Ao Yun bedeutet poetisch betrachtet so viel wie »über den Wolken« oder »stolze Wolken«, während Yunnan für »südlich der Wolken« steht. Die große Erfolgsgeschichte von Ao Yun, dem wohl berühmtesten Weingut Chinas, startete 2008 mit der Vision, den besten Wein Asiens zu kreieren. Niemand Geringeres als der von LVMH finanziell massiv unterstützte australische Top-Önologe Dr. Tony Jordan wurde mit der Suche nach dem perfekten Terroir und Kleinklima für Reben in dem riesigen Land beauftragt. Der erfahrene, damals 70-jährige Experte, der auch in Australien an der Universität Weinbau lehrt, begab sich auf eines der spannendsten Abenteuer seiner Berufslaufbahn, ein Abenteuer, von dem wohl jeder Weinfreak und -wissenschaftler nur träumen kann. Tony suchte beinahe 4 Jahre lang nach dem perfekten Ort, bis er fündig wurde.
Das Weinland China
Man kann China klimatisch sozusagen in zwei mögliche Zonen einteilen. Im Norden haben wir in der Region Ningxia ein kontinentales Klima. Das heißt, die Winter sind so kalt, dass die Stämme der Reben ab Oktober eingegraben werden müssen, damit sie nicht erfrieren, während im Sommer bis zu 40 °C keine Seltenheit sind. Stilistisch ist die Region dieser klimatischen Extreme also nicht passend für Ao Yun. Im Osten Chinas ist es aufgrund des Monsuns eher zu nass.
In der südlichen Provinz Yunnan, wo die hohen Berge Regenschutz bieten, kann das Klima sogar dem von Marokko ähnlich sein. Die Hochland-Reisregion mit ihren sagenhaften, spektakulären Terrassen, einem ausreichenden Vorrat an Wasser, einem Boden aus Kalkstein und Granit sowie einem beeindruckenden Temperaturunterschied zwischen den Tages- und Nachttemperaturen für das langsame und gleichmäßige Ausreifen der Reben ist ideal für den Anbau geschmacklich vielschichtiger Trauben.
Die Nähe zur Grenze nach Tibet schlägt sich zudem auch in der Mentalität der Menschen nieder. Kulturell betrachtet haben die abgelegen lebenden Bauern möglicherweise auch durch den praktizierten Buddhismus eine ähnliche Beziehung zur Natur wie das bei den Menschen in Europa vor ein paar Jahrhunderten noch der Fall war. Die Industrialisierung ist fern und der Kreislauf zwischen Pflanzen und Tieren ist intakt.
Genau hier wurde Tony fündig! 2010 /2011 stellte er fest, dass die bereits gepflanzten Reben hier in Yunnan trotz zum Teil recht hoher Erntemengen tolle Ergebnisse erbrachten. Erste Reben wurden nämlich bereits 2000 gepflanzt, als die Regierung begann, die hochwertige Landwirtschaft zu fördern, um die Landflucht der jungen Leute zu stoppen. Die nächste größere Stadt Shangri-La mit 70.000 Einwohnern liegt vier Fahrstunden von den Ao-Yun-Weinbergen entfernt.
Einzigartige Weinberge
Zu den Partnern des Weinguts gehören 120 Familien. Die meisten davon bearbeiten circa 0,3 Hektar Rebfläche. Die Bauern müssen die steilen, unwegsamen Parzellen komplett von Hand bewirtschaften und werden dafür pro Hektar Rebfläche bezahlt, nicht nach dem Gewicht der Trauben. Jeder Hektar benötigt in diesem extremen Terroir 3.500 Arbeitsstunden und wird vom Rebschnitt bis zur Lese hoch individuell zugeschnitten behandelt.
Insgesamt gehören zu Ao Yun 32 Hektar Rebfläche, die auf vier in einer Höhe von 2.000 bis 2.600 Metern liegende Dörfer verteilt sind, welche zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. In drei von den Dörfern besteht der Boden aus dem Gesteinsmaterial eingestürzter Berge und im vierten, niedriger gelegenen Dorf aus Flussablagerungen. Die Ortschaft Adong wird auf 2.600 Höhenmetern vom noch höheren, bis 4.700 Meter hoch emporragenden imposanten und heiligen Melli-Schneeberg abgeschirmt und steht hier im Sonnen- und Regenschatten. Das bedeutet, dass die Sonneneinstrahlung der Hochlage hier um 37 Prozent reduziert wird. Hier ist es trockener und kühler als in Bordeaux und ein Teil der Weinberge wird durch Schmelzwasser bewässert. Die Böden bestehen hier aus Kalkstein, Grün- und Blauschiefer sowie Granit, Gesteinsarten, die sich durch unterschiedlich hohe Anteile an Steinchen und Lehm auszeichnen.
50 Prozent der Reben wurden 2000 in einer Dichte von 5.000 Rebstöcken pro Hektar wurzelecht gepflanzt und 50 Prozent in einer Dichte von 8.000 Rebstöcken pro Hektar kamen 2013 auf reblausresistente Unterlagsreben. Der Anteil an tiefen, wurzelechten Reben ist also groß. Alle Weinberge wurden vom ersten Tag an biologisch bewirtschaftet, außer Kupfer und Schwefel kommen keine anderen Mittel zum Einsatz und seit 2023 ist das Weingut bio-zertifiziert.
Die Ao-Yun-Stilistik
Die extreme Sonnenintensität und das Klima der Hochlage führen zu dickschaligen, konzentrierten, kleinen Beeren mit tiefdunkler Farbe und großer Frische. Bei einem Alkoholgehalt um die 14,5 % Vol. führt eine geradlinige Säure zu überragender Balance – Ao Yun ist der Inbegriff des Terroir-Ausdrucks des Himalaya. Ziel ist es nicht, einen Muskelprotz zu erzeugen, sondern ein Wein von unbeschreiblich schöner Eleganz soll gemacht werden. Die Gärung verläuft spontan mit wilden Hefen und der Ausbau der Weine erfolgt in den besten französischen Barriques und Tonneaux. Alle Parzellen werden separat ausgebaut und dann wird nach einer Blindprobe mit dem gesamten Team der finale Blend zusammengestellt. Der Hauptwein kommt ungefähr 3,5 Jahre nach der Lese auf den Markt.
Chinesischer Wein mit französischem Know-how
Das Ao-Yun-Team um den französischen Winemaker und Weingutsdirektor Maxence Dulou, der seit 2013 für Ao Yun verantwortlich ist, lässt quasi aus dem Nichts Jahr für Jahr immer bessere Weine entstehen. Und das aus momentan sogar noch brutal jungen Reben – dafür allerdings natürlich aus den allerbesten 1er-Cru-Klonen des Bordelais. Auch für Maxence ist sein Job nicht nur ein fabelhaft spannendes Abenteuer, sondern die Erfüllung des Lebenstraums, diesen Grand Cru in China formen zu können. Studiert hat er unter dem berühmten Önologen Denis Dubourdieu in Bordeaux. Nach der Weinlese auf Château Carbonnieux arbeitete er zwei Jahre lang in Südafrika, dann in Chile und schließlich einige Zeit lang an der Seite von Mastermind-Berater Michel Rolland. Auch eine Weinlese in Meursault erlebte er mit. Während Maxence dann für das Château Quinault L’Enclos in St-Emilion arbeitete, wurde dieses 2008 von Cheval Blanc übernommen. Cheval-Blanc-CEO Pierre Lurton wurde zu einem seiner beeindruckendsten Lehrmeister.
Als Maxence schließlich das Angebot bekam, das Zepter des Ao Yun von Tony Jordan zu übernehmen, besuchte er ihn für ein ausgiebiges Handover in Melbourne. Für Maxence ist die Herangehensweise bei Ao Yun eine spannende Mischung aus der, wie sie beim Bordeaux, und der, wie sie beim Burgund angewendet wird. Sozusagen Burgundy on steroids! Denn Ao Yun liefert eine krasse Vielschichtigkeit, die man im ersten Moment nicht unbedingt mit den Augen sehen, aber dafür umso besser schmecken kann. Mittlerweile wird die Hälfte der Produktion des Grand Cru aus China in China selbst verkauft und die andere Hälfte wird aufgrund der hohen weltweiten Nachfrage exportiert.