Lobenberg: Daniel Wagners Heerkretz ist seine ikonische GG-Lage. Steinig-lehmiger Oberboden auf kargem Porphyrfels, alte Reben. Für diesen großen Riesling steht das Weingut – und er gehört in den letzten Jahren zuverlässig zu den besten trockenen Rieslingen Rheinhessens. Sein kühler, reduktiver und puristischer Stil mag etwas an den geographisch gar nicht so weit entfernten Tim Fröhlich an der Nahe erinnern. Der ultra-puristisch-steinige und dennoch hochkonzentrierte Kern dieses Rieslings ähnelt durchaus etwas dem Felseneck. Durch die Frühjahrsfröste des Jahres 2024 hat Daniel Wagner rund 50 Prozent seiner Riesling-Ernte verloren. Die Lese war recht spät, wie meist in dieser kühlen Lage, erst Mitte Oktober. Komplett durchgegoren unter 3 Gramm / L Restzucker. Spontan vergoren und ausgebaut sowohl in Edelstahl als auch traditionellen Stückfässern und Halbstückfässern aus deutscher Eiche. Die Heerkretz zeigt sich extrem kühl, steinig-pikant in 2024, sehr reduzierte Frucht, nasser Stein, Graphit, ein bisschen grünliche Blaubeere, schwarze Johannisbeere, dunkelbeerig. Dieser enorm dunkle, packende, tiefe Kern, den hatten auch schon Tim Fröhlichs Weine dieses Jahr, das ist schon ziemlich dramatisch und faszinierend. Ich mag diesen dunkelsteinigen Purismus, das ist dann eben schon eher was für Freaks. In der Nase ein kühler Freakstoff, im Mund dann deutlich geschmeidiger als erwartet. Nicht ganz so intensiv und viril wie der Scharlachberg, sondern ziselierter, filigraner, tänzelnder. Daher mag ich diesen Jahrgang so sehr, er verbindet Leichtigkeit mit Substanz, wie kaum einer zuvor. Ein stahlig-klarer Rheinhesse mit einem guten Touch kühl-feuersteinigem Nahe-Riesling in sich. Eine explosive Mischung!
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!