Lobenberg: Pontet Canet ist der biodynamische Vorzeigebetrieb im Bordeaux. Seit 2005 wahrscheinlich immer eins der zwei oder drei besten Châteaus überhaupt, häufig auch gerne mal die Nummer 1. Erreichte in den Jahren 2009 und 2010 jeweils 100 Parker-Punkte. Seit 1995 immer eine sichere Bank und seit 2000 Weltklasse. 2015 und 2016 der Durchbruch auf 1er Cru Niveau zusammen mit Pichon Comtesse. Wenn hier kein grandioser Wein entsteht, kann man den Jahrgang abhaken. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings keinen einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Die Assemblage von Pontet Canet 2020: 60 Prozent Cabernet Sauvignon, 32 Prozent Merlot, vier Prozent Cabernet Franc und vier Prozent Petit Verdot. Die spontane Fermentation fand im Holz statt, der Ausbau zu 35 Prozent in Betonamphoren, zu 50 Prozent in neuen Barriques und zu 15 Prozent in Barriques mit Zweitbelegung. Der Name des neuen technischen Direktors und Chefönologen ist Mathieu Bessonnet. Vorher war er bei Chapoutier technischer Direktor und verantwortlich für alle Weinberge. Gebürtig kommt er aber aus der Aquitaine und ist deshalb zurückgekehrt nach Bordeaux. Aber whatever it takes – die Nase von Pontet Canet ist einfach Pontet Canet. Immer auf der Zwetschgen- und Pflaumenseite, mit tiefer, würziger, reifer roter Kirsche darunter. Hier ist nie Cassis, Blaubeere oder Brombeere im Spiel. Das ist schon sehr verblüffend. So typisch. Eine aromatische Duftwolke, hohe Intensität, weich und einnehmend. Und das ist jedes Jahr so. Die Antwort im Mund ist dann je nach Jahrgang mehr oder minder frisch und intensiv. 2020 ist die Antwort sehr intensiv und sehr frisch. Wir haben hier einen richtigen Ansturm von hochreifer roter Kirsche, Zwetschge und Pflaume. Tolle Säure, tolle Frische. Hohe Energie, vibrierend. Lang und intensiv, aber hauptsächlich aromatisch, hedonistisch und lecker. Im Mund eine unglaubliche Weichheit, eine Fülle von Himbeere und Erdbeere. Wieder diese reife Pflaume, aber auch frische Zwetschge. Aromatisch, lecker. Der Wein ist eigentlich der komplette Gegenentwurf zu Pichon Comtesse, weil Pontet Canet so extrem burgundisch ist. Die Säure und die Frische von viel roter Frucht. Es ist ein bisschen ein Mundgefühl wie ein frisches Jahr eines Weins aus dem Clos de la Roche. Aber überhaupt nicht dieser schwarzfruchtige, von Paprika geprägte Cabernet-Stil von Pichon Lalande, Mouton oder anderen. Hier ist Burgund pur. Im Grunde ist Pontet Canet der Gegenentwurf zu Château Jean Faure in Saint-Émilion. Wir haben die gleiche Ausrichtung, obwohl wir hier eine andere Rebsortenzusammensetzung haben und in Pauillac sind. Pontet Canet ist immer der Anti-Pauillac-Wein. Aber gerade deshalb ist er so groß. Das ist so feinstes, aromatisches Burgund, mit einer tollen Spannung, mit viel Energie und Frische. Ich glaube nicht, dass 2020 dem 2019 auch nur im Ansatz unterlegen ist. Er verbindet die Klassik von 2016 mit der Frische aus 2019. Ein großes Jahr für Pontet Canet! Aber noch einmal: für klassische Pauillac-Liebhaber und Menschen, die diese Ausrichtung erwarten, ist Pontet Canet der falsche Ansatz. Burgunder-Liebhaber müssen ihn kaufen, denn da gibt es nicht viel darüber. 100/100