Deutschlandtournee 2016 Heiner Lobenberg – Verkostung 2015

Mit euphorischer und zugleich banger Erwartung starteten mein Freund Max Gerstl und ich am Sonntagmorgen um 6 Uhr am 21. Februar 2016 in die Jahrgangsverkostung des mit großen Vorschusslorbeeren versehenen Jahrgangs 2015 in Deutschland. Das Wetter in 2015 war angeblich auch in den Weinregionen perfekt! Zu perfekt? Zu warm? Zu breite und alkoholische Weine wie 2009? Oder nette Charmeure wie 2007 und 2011? Oder wirklich große Weine? Haben der Septemberregen und die anschließenden kühlen Nächte alles gerettet? Ging dann deshalb doch die wahre Größe eben trotz der Wärme und des perfekten Wetters zuvor? Mit banger Erwartung starteten wir ganz im Süden im Markgräfler Land.

Die roten Burgunder brauchen wenig Kommentar. Seit 2010 ist Deutschland da groß im Kommen und weltweit vor der Schweiz und den USA erster Verfolger des französischen Burgund.

Finesse in 2011, 2012 und 2014. Power und dichte, berauschende Intensität 2010, 2013 und 2015. In Baden, der Pfalz, Rheinhessen, im Rheingau und an der Mosel. In besten Lagen. Das neue Deutschland, das Pinot Noir Land, das Rotweinland!

Riesling, dafür steht Deutschland aber zuerst. 2013 und 2014 waren die Massenweine Schrott, die Topweine aus Steillagen waren überragend, alkoholarm und fein, voller Rasse und Finesse. Baden des Jahrgangs 2015 startete im Riesling zu breit und dicht. Selbst Sauer in Franken zeigte (zuviel?) Power. Ausnahme war die superbe Ortenau. Aber dann folgte im kühlen, hoch gelegenen, steinigen Nordfranken bei Fürst die Offenbarung. Rheingau und Mosel schwimmen auf der gleichen, finessereichen Säure-Welle bei für ein so großes Jahr erstaunlich niedrigem Alkohol. Hohe Extrakte und viskoser Schmelz. Und sooo leckere GGs habe ich noch nie probiert. Und sie werden dazu noch überaus lange leben! Resümee nach acht Tagen: nördlich Badens und Würtembergs ist 2015er Riesling und sind die GGs das Beste, was ich je in Deutschland probieren durfte. Die süßen Auslesen an der Mosel sind gleichauf und best ever! Chapeau! Wir hoffen nächste Woche auch auf große feine Weine von der Nahe, Rheinhessen und der Pfalz. Bitte möge es auch da hohe Säure, Finesse und niedrigen Alkohol geben! Wir werden sehen, die Tour geht weiter.

Nach acht Tagen wird dann an der Mosel immer klarer, dass 2015 im gesamten Charakter eine Wiederholung des genialen Jahres 1990 ist, nur dass die Winzer 25 Jahre mehr Wissen und Fähigkeiten und vor allem Präzision im Weinberg und Keller haben. Und dass sie jetzt auch Weltmeister bei trockenen Rieslingen und roten Burgundern sind. Die Gutsweine und Einstiegsweine sind perfekte Leckerlies für die nächsten 5–8 Jahre, die GGs und Prädikate kann man jung oder erst in 10 oder 20 oder 50 Jahren trinken, sie werden immer grandios sein. 2015 ist ein Jahrgang mit kühler Geschmacks-Charakteristik und kühler Aromatik trotz seiner Reichhaltigkeit, Druck und Schmelz. Diese Kombination in Pikanz und frischer, reifer Dichte ist das Sensationellste der letzten Jahrzehnte. Einfach perfekt und ein Idealfall, uns sollte klar sein, so etwas erleben wir nicht so oft.

BADEN:

Recht üppige weiße Burgundersorten, überaus lecker aber manchmal etwas fett. Rotweine dafür genial. Rieslinge zu breit und dadurch etwas plump, weit hinter den hier genialen 2014ern.

Ziereisen und Huber gesamthaft wieder überragend. Zwei der absoluten Großmeister der Pinot Noir. Elegante Traumweine in 2011, 2012 und 2014. Power und Größe in 2010, 2013 und 2015. Ziereisen der Alleskönner auf seinen Kalksteinfelsen in Südbaden und neuerdings auch ganz groß in Basel. Und Julian Huber, mit Fritz Becker und Fürst wohl DER deutsche Burgunderstar im Stil der Bourgogne. Alexander Laible macht mit dem 2015er Riesling 1000 Sterne sein »best ever«. Joachim Heger hatte einen riesigen 2014 Riesling GG, er war aber viel zu breit in 2015, der absolute Süden hat für Riesling zu viel Fett in 2015. Dafür war Heger im Rotwein superb, von 2013 über 2014 bis zu 2015. Holger Koch ist ein kommender Burgunder-Star und unglaublich fein und echt superb bis groß mit 2014 und 2015, rot und weiß, wunderbares cool climate im Kaiserstuhl! Sven Enderle, der badische Fürst des Schrägen, macht superbe, schön eigenwillige 2015er, verblüffend bezaubernde Unikate.

FRANKEN:

Horst und Sandra Sauers Weine sind ungeheuer intensiv und geschmackvoll, haben aber vielleicht zu viel Power in den GGs, eindrucksvolle Monster, aber vielleicht zu tanninreich und druckvoll?

Paul und Sebastian Fürst mit ihren kühlen und kargen Gesteinslagen in Hochlage sind im Riesling GG und im Einstiegsriesling Mineral 2015 wohl einer der Überflieger und Kandidat für »wine of the year«. Die 14er Rotweine ähneln 2012 und liegen in ihrer überragenden Feinheit zwischen den übergroßen 2013 und 2015.

RHEINGAU:

Nach den sehr guten Jahren 2011 bis 2013 gab es 2014 einen Durchhänger. 2015 kam dafür um so strahlender wieder. Ich weiß nicht wann ich in dieser Region je einen so sensationellen Jahrgang im trockenen Bereich probiert habe. Besser noch als die superben 13, 12, 11, 8, 7 usw.

Peter Jacob Kühn: genialer Gutswein und Kandidat »wine of the year«, rassig superbe GGs, lecker, lebendig, überaus rassig und langlebig und wirklich groß. Best ever hier?

Robert Weil: noch nie sooo lecker und doch, trotz cremigem Charme, ein überragendes, delikat leckeres GG für die Ewigkeit und eine superbe erste Lage vom Turmberg.

Von Oetingers 2015 GG Marcobrunn ist ein Kandidat für »wine of the year«. Power, Dichte, Säure und Finesse, groß! Leitz hat so leckere und große GGs, die Einstiegsweine sind begeisternd leckere Traubensäfte.

J. B. Becker macht 2015 erstmalig wieder eine trockene Auslese Alte Reben und eine Auslese Alte Reben trocken des Spätburgunders. Beides potenzielle 100 Punkte Weine. Riesige Unikate!

August Kesseler hat ein geniales Rüdesheimer GG 2015 und eine unikathaft schöne erste Lage aus Lorch. Der Gutswein ist begeisternd. Die 2013er Rotweine »Pinot Noir« und »Cuvee Max« sind besser als je zuvor und gehören zu Deutschlands besten Pinots, schön wieder mit ihm zu arbeiten!

MOSEL:

Die Highlights der Moselpower gleich zu Beginn. Danach erst die gigantische Finesse der Ruwer und Saar.

Heymann Löwenstein mit einem verblüffend guten, ja überragenden Blauschiefer, noch über den bekannt guten Schieferterrassen stehend und einem explosiv guten Röttgen, extrem steinig, mineralisch, salzig, extremistisch und doch auch jahrgangsspezifisch sooo lecker. Der Topwein, der 2015er Roth Lay, ist ein traumhaft komplexes Unikat für 50 Jahre. Was für ein charmanter, leckerer Mund trotz der Filigranität und steinbeladenen Säure. Eine ganz erhabene Primaballerina und richtig groß!

Clemens und Florian Busch verblüfften mit einem genialen und speziellen Fass vom blauen Schiefer, herausragend salzig und steinig mineralisch, und mit 5 Gramm Zucker doch sooo lecker. Ein Extremist mit viiiieeel Geschmack. Ich musste das ganze geniale Fass kaufen. Direkt daneben, auch auf blauem Schiefer, was kühle, mineralische und erhabene Weine ergibt, wächst das bei Clemens in 2015 beste GG, der Farlay. Ähnlich wie der Blauschiefer, nur mit Turbolader und trotz hoher Säure und steiniger kühler Mineralität mit mehr Sahne und Karamell und Schmelz. Kühl und erhaben. Und fürs lange Leben! Best ever hier.

Robert Eymann hat im Mönchhof mit der besten Lage Ürzigs, der Krankley an der Ürziger Sonnenuhr, den besten trockenen Wein Ürzigs erzeugt. Super, fast noch besser als 2014, bei guter und lebendiger Säure etwas mehr Schmelz und einen Hauch mehr Restsüße. Und eine der ganz, ganz großen und rassigen Auslesen des Jahrgangs überhaupt kommt auch vom Mönchhof. Roberts Erdener Prälat ist ein filigraner Riese für die Ewigkeit, finessereich und groß auch noch in 50 oder 100 Jahren!

Oliver Haag. Was sollten wir nach 3 Stunden köstlicher Probe mit Oliver und Wilhelm Haag sagen? Vielleicht die Kollektion des Jahres? Genialer Gutswein, darüber mit dem J das Preis-Leisungswunder. Oliver hat seinen Stil leicht geändert. Maischestandzeiten bis maximal eine Nacht straffen seine Weine vorzüglich. Spontan vergoren, jetzt zum Teil im Holzgärständer. Die genialen 2015er sind bei ihrem fast dramatischen Charme dennoch straffer, mineralischer und ausdrucksstärker als je zuvor. Alle 2015er haben wahnsinnigen Zug. Moderater Alkohol bei durchaus spürbarer Säure, total abgepuffert durch Extrakt und 7 Gramm Restzucker in beiden GGs. Die Juffer hat viel straffe Power dazu, die Sonnenuhr Erhabenheit und Charme. Große GGs! Und das bei 16 Gramm Restzucker stecken gebliebene Fass GG aus der Juffer, natürlich nicht als GG etikettiert, ist eine riesengroße Geschmacksbombe. Die total pikanten Auslesen von der Sonnenuhr spielen mit Loosens Erdener Auslesen in der Hall of Fame, best ever hier!

Dr. Loosen verblüfft mit zwei straffen, mineralischen Finesse- und Mineralmonstern, die Wehlener Sonnenuhr GG und das Erdener Treppchen GG bestechen mit hoher Individualität bei nur 12,5 % vol Alkohol und 7 Gramm Säure wie auch Restzucker. Fokussierte Extremisten und doch sooo geschmackvoll und lecker. Das Prälat GG ähnelt in der Erhabenheit und cremigen Dichte Löwensteins Roth-Lay, und ist nicht nur für 100 Punkte gut, sondern auch Kandidat für bestes GG des Jahrgangs. Die zwei Erdener Auslesen, Treppchen und Prälat Goldkapsel, gehören mit ihrer verstörend überragenden, finessereichen Trinkigkeit in die Hall of Fame. Nicht ausspuckbare Pikanz in der Probe. Großes Kino bei Ernie Loosen!

Thomas Haag von Schloss Lieser konnte nicht mehr überraschen. Wir waren seelisch darauf vorbereitet, dass sein Gutswein und der Kabinett trocken in ihrer überragenden Qualität im Bereich Preis-Leistung wohl das beste der Mosel darstellen. 91 und 94 Punkte für unter 10 bzw unter 15 Euro ist schon spektakulär. Dazu im Niederberg Helden eine 97–100 Punkte Auslese Goldkapsel und eine 100 Punkte BA. Rien ne va plus.

Markus Molitor zum Abschluss der Mosel ist eine eigene Welt. Wenn ich Ziereisen generell im Süden zum immerwährenden Winzer des Jahres erkläre, so ist Molitor das immer an der Mosel. Vielleicht sogar im gesamten Riesling Deutschlands. Wer kann da überhaupt mithalten? Einfach nur spektakulär! Die gerade freigegebenen 2012er Pinot Noirs sind aber auch mindestens so berauschend wie zuvor 2011. Die 2014er Weißweine kommen ohne Probleme an die von Parker dramatisch hoch bewerteten 2013er heran. Die abends getrunkenen, gerade am Beginn der Reife befindlichen 2005er und 2003er, waren eine Offenbarung. Großes Burgund als reife Rieslinge von der Mosel. Bessere deutsche Weißweine als die reifen zwei und drei Sterne Weine von Markus Molitor gibt es nicht. Das ist unser Weltklassewinzer!

DIE RUWER:

Puristischer Stoff bei Maximin Grünhaus, spontan und mineralisch, lange Maischestandzeiten, hohe Säure aber auch Schmelz, karg und raffiniert zugleich. Neben der gefälligeren Mosel eher Freak-Show, aber trotzdem super und best ever!

DIE SAAR:

War der weltweit beste und teuerste Süßweinerzeuger Egon Müller jemals besser? Stoff für die Ewigkeit in hohen Prädikaten, traumhaft lecker und doch was für Jahrzehnte bei Gutswein und Kabinett. Und jetzt mit Schraubverschluss, langsamer reifend, das hält ewig. Das ist noch besser als die grandiosen 1990er. Grandios, mehr geht nicht! Die Superstarstellung als weltbester fruchtsüßer Rieslingwinzer ist zementiert!

Hanno Zilliken direkt danach. Jetzt flippe ich im trockenen und feinherbe Bereich fast aus. Besser als alles was ich hier je probiert habe. Hanno vergleicht mit dem bisher besten Jahr des Weinguts, 1975. Riesen in Finesse und dazu druckvoller Schmelz. Soooo lecker und unendlich haltbar. Und dann der Kabinett, die Spätlese und Auslese Goldkapsel. Eine Orgie in Finesse aus Minze, Schiefer, Caramelle, Zitrus, Tee, Grapefruit, Mandarine und Passionsfrucht … mir fehlen die Worte, unendlich fein und raffiniert und für unendliches Leben … pikant und lecker von der Fassprobe bis in die Ewigkeit.

Dann sollte es normaler werden bei Schloss Saarstein. Wird es aber nicht. Das GG und die alten Reben sind noch puristischer Saar als Zilliken, nicht besser aber seeeehr eigenständig. Und der feinherbe Kabinett lässt einen nur noch jubilieren, so leckere Explosionen in Finesse und Pikanz. Christian Eberts Auslese ist gar eine der feinsten Auslesen, die ich je probiert habe. Nicht intensiv wie alle anderen, sondern verspielt wie ein Kabinett, ein rassig feiner Traum.

Dann Florian Lauer, der neue shooting star an der Saar. Kraft trifft Eleganz und Feinheit. 2015 besser denn je! Die GGs sind astronomisch, nur noch getoppt von der im Kupp liegenden Einzellage Neuenberg mit 100 Punkten. Final? Die Saar ist mindestens so gut wie die gigantische Mosel. Und beide zusammen sind ganz vorne! Besser als alles, was ich je in Deutschland probiert habe. Eine Turboversion von 1990.

DIE NAHE:

Bei Tim Fröhlich ist der qualitative Einstieg in die Nahe nicht wirklich schwierig. Er setzt aber natürlich Maßstäbe, da muss erst mal jemand mithalten. Glatte 100 Punkte für das GG Felseneck und 98–100 für den Stromberg und 97–100 für das Frühlingsplätzchen. Drei verschiedene Gesteinssorten mit blauem Schiefer, Porfyr-Vulkangestein und rotem Schiefer. Gleich dreimal Weltklasse. Dazu vom Felseneck eine fast unglaubliche Spätlese Goldkapsel, fein zu trinken wie ein Kabinett aber pikant wie eine Auslese. Großer Stoff. Frank Schönleber danach mit den GGs Frühlingsplätzchen und Halenberg war dagegen zwar groß, aber vielleicht etwas lieb, sein Versteigerungs-GG »auf der Ley«, ab Herbst nur in Magnums abgefüllt, war aber ganz großes Kino.

Caroline Diel kann das zwar nicht mehr toppen, aber sie spielt trocken und süß 2015 ganz sicher auch mit in der ersten Reihe.Im Gut Hermannsberg wollte ich dann mal kürzertreten, nach so vielen perfekten Weinen. Ging nicht! Zwei GGs zur Auslieferung im Herbst 2016, bis 99 Punkte. Mehr als geil und spannend. Dann die drei bombastischen GGs in Subscription: Bastei, Kupfergrube, Hermannsberg. Auslieferung Herbst 2017. Fast zwei Jahre Hefelager. Ganz groß. Mit Tim Fröhlich und Dönnhoff ganz oben, puh … seufz … ein Jahr wie dieses verkrafte ich nicht oft … gabs aber die letzten 25 Jahre auch noch nicht, wahrscheinlich noch nie.

Die Probe bei Dönnhoff zeigte dann die wirklich beste Kollektion eines Jahrhundertjahrgangs. Süß vergleicht Helmuth Dönnhoff mit 1971, trocken gab es einfach noch nie so gut. Mehr geht einfach nicht. Die strahlende Zukunft des Rieslings ist genau jetzt und hier, 2015 in Deutschland!

RHEINHESSEN:

Die strahlende, kraftvoll elegante Region, mehr elegant und mineralisch denn moselanisch süß und saftig, war Überflieger der letzten Jahre. Sankt Antony ist nach Keller und Wittmann der aufstrebende Superstar mit großen Rieslingen und perfekten Rotweinen. 2014 war ein Knaller. Kann 2015 das noch steigern oder halten?

Die Weine von der Rheinfront, steinig mineralisch, mehr elegant als saftig. Die zwei reservierten Barriques des Pettentals aus der kühlen und winzigen Einzellage Heise Oenotheke waren fast noch besser als 2014, an die 100 Punkte, Stoff für ein langes Leben. Hipping war superb und elegant und groß. Der Nachbar und Freund Kai Müller macht aus nur 1800 Quadratmeter einen superben, sehr spannenden Bio-Pinot Noir, der kleinste Winzer Deutschands, sehr spannend. Michael Teschke macht in Gau Algesheim weiter die mit Abstand besten und spannendsten Silvaner der Welt. Eigenwillig wie der Winzer selbst und sehr langlebig. Danach Klauspeter Keller in Flörsheim, saftig und majestätisch, über jeden Zweifel erhaben. Eine Bank in absoluter Oberklasse. Katharina Wechsler aus Westhofen, shooting star aus 2013, bestätigte 2015 ihren steilen Anstieg zur Oberklasse. Ihr Kirchspiel hat schon echte Klasse. Philipp Wittmann, der biodynamische Nachbar aus Westhofen, spielt aber weit vor ihr und in der ersten Reihe der Champions-League. Vier Weine in der Range 98–100, das hat hier schon eine extraterrestrische, Dönnhoffsche Dimension. Seine Frau Eva Clüsserath von der Mosel verblüffte neben genialen Erfolgen im trockenen Bereich mit drei entzückenden Süßweinen, echte Weltklasse.

DIE PFALZ:

Der absolute Superstar des deutschen Rotweins, der Pfälzer Fritz Becker an der französischen Grenze, bewies mit der erst 2017 rauskommenden 2013er Kollektion und den 14er Fassproben, dass die grandiosen Verfolger Huber, Fürst und Ziereisen doch dieses außergewöhnliche Level nicht ganz erreichen. Fritz Becker wäre auch in der Cote d’Or ein Star! Wie schon gesagt, Deutschland, das Pinot Noir Land, das Rotweinland!

Dann die Königsrebsorte, der Riesling. Nach den imposanten, langlebigen und monumentalen 2013ern, und nach den traumhaften Finessewundern aus 2014, die sich mehr und mehr als so überragend in ihrer Feinheit und Trinkfreude herausstellen, war die Frage, ob die Pfalz, eigentlich nur die Mittelhardt, mit 2015 zum dritten Mal in Folge die besten Weine des Jahrgangs in Deutschland stellen kann. Zwei Wochen frühere Blüte und zwei Wochen frühere Ernte als Rheinhessen, gar 5–6 Wochen vor Mosel und Saar. Es ist deutlich wärmer hier. Wie passte das zum zwar reifen, aber cool-climate-Jahrgang 2015? Die Entwarnung vor bangen Erwartungen und bösen Unkenrufe von Neunmalklugen, selbst ernannten Verkostungs-Hohenpriestern in Blogs des Internets, gab es vom VDP Präsidenten Christmann in Form von belegten Zahlen gleich zu Beginn. Es gab hier, anders als in Nord- und Südpfalz oder gar weiter im Norden, eben keinen Trockenstress. Gerade die häufigeren kleineren Regenfälle des Sommers verhinderten hier den wochenlangen Stillstand im Weinberg, wie es das im Norden an Mosel, Nahe und Rhein eben gab, mit der Folge später Lese in Vollreife erst zum November. Deshalb war die Pfalz eben schon Ende September vollreif, es konnte und musste alles sofort geerntet werden. Die Kühle des skandinavischen Hochs gab es aber natürlich auch hier ab dem 1. September. Die Säure blieb erhalten, für die Pfalz respektable Werte zwischen 7,5 und 8,5 Gramm sind bei den Weltklassewinzern die Regel und die Zuckerbildung war moderat bis gut. Auch gab es in der Pfalz wieder moderate Alkoholwerte zwischen 12,5 und 13 Grad. Natürlich ist die Mittelhardt nie so überwältigend frisch und pikant wie die Mosel. Das will sie ja auch nicht sein. Wir sind hier mehr in Burgund als in Deutschland, das macht ja die Region so anders und besonders. Und das ist auch gut so!

Philipp Kuhn zeigte mit seinen drei GGs eine tolle Leistung. Nicht ganz die erste Reihe der Pfalz, die Mittelhardt ist da einzigartig, aber dennoch große Weine bei Kuhn, best ever hier.
Die Biodynamiker Steffen Christmann und Bürklin Wolf in der Mittelhardt zeigen die besten Kollektionen ihrer Karrieren, schon ab Gutswein und genialen Ortsweinen und 1er Cru, also ersten Lagen, sind im Jahrgang 2015 alle Weine ganz großes Kino. Nie so gut wie 2015, ich bin hin und weg! Die GGs Idig, Langenmorgen, Kapelle, Pechstein, Jesuitengarten, Kirchenstück und Pechstein sind gar so überwältigend groß und schön wie nie zuvor. Mehrfach 100 Punkte für Christmann und Bürklin. Ich verbeuge mich vor so viel Qualität und Klasse!

Zum Schluss unserer 14-tägigen Maratontournee durch Deutschland die Superstars der letzten zwei Jahre, vielleicht die neuen Flagships der Pfalz, von Winning und Reichsrat von Buhl. Der geniale Winzer und Kellermeister Mathieu Kaufmann bei Buhl, früher Kellermeister bei Champagne Bollinger, vergärt auf Null Restzucker und setzt auf sehr langes Hefelager bei gemischtem Stahl- und Holzeinsatz. Extrakt und Hefen ersetzen mit viel süßem Schmelz den Zucker. Purismus und Kraft zugleich, alles bei sensationeller Eleganz. Dreimal 100 Punkte für die GGs Jesuitengarten, Pechstein und Kirchenstück. Die Gutsweine, Ortsweine und ersten Lagen sind grandios, ebenfalls Anwärter auf den Thron. Alles irgendwie im Stil der Domaine Leflaive aus Burgund, dabei Chablisartig schlank, rein und pur. Und doch sooo Riesling!

Der Vorreiter der Pfälzer Riesling-Burgunder, der Vollblutwinzer Stephan Attmann bei von Winning, hat sein Lebenslicht, seine Lebenskerze, an beiden Seiten angezündet. Er brennt mit Ehrgeiz, Genie und intuitiver Präzision lange schon vor Buhl, die Revolution begann mit dem Jahrgang 2008. Es war und ist eine Revolution in penibelsten Verbesserungen im Weinberg, dann in der Vergärung und im Ausbau im zum Teil neuen Holz mit langem Hefelager. Anders als Buhl schwört Stephan Atmann auf überwiegend 2–5 Gramm Restzucker, er ist der Meister der Frucht bei überragender Feinheit und cremig stützender Hefe und Holz.

Die Weine sind gleich gut aber so ganz anders als die Ultrapuristen bei Buhl, im fruchtigen Stil fast näher bei Bürklin, aber doch viel schlanker und total eigenständig. Die erste Lage Paradiesgarten überwältigt mit intensivem Charme und berauschender Trinkfreude, die »kleineren« GGs Kalkofen und Ungeheuer sind stilistisch einzigartig, großartig und voller Leben. Ab dem best ever Kieselberg berühren wir die Höchstnoten. Pechstein ist wie bei Buhl und Bürklin glatt 100, da fehlen mir die Worte. Und Attmanns 2015er Kirchenstück ist von allen 100 Punkte Weinen dieses Über-Jahrgangs der Primus Inter Pares. Mein »Wein des Jahres«, ein komplexes Monument der Zeitgeschichte. Stephan Attmann ist meiner Ansicht nach noch vor den genialen Buhl und Bürklin und Christmann die Pfälzer Kollektion des Jahres gelungen. Die Reihenfolge kann man aber je nach Stilvorliebe auch beliebig innerhalb dieses vierblättrigen, spontan vergärenden Kleeblatts vertauschen. Vier Pfälzer Superstars des Jahrgangs 2015. Von Winning ist auf jeden Fall ein Solitär. Charme, Frucht, Trinkfreude und Finesse in äußerster Form, alles bei hochindividueller, unverkennbarer Holz-Stilistik. So anders und so gut! Eine Bereicherung für Deutschland!

Und so fahren Max Gerstl und ich am 6. März glückstrunken und freudestrahlend heim. Vergleiche der Winzer mit 1975, 1990 und meistens mit 1971 mögen für Süßweine passen, vergleichbare trockene Weine gab es damals jedoch nicht. Wir wissen, dass wir mit 2015 den besten deutschen Jahrgang unserer Verkostungsära probieren durften. Weinige Monumente der Zeitgeschichte in Feinheit, Finesse, Frucht, Kraft, Präzision und Trinkfreude.

Zur Einstimmung – große Weine aus 2014:

Neueste Beiträge

Winzernews 2023

Winzernews 2023

Wie passt dieser Jahrgang 2023 qualitativ in die Zeit und in den Markt? Das ist der Versuch einer ersten provisorischen Einordnung nach...

Burgund 2021 und 2022

Burgund 2021 und 2022

Je häufiger ich das Burgund in den letzten Jahren bereise, desto mehr reift in mir die Gewissheit, dass die Region an einem historischen...

Wein-Schlaraffeninsel Sizilien

Wein-Schlaraffeninsel Sizilien

Durch den enormen Drive hin zu mehr Qualität hat sich Sizilien in diesem Jahrhundert zu einer der spannendsten Weinregionen Italiens...