse bewirken, dass maschinelles Arbeiten im Weinberg überhaupt nicht möglich ist. Die Mauern um die Reben machen teils sogar das Laufen schwer und umständlich. Das Ergebnis dieser umständlichen Arbeit schmeckt man in der Flasche. Einzigartig mineralisch und karg. Ich bin immer großer Fan von Inselweinen, die Kombination mit der Kühle der Azoren ist jedoch besonders berauschend! Der Canada do Monte - Canada werden hier übrigens die Wege genannt - ist für mich Jahr für Jahr ein absoluter Must-Try! Mit Abstand das beeindruckendste Terroir das ich je erlebt habe!
Fazit
Was bleibt also nach dieser Reise durch Portugals Weinlandschaft? Mehr als nur die Bestätigung seiner bekannten Vielfalt. Von der sengenden Hitze des Alentejo, die erstaunlich elegante und charaktervolle Weine hervorbringt, über die dynamische Dão-Region mit ihrer unerwarteten Kühle und Finesse, bis hin zum majestätischen Douro, der sowohl kraftvolle Legenden als auch überraschend schlanke Interpretationen hervorbringt, hat uns dieses Land aufs Neue in seinen Bann gezogen. Und dann natürlich Pico, diese surreale Vulkaninsel, die Weine von einer einzigartigen Mineralität und Intensität hervorbringt, ein wahres Terroir-Wunder. Es bleibt die Erkenntnis, dass Portugal definitiv eine tiefere Erkundung wert ist – jenseits der bekannten Pfade.