VON HEINER LOBENBERG UND MAX BOMM

Der Bordeaux Jahrgang 2021

Der Reisebericht Teil 2

Eine extrem spannende, unerwartete und überraschende Woche lag nun schon hinter uns. Es hat sich gezeigt, dass 2021 so ein archetypischer Bordeaux-Jahrgang ist, wie es ihn schon lange nicht mehr gegeben hat. Geprägt von genialer, kühler Eleganz und niedrigen Alkoholwerten. Sehr schick, fein, dabei aber auch so spannungsgeladen – ein absolutes Traumjahr für Finesse-Trinker. Cool-Climate par excellence. 

Lafite 2021

Das machte Lust auf die zweite Woche, die uns ebenfalls große und kleine Superstars brachte. Wir nehmen Sie wieder mit auf unserer kleinen Zeitreise zurück zur Klassik! Lesen Sie weiter… 

Montag

Der 1er-Cru-Marathon

Für Montag haben wir ein straffes Programm geplant. Ähnlich wie am letzten Super-Friday geht es heute fast im Halbstundentakt von Chateau zu Chateau. Natürlich bin ich extrem gespannt, wie sich die ganz großen Namen wie Mouton, Lafite oder Margaux zeigen werden.

Ein absoluter Musskauf.

Start ist morgens um 9 bei Calon Segur. Hier gab es durch die flussnahe Lage keinen Frost. In Juni wurde dann entblättert, um so viel Licht wie möglich an die Trauben heranzulassen. Zum Glück gab es kaum Regen, so konnten hier total schöne, reife Trauben gelesen werden. Keinerlei Krankheiten, alles total gesund. In der Marquis ist diesmal eine Parzelle Merlot, die normalerweise in den Calon geht. Das Ergebnis ist ein überaus stylischer, von saftiger Frucht geprägter Calon. Für mich ist Capbern dieses Jahr sogar vor der Marquis de Calon. Archetypischer Saint-Estèphe. Im Preis-Leistungs-Verhältnis auch in 2021 ein Superschnäppchen. Ein absoluter Musskauf.

Verkostung bei Calon Segur
Verkostung bei Calon Segur

Weiter geht’s bei Montrose. Auch hier ist man sehr zufrieden mit dem Jahrgang. Auf einen milden Sommer folgte Ende August wirklich perfektes Wetter. So konnten die Trauben langsam ihre Vollreife erreichen. Die Lesedaten vom 21. September bis 6. Oktober sind wieder sehr klassisch, deutlich später als in den Vorjahren. Der Ansatz mit dem Zweitwein La Dame ist hier ein anderer als auf den meisten Chateaus. Es gibt hier deutlich mehr Zweitwein, weil die Fässer für den Montrose strengstens selektiert werden. Nur das Beste vom Besten landet im Erstwein. In seiner Klasse erinnert er stark an reifere Versionen zurückliegender Zeitalter. Was 2021 als Zusatz mit reinbringt ist eben die wunderbare Reife und der Charme. Das war früher einfach nicht der Fall. Also ein 90er-Jahre Montrose mit zusätzlichem Charmefaktor und hedonistischem Versprechen.

Auf Cos d’Estournel bin ich jetzt als nächstes gespannt, besonders auf den weißen. Seit Jahren eine Bank. Nachdem viele Blancs aus 21 schon so schön waren, könnte das hier auch wieder ein Blockbuster werden. Aber fangen wir mit rot an. Wow, das ist so anders als in den letzten Jahren, alles ist so intensiv! Sehr maskulin. Ein schlanker Powerwein mit sehr viel Frische und hoher schwarzer Intensität, ohne große Süße, ohne viel Schnickschnack. Cos 21 is einfach ein großer, klassischer Bordeaux wie aus früheren Zeiten. Jetzt Blanc – und ja, wie erwartet, ist das ein absoluter Blockbuster. Wie im letzten Jahr ein fesselnder, großer Bordeaux Blanc. Fast sogar noch eine Spur spannender als 2020. Großes Kino!
 

Ich bin extrem begeistert von diesem genialen Lafite.

Als nächstes Lafite. Wow, so extrem fein, lang, intensiv und aromatisch. Gehört ganz sicher zu den großen Klassikern dieses Jahr! Und es ist wirklich eine Rolle rückwärts in die 90er. Ein Lafite, wie er früher einmal war und trotzdem ist er eindrucksvoll in seiner enorm scharfen, schwarzfruchtigen, mineralischen Länge. Hohe Reife, ohne Zugeständnis an die Süße und an den Hedonismus. Kann man hier die 100 zücken? Ich muss definitiv mindestens 98-100 geben! Ich bin extrem begeistert von diesem genialen Lafite.

Mouton
Eine ganze Reihe »Mouton«

Nach Lafite folgt Mouton, den wir in diesem Jahr auf d’Armailhac verkosten. Bei d’Armailhac möchte man neue Wege gehen. Deshalb hat man die Rebfläche aufgestockt und im neuen, hochprofessionellen Keller ist deutlich mehr Platz. Diese Rothschild-Brand soll einfach noch etwas aufgewertet und noch besser positioniert werden. Der 21er hat die Struktur eines 90er-Jahre-Weins, aber den Charme aus 2014. Das macht viel Spaß, ist sehr trinkig und saftig. Mouton ist ganz anders als der extrem klassische Lafite. Tendiert deutlich mehr zur wärmeren Seite, bleibt aber sehr fein und elegant. Tolle Länge. Ihm fehlt ein bisschen der letzte Punch, um wirklich superklassisch zu sein und ihm fehlt die letzte Süße, um zur Neuzeit zu gehören. Irgendwo best of both worlds. Beim Aile d´Argent zeigt sich 2021 wieder als Mega-Jahr für Weißwein. Etwas extremistisch unterwegs. Aber eindrucksvoll in seiner scharfen, mineralischen Ausprägung. Genialer, wirklich großer Stoff!

Lynch

Auf Leoville Las Cases beschreibt man den Jahrgang wie 1988 mit neuer Technologie. So hatte ich das auch schon bei einigen anderen Weinen zuvor eingeschätzt. Bei Las Cases ist das ein bisschen wie eine Mischung aus 1988, 1999 und vielleicht 2001 in diesem hoch klassischen Approach, aber auch ziemlich viel Schub von hinten kommend. Ein Las Cases, wie er die letzten Jahre nicht mehr war, aber wie er eigentlich perfekt zu diesem Weingut passt mit dieser Stilistik. Enorm geschliffen und fein. 

Als nächstes Lynch-Bages, auf den ich schon seit Tagen so gespannt bin. Wow, auch hier wieder extrem viel Klassik im Glas! Ein absoluter Mineralhammer. Unheimlich druckvoll, kühl, schiebende Mineralität überzieht den Gaumen, die Zunge rollt sich. Wir haben hier immense Kraft aus dieser wunderbar klassischen Tanninstruktur. Urtypischer Pauillac der alten Schule, mit Ecken und Kanten. Mag ich sehr!

100 Punkte? Für mich kratzt das ganz nah daran. Großartig!

Dann Margaux. Die Appellation ist ja sowieso schon Primus in 2021. Auf Chateau Margaux gab es 5 Hektar Verlust durch Frost, aber nur im Drittwein. Insgesamt 36 hl/ha Ertrag. Kein Mehltau. Alle Trauben waren relativ dick. Genau gleiche Analysewerte wie in 2019, die gleiche Tanninstruktur. 2021 gehört auf jeden Fall in die Serie der großen Weine von Château Margaux. Völlig anders als der superklassische Lafite, der einfach viel schlanker, viel stylischer und viel mehr geradeaus war, aber Margaux ist sicherlich auf dem gleichen Level und gehört zu den ganz großen Weinen des Jahrgangs am linken Ufer. 100 Punkte? Für mich kratzt das ganz nah daran. Großartig! Und jetzt auch noch der geniale Pavillon Blanc. Hier gab es leider nur mickrige 18 hl/ha Ertrag. Die Hälfte einer normalen Produktion. Dafür ist die Komplexität so verdammt hoch. Ein grandioser Weißwein. Unique in seiner Art. Und so haben wir mit dem weißen Cos, dem weißen Mouton und dem weißen Margaux heute drei große Weißweine probiert. Alle drei sind anders und alle drei sind auf ihre Weise genial. Später gibt’s dann noch La Mission und Haut-Brion, kann es noch besser werden?

Chateau Palmer
Château Palmer

Bevor es nach Pessac geht, machen wir noch einen Abstecher bei Palmer. 30% weniger Ertrag als in normalen Jahrgängen, die Merlot-Parzellen waren auch schwer vom Mehltau betroffen. Der Ertrag lag 2021 bei nur 22 Hektolitern pro Hektar. Das ist schon ein extremer Biodynamiker hier – Verluste durch Mehltau und durch Frost und dazu eine extreme Ertragsreduktion am Stock und dann noch bei der Sortierung im Weingut.

Balance und Harmonie sind überragend, aber zum letzten Kick fehlt ihm ein bisschen die Spannung, die letzte Vibration, die Château Margaux in diesem Jahr hat. Palmer ist im Grunde ein ganz kleines bisschen zu lecker, zu gefällig. Alles passt, es ist ein großer Wein, aber kein Riese wie 2020 oder 2019. Sicherlich in der ersten Reihe, aber nicht der Primus inter Pares, der er manchmal ist. Jammern auf allerhöchstem Niveau, denn ich gebe hier dennoch 97-98/100.

2021 ist wirklich ein extraterrestrisches Jahr hier. Spannung, Konzentration und unglaublich viel Schub.

Haut Brion
Weingut Haut Brion

Finale dieses Highend-Marathons heute ist in Pessac Léognan. Zuerst bei Haut Brion und La Mission, danach Carmes Haut Brion. Das ist jetzt extrem spannend. Mit Smith und Domaine de Chevalier hatten wir hier schon extrem starke Weine aus Pessac in 2021. Bei Haut Brion und La Mission gab es weniger Erstweine, mehr Zweitweine. Kaum Frost. Alle Weine liegen im Alkohol zwischen 13,4 und 13,8% Vol. bei sehr guter Tanninreife. 

Fangen wir bei Rot an: Die sind ziemlich perfekt, La Mission sehr fokussiert, erinnert in dieser Länge und kalksteinig-salziger Mineralität ein bisschen an 1999. Haut Brion noch etwas erhabener mit enormem Druck, fleischig und konzentriert. Für mich gerade einen Punkt vor La Mission. Wie bereits erwartet strahlen die Blancs auch hier so unfassbar schön. Wow! 2021 ist wirklich ein extraterrestrisches Jahr hier. Spannung, Konzentration und unglaublich viel Schub. Der Oszillograph aus dieser vibrierenden Mineralität, Frucht und hochreifer Säure ist wirklich erstaunlich. Haut Brion auch hier noch mit etwas mehr Druck als La Mission. Das ist schon ziemlich perfekt und kratzt für mich ganz klar an der 100. Groß!

Zum Abschluss Les Carmes Haut Brion. Für mich der absolute Rising Star der Appellation in den letzten Jahren und vor allem immer noch verhältnismäßig preiswert im Vergleich zu seinen Namensvettern. Liegt nur rund 800 Meter entfernt von Haut Brion. Immer noch etwas aufregender, freakiger. Wir haben hier i 21er 45% Ganztrauben, Ausbau teilweise in Amphoren und im neuen Holz. Das gibt schon eine ganz eigene Aromatik. Superspannender, eigenständiger Stoff. Großes Kino! Für mich auf einem Level mit Smith und La Mission. Der futuristische Keller, entworfen von Design-Legende Philippe Starck ist natürlich auch immer wieder ein echter Hingucker.

Luca Lobenberg, Heiner Lobenberg und Max Bomm bei La Mission
Zu Besuch bei La Mission

Dienstag

Kleine und große Superstars

Der Dienstag startet bei Ausone. Inzwischen sind die ersten Bewertungen raus und Parkers neuer Bordeaux-Advocate Kelley hatte Ausone am höchsten bewertet. Nach wirklich großen Weinen gestern, wird jetzt nochmal spannend wie Ausone im Vergleich aussehen wird.

Edouard Vauthier berichtet von rund 25% Verlust durch Mehltau. Man ist hier gerade noch in der Umstellung auf Bio, 2023 wird dann der erste zertifizierte Jahrgang sein. Es gibt in 2021 nur 2.000 Flaschen vom Zweitwein Chapelle, der erstmals reiner Cabernet ist. Das macht kaum jemand in St. Emilion. Auch beim Erstwein Ausone musste brutal selektiert werden und so gibt es nur 17.000 Flaschen. Dafür werden wir hier mit einem hinreißenden, wirklich fesselnden Wein belohnt. Wow, diese Aromatik ist der absolute Hammer! Und das alles so sehr auf der Finesse laufend. Großer, großer Stoff. Ich gebe Kelley recht, das ist ein großer Wein, für mich auf einem Level mit Margaux, Lafite und Haut Brion von gestern, also ganz klar zur 100 tendierend. Chapeau!

Heiner Lobenberg und Edouard Vauthier
Heiner Lobenberg und Edouard Vauthier

Weiter geht es bei Beausejour-Duffau. Die 32-jährige Joséphine empfängt uns, für sie ist 2021 der erste Jahrgang hier. Nach Erfahrungen in den USA bei Inglenook und in Vosne Romanée bei Georges Noëllat hat sie gemeinsam mit einer Investorin den Betrieb übernommen. Direkt in der Nähe zu Ausone, Canon, Angelus und Coutet. Aromatisch ähnelt das schon sehr dem Nachbar Ausone. Vielleicht etwas zarter in seiner Ausprägung. Sehr, sehr fein! Ein wirklich tolles Debüt! Ein Blick in das beeindruckende Kellergewölbe zeigt die tiefen Wurzeln der Reben, die den massiven Kalkstein durchdringen.

Petit Gravet Aine ist hier mein persönliches Highlight, total seidig mit genialer Spannung.

Es geht weiter mit den Biodynamikern in Saint Emilion und Castillon. Zuerst Catherine Papon Nouvel mit ihren Boutique-Chateaus Clos St. Julien, Petit Gravet Aine, Peyrou und Gaillard. Wie fast überall musste hier sehr viel Energie investiert werden. Der Dichte-Sortiertisch kommt hier sowieso immer zum Einsatz. So kommen hier nur beste Beeren in die Weine. Durch die unterschiedlichen Terroirs gab mal mehr, mal weniger Ernteausfälle durch Frost oder Mehltau. Totalausfall leider bei Peyrou, hier waren die Weinberge so stark betroffen, dass sich Catherine entscheiden hat, ihn nicht zu machen. Bei Clos Saint Julien gab es noch nie Frost, auch nicht in 2021. Dafür etwas Mehltau, der Merlotanteil ist dadurch auf 40% geschrumpft, normalerweise haben wir hier 50:50 Cabernet Franc und Merlot im Blend. Bei Petit Grave Aine konnte durch Frost-Kerzen ein nahezu normales Jahr eingefahren werden, während es bei Gaillard leider nur die Hälfte der normalen Menge gibt. Catherines Weine überzeugen uns sehr in ihrer hedonistisch-feinen, leicht verspielten Art. Petit Gravet Aine ist hier mein persönliches Highlight, total seidig mit genialer Spannung.  

Es geht weiter bei Clos Louie. Hier gab es rund 50% Verlust, Überwiegend bei den jüngeren Reben durch Frost und auch durch Mehltau. Dafür sind die Weine aber enorm konzentriert und dicht, der Ertrag liegt nur 16 hl/ha. Es gibt nur einen Wein, keine Zweitweine oder Special-Cuvees. Das ist ein echter Top-Wein, quasi Castillon im Stile eines aus Saint-Émilion. Und das Ganze in einer lange nicht mehr gesehen Stilistik der Finesse, der Feinheit und der Frische. Sehr schick!

Weinprobe bei Clos Louie
Weinprobe bei Clos Louie

Dann La Voute. Hier sind wir ganz am Rand von St. Emilion, schon an der Grenze zu Castillon. In den Lagen auf dem Plateau war der Ertrag sehr gut, aber im Tal gab es Frost. Auch im April dieses Jahres gab es rund 20% Verlust durch Frost, allerdings viel heterogener verteilt. Die Rebfläche hat sich aber verdoppelt, dadurch konnten die Verluste etwas ausgeglichen werden. La Voute ist im Grunde immer sowas wie der kleinere Bruder von Tertre de la Moulyere, der auch ein bisschen diese Valandraud-Stilistik hat. Durchaus wuchtig, mit schiebender, kreidiger Textur, aber in 21 so wunderbar offen und schön zu trinken.

Am Abend dann auf Moulin Haut Laroque. Immer ein Highlight in seiner Preisklasse und im Grunde ein Wein, immer etwas unter Wert verkauft wird. Das liegt an der Appellation Fronsac, sie hat einfach nicht das Renommee wie Pomerol oder Saint-Émilion. Frost gab es hier zuletzt 1991, auch in 2021 blieben die Weinberge verschont. Es gab auch keinen Mehltau. Der Ertrag lag in Summe knapp unter 30 ha. Neben Thomas hat nun auch Bruder Frederic die Generationsnachfolge angetreten. Das besondere sind hier immer die über 120 Jahre alten Malbec-Reben, die auch im 2021er so eine schöne Tiefe und Schwärze reinbringen. Toller Stoff! Traditionell präsentieren die Hervés immer eine Reihe gereifter Weine. Dieses Jahr ist das Thema Jahrgänge mit der Zahl 8. Wir probieren also einen 2018er, 88er, 58er und 1928er Moulin Haut Laroque. Wow, unfassbar wie jung sich die Weine präsentieren! Selbst der fast 100 Jahre alte 1928er steht noch gut im Glas. Faszinierend und berührend.

Weinauswahl Moulin Haut Laroque
Weinschätze von Moulin Haut Laroque

Mittwoch

All-Time-Favorites und eine Neuentdeckung

Der Mittwoch startet quasi mit Pomerol und St. Emilion zum Frühstück bei J.P. Moueix in Libourne. Moueix ist bekannt für die sehr frühe Lese, in 2021 war das nicht unbedingt immer der richtige Ansatz. Alle Weine sind hier sehr auf Frische getrimmt. Hochintensiv aber doch sehr auf der präsenten Säure laufend. Irgendwo schlank und burgundisch, aber das muss man definitiv mögen. Die Highlights sind hier La Fleur Petrus und Latour a Pomerol.

Insgesamt gab es hier bei Neipperg wirklich schöne Qualitäten.

Weiter geht es bei Neipperg. Nach einem so schönen Canon La Gaffeliere bin ich nun sehr gespannt auf die anderen Weine der Domaines. Alle Weine liegen bei ca. 13% Vol. Sehr frisch und mineralisch geprägt. Sehr wenig Frost auf Aighuile, im Grunde keine Schäden. Bei Canon La Gaffeliere etwas mehr Frost, aber wie alle Ökos vor allem Probleme mit Mehltau. Es gibt hier dennoch keine großen Ertragseinbußen, minimal weniger als in den Vorjahren, vielleicht 10%. Bei La Mondotte haben wir sogar ziemlich hohe Erträge von 45 hl/ha. Hier wird schon seit Anfang der 1990er bio gearbeitet, daher hat man hier viel Erfahrung und trotz des herausfordernden Jahres keine Probleme gehabt. Die Weine zeigen sich ungemein balanciert, fein, voll auf der hedonistisch-saftigen Seite. Fast ein bisschen untypisch dicht für den Jahrgang. Insgesamt gab es hier bei Neipperg wirklich schöne Qualitäten.

Heiner Lobenberg bei Neipperg
Heiner Lobenberg bei Neipperg

Nach Neipperg steht der Besuch bei Jean Philippe Janoueix auf Chateau La Confession an. Hier gibt es eine höchst spannende Neuentdeckung, das historische Chateau de Monbadon in Castillon. Ein hoch spannendes Projekt mit 25 ha Rebfläche, wovon aber 15 ha gerodet wurden. Die erholen sich als Brache nun erst einmal für ein paar Jahre und werden dann mit neuen Stöcken bepflanzt. In ein paar Jahren wird es hier auch einen Weißwein geben. Das hochgelegene Terroir auf dem Plateau ist geprägt von blauem Lehm. Liegt sogar noch höher als Troplong Mondot. Wow, das ist eine ganz andere Art von Castillon als alles was ich bisher im Programm hab. Weil es so unglaublich auf der roten Frucht läuft. Wo gibt es schon mal 60 Prozent Cabernet Franc aus alten Reben? Was für ein unglaublicher Schub von unten, in süßer roter Frucht. Hedonismus pur und dennoch mit Power. Eine sehr spannende Ergänzung.

Zurück auf Jean Faure geht es dort noch mit einigen Mustern in unserem Verkostungsstudio weiter. Hier haben wir nun auch endlich den Domaine de Chevalier Blanc dabei. Hochintensiv. Im Mund eine gewaltige mineralische Last tragend. Unglaublich viel Salz, lang und fast schneidend in dieser mineralischen Expression. Genial und für mich auf einem Level mit SHL Blanc.

Heiner Lobenberg und Jean Philippe Janoueix
Heiner Lobenberg und Jean Philippe Janoueix

Donnerstag

Strahlende Saint Emilion und Pomerol

Der Donnerstag startet im Chateau Guillot Clauzel. Nur etwas mehr als 2 ha Rebfläche, mit 5.000 Flaschen Gesamtproduktion extrem rar. Das hat hier immer noch ein bisschen was von einer Garage-Winery. Absolutes Top-Terroir in Pomerol, geprägt vom charakteristischen blauen Lehm. Liegt direkt in Nachbarschaft zu Le Pin. Verantwortlicher ist kein geringerer als Guillaume Thienpont, der mit uns auch die Probe macht. Er ist schon seit Jahren federführend auf Vieux Chateau Certan. Guillot Clauzel ist auch in 2021 wieder eine geniale, preiswerte Alternative zu den ganz großen Namen in Pomerol.

Und wow, ich bin wirklich extrem geflasht von diesem Meisterwerk der Finesse!

Gemeinsam mit Guillaume geht es weiter zum benachbarten Vieux Chateau Certan. Die extrem alten Reben haben hier die schwierigen Witterungsbedingungen gut verkraftet. Perfektes Material, Zucker und Säure waren im optimalen Verhältnis. Und wow, ich bin wirklich extrem geflasht von diesem Meisterwerk der Finesse! Das steht Ausone als Primus des rechten Ufers kaum nach. Einer der Superstars des Jahrgangs. Die einzigen jungen Reben sind hier die 3% Cabernet Sauvignon im Blend, was dem Wein diesen feinduftigen Charakter verleiht. Großes Kino, man wird in vielen Jahren immer wieder geflasht sein ob dieser immensen Finesse. Eine Art Turboversion der 1990er-Jahre – reifer und trotzdem so elegant. Für mich auch definitiv eines der Highlights nah an den 100 Punkten verdient hätte.

Dann endlich Jean Faure und Haut Maurac. Das wird jetzt nochmal spannend. Biodyn, Jean Faure in direkter Nachbarschaft zu Cheval Blanc, also wirklich allerbestes Terroir hier in Saint Emilion. Haut Maura quasi direkt neben Überflieger Clos Manou. Wir fangen mal mit Haut Maurac an. Hier gab es keinen Frost, das Problem war hier eher zu wenig Sonne im Juli. Aber im September und Oktober konnten die Trauben nochmal richtig schön ausreifen. Ähnlich war es 2014, da waren es auch der Herbst, der den Jahrgang so schick gemacht hat. Wie fast alle Winzer sagen auch Olivier und Marie-Laure, dass 2021 ein absolutes Cabernet-Jahr ist. Aber das ist auch so. Haut Maurac ist ein sehr gut gemachter Haut-Médoc, sicherlich in der ersten Reihe stehend in diesem Jahrgang. Dann Jean Faure. Ein absoluter Vorzeigewein, total komplex und in der Preisklasse unschlagbar. Fast noch etwas mehr als sonst, haben wir im 2021er diesen Natural-Touch. Mit Coutet hatten wir ihn auf der rotfruchtigen Seite, bei Jean-Faure eher auf der dunklen, schwarzfruchtigen Seite. Im Grunde ist das eine Art Pontet Canet von Saint Emilion! So langsam macht sich die Weinwelt auf, diese Schätze zu entdecken! Es sind Gegenentwürfe zum klassischen Power-Holz-Saint-Émilion. Einfach so lecker, elegant und so schön!

Weinfelder von Jean Faure
Weinfelder von Jean Faure

Freitag

Der krönende Abschluss

Château Clinet

Bevor wir uns auf den Rückweg machen, schauen wir noch bei Clinet vorbei. Für mich immer einer der schönsten Weine aus Pomerol, dementsprechend gespannt bin ich. Die Erträge waren hier bei guten 43 hl/ha. Komplett entrappt, 13% Vol. Chef Ronan Laborde ist sichtlich happy mit dem Ergebnis. Die harte Arbeit im Weinberg hat sich mehr als gelohnt. In 2021 ist Clinet so total auf der Frische laufend, wow – das ist ein absolut großer Wein! Feine süße Blumigkeit, duftig. Feinpolierte, kreidige Tanninstruktur. Obwohl wir hier in der Assemblage eine deutliche Merlot-Dominanz haben, kommt die Cabernet aromatisch viel mehr durch. Erinnerungen an 2019 werden wach. In Verbindung mit der Süße und 21er Feinheit ergibt das ein hedonistisches Leckerli der Extraklasse mit sagenhafter Vibration und Spannung. Definitiv ein Highlight!

Der Abschluss und damit letzte Termin dieser Reise dann bei Star-Önologe Stéphane Derenoncourt, einer der besten Weinmacher und önologischen Berater des Bordelais. Größen wie Smith Haut Lafitte, Canon La Gaffeliere, Larcis Ducasse oder Pavie Macquin sind nur ein Bruchteil seiner Referenzen. Mit der Domaine de L’A hat er sich einen Traum verwirklicht und Weinberge in bester Höhenlage Castillons erworben. In 2021 hatte Stéphane leider sehr mit Mehltau zu kämpfen, so gibt es nur 15.000 statt der üblichen 40.000 Flaschen von diesem äußerst schicken, dunklen, würzigen Castillon.

Stéphane Derenoncourt
Stéphane Derenoncourt

Fazit

2021 ist archetypisch Bordeaux

Nach knapp zwei Wochen Tour in Bordeaux kann ich aufatmen, ja eigentlich kann ich sogar strahlen. Ich bin fast ein bisschen überrascht von diesen hervorragenden Qualitäten. Liest man von Frost, Mehltau und einem herausfordernden Jahrgang, ist man natürlich erstmal unsicher. Aber ich kann Ihnen am Ende dieser Reise nun eines versichern: 2021 ist ein wunderschön schicker und eleganter Jahrgang für diejenigen, die den klassischen Bordeaux-Stil schätzen. Es gibt wirklich viele extrem gute und auch einige richtig große Weine. Für weißen Bordeaux ist es sogar ein extraterrestrisch gutes Jahr – die Spannung, Mineralität und Vibration in den Weinen ist enorm. Gleichzeitig sind sie aber so balanciert, eigentlich ziemlich ähnlich zu den deutschen Weißweinen.

Reife Frucht und Tannin, Frische, Verspieltheit und Spannung, dabei oft so wunderbar niedrig im Alkohol. All das hat 2021.

Man darf eben nicht den Fehler machen und nach zu großen Gemeinsamkeiten mit den Überflieger-Vorgängern 2018, 2019 und 2020 zu suchen. Klar, unumstritten sind das große Jahre, die aber so anders waren. Es gab viel homogenere Qualitäten, aber insgesamt einfach auch fettere Weine. 2021 fällt da total raus, es ist ein Stand-Alone-Jahrgang. In seiner Art vielleicht irgendwann eine Ikone. Wann gab es sowas zuletzt? Reif und fruchtoffen wie 2014 ist er, er hat auch diese Klassik die 2012 hat und die Eleganz von 2008. Im Gegensatz zu 2008 oder auch 2004, ist er aber viel seltener grün, es gibt 2021 viel weniger Unreife. Klar, schwankende Qualitäten sind in solchen Jahren völlig normal. Aber damit trennt sich eben Spreu von Weizen. Es zeigt sich noch viel deutlicher als sonst, welcher Winzer sein Handwerk wirklich perfekt beherrscht. Viele sagten zu mir, es sei als hätten sie einen Jahrgang der 80er oder 90er Jahre mit der heutigen Technik und Erfahrung vinifiziert. Wie eingangs auch schon erwähnt, fühle auch ich mich so sehr an den Jahrgang 1988 erinnert. 

Ich sehe auch gewisse Parallelen zu 2001 oder 2017, die beide auf so gehypte Jahre folgten. Das sind im Grunde sehr schöne, ja exzellente Jahrgänge, die es aber zu Unrecht schwer hatten nach diesen Mega-Jahren. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Preise nicht explodieren werden und die Allokationen trotz oft dramatisch kleinerer Ernten nicht zu sehr gekürzt werden. Reife Frucht und Tannin, Frische, Verspieltheit und Spannung, dabei oft so wunderbar niedrig im Alkohol. All das hat 2021. Die Weine werden damit früh zugänglich sein und es wird auch einige Langstreckenläufer geben. Gerade bei ausgewählten Einstiegsweinen gibt es tolle Werte zu entdecken. Zurück zur Klassik, zurück zu Cool Climate. 2021 ist archetypisch Bordeaux.

Reisebericht Bordeaux 2021  – Teil 1

Magazin

Bordeaux

Reisebericht Bordeaux 2021 – Teil 1

Extrem gespannt machten wir uns am Montag, den 25. April auf den Weg nach Bordeaux. Wie wird sich der Jahrgang 2021 präsentieren? 2021 ist so ein archetypischer Bordeaux-Jahrgang, wie es ihn schon lange nicht mehr gab. Wir nehmen Sie mit auf unserer kleinen Zeitreise zurück zur Klassik!

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Herkunft

Bordeaux Subskription

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