Lobenberg: Der Saumagen ist für mich mittlerweile einer DER ikonischsten deutschen Pinots schlechthin – und das mit absoluter Konstanz. Jahr für Jahr gehört diese Lage bei Rings zur nationalen Spitze. Kalkmergel über Kalksteinfels, Dichtpflanzung, französische Klone, biodynamischer Anbau, komplett entrappt, spontan vergoren. Kompromisslos getrimmt auf Finesse, auf Struktur und Terroirausdruck hin vinifiziert. Doch was die Rings-Brüder aus dem nicht ganz so einfachen Jahrgang 2023 herausgeholt haben, ist selbst an diesem hohen Maßstab gemessen besonders. Der Jahrgang war kein Zucker schlecken: heiß und feucht, mit extrem viel Selektion im Weinberg, vergleichbar vielleicht mit 2006 am ehesten. Aber genau dort, wo so viel Arbeit notwendig war, zeigt sich oft die größte Klasse. Am Ende standen gerade einmal drei Barriques dieses Weines im Keller. Und diese wenigen Fässer sind ein echtes Highlight: So pur, so fein, so eindringlich und balanciert wie kaum je zuvor. Schon in der Nase zeigt sich die ganze Klasse des 2023ers. Dunkles, kühles Gestein, ein Hauch Graphit – aber kaum hat man sich darauf eingestellt, zieht die Frucht nach: helle und dunkle Himbeeren, saftige Schwarzkirsche, etwas reife Blaubeere, darunter eine zarte, florale Note, vielleicht etwas Veilchen. Es ist ein Duftbild, das sich öffnet wie ein Fächer – vielschichtig, subtil, tief und doch sofort anziehend. Durchaus druckvoll und satt. Am Gaumen dann dieser elegante Kraftakt: samtige dunkle Kirsche, salzige Himbeere, wieder Blaubeere, alles klar konturiert, aber geschmeidig eingebettet in seidenweiche, reife Tannine. Der 2023er wirkt nicht ganz so wild und reduktiv wie manch früherer Jahrgang – sondern absolut klar, fokussiert und offenherzig. Kein Muskelspiel, sondern ein präziser Spannungsbogen, der immer wieder aufrollt. Die Würze ist präsent, aber fein verwoben – ein Hauch Holunder, etwas getrocknete Kräuter, eine Spur Pfeffer. Und dann diese kalkige Frische, dieser feine, salzige Grip im Nachhall – das ist pure Spannung. Trotz aller Dichte bleibt der Wein schwebend, luftig, durchzogen von vibrierender Frische. 2023 bringt beim Saumagen nicht die geballte Kraft des 2022ers, aber dafür mehr Transparenz, mehr Offenheit, mehr trinkige Tiefe. Für mich persönlich ist das genau die Art von Pinot, die man nicht nur bewundert – sondern trinken will. Ein Grand Cru im Geiste, der mit jedem Schluck seine Herkunft und seine Macher widerspiegelt. Rings zeigt eindrucksvoll, wie viel burgundische Noblesse in der Pfalz möglich ist. Ganz großer deutscher Pinot.
Der Winter 2022 auf 2023 brachte endlich, wovon wir in den letzten Jahren oft zu wenig hatten: Niederschlag. Dank Regen satt, waren die Wasserreserven nach dem viel zu trockenen 2022 endlich wieder gut gefüllt, was den Reben einen vitalen Start ins Frühjahr eröffnete. Nahezu keine Frostschäden und paradiesisches Wetter begleiteten eine tolle Austriebs- und Blütezeit, die die Winzerherzen höherschlagen ließ. Es folgte, woran wir uns – mit Ausnahme von 2021 – bereits gewöhnt haben: ein heißer und (zu) trockener Sommer. An den kargsten Standorten gab es wie im Vorjahr etwas Trockenstress. Die älteren Reben kamen aber aufgrund der satten Winterniederschläge glimpflich und sehr gesund durch den provençalischen Frühsommer. Nichtsdestotrotz hätte 2023 eine mittlere Katastrophe werden können, wenn die Trockenheit bis zur Lese so durchgepowert hätte, doch ausgerechnet der sonnenverwöhnte August brachte die Kehrtwende auf den Hacken, denn es war der regenreichste August seit langem. Ab Anfang/Mitte September – gerade recht zur Lesezeit – machte das Wetter vielerorts erneut eine Kehrtwende und schwenkte zurück zu sonnig-warmen, trockenen Verhältnissen. Die bereits kühleren Nächte ermöglichten eine hocharomatische Ausreifung, die 2023 diese gewaltige Fruchtstärke und kühle Brillanz beschert hat. Tatsächlich sahen die Trauben mancherorts aus wie von einem anderen Stern: goldgelb, hochreif und voll praller Energie und Saft. Ob 2023 wirklich DAS Jahr der Jahre ist, steht natürlich noch in den Sternen, aber die Vorzeichen sind mehr als grandios… es ist aus mehreren Gründen der faszinierendste Jahrgang der letzten Jahre. Kein Jahr zuvor war in der Vegetationsperiode so »sonnig« UND so »nass« zugleich. Also doch kein reines (Wein-)Wunder, dass 2023 diese wundervolle geschmackliche Mischung zwischen den aromatisch-dichten 2018ern und 2019ern, sowie den rassig-kühlen 2012ern und 2013ern ist. Warme, satte Agrumenfrucht ohne Ende, von Grapefruit bis Quitte ist alles dabei – und darunterliegend immer wieder dieser mitreißende Speichelturbo. Die Weine haben mehr Dichte als in 2020, eine höhere Reife als in 2021 und mehr Geschmeidigkeit als in 2022 – deshalb gefällt mir der Jahrgang beim Riesling in der Breite bisher auch besser als seine Vorgänger. 2023 kann sowohl 2021er Riesling-Freaks als auch Fans des runderen 2018 abholen. Die Einzigartigkeit der 2023er Rieslinge liegt im Akkord aus beeindruckender Dichte, die selten schwer wirkt, glasklarem Terroircharakter und einem Trinkfluss für die Götter. Die höhere Wasserverfügbarkeit der Reben hat vielen Weinen einen schwer in Worte zu fassenden »Fluss« verliehen. Die Besten sind so reich und geschmeidig, dennoch nie fett oder überwältigend, immer freudvoll und saftig. Vor allem im direkten Vergleich mit dem phenolisch-festeren und etwas kargeren Vorjahr 2022, ist das ein Quantensprung in Richtung früher Trinkbarkeit und Gourmetfaktor. Ich kann mir gut vorstellen, dass 2023 sogar bei den großen Weinen für eine längere Zeit offen und zugänglich bleibt. Das gibt dem Jahr potenziell ein riesiges Trinkfenster, denn dank tiefer pH-Werte und großer Balance ist das allemal auch ein Jahrgang für den Keller. In der Spitze sind die 2023er buddhistische Rieslinge. Keines der letzten drei Jahre hatte ein so stimmiges Gesamtbild aus expressiver Frucht, samtig-dichter Textur und perfekt reifen Säuren. 2023 fließt einfach – Hedonismus pur!