Lobenberg: Aus dieser großartigen Lage macht Markus in diesem Jahr zwei verschiedene Cuvées, einmal als ** und einmal als ***. Ich habe sie nebeneinander probiert. Der *** kostet mit 85 Euro für den Endverbraucher fast das doppelte vom 45 Euro teuren **. Der Unterschied ist spürbar, aber marginal. Ich entscheide mich für den **, der auch etwas mineralischer, straffer und klarer im Geradeauslauf ist. Der *** hat mehr Rundungen, mehr Wucht in der warmen Frucht. Der ** ist so puristischer, so sauber definiert, dass er mich fasziniert. Und in diesem Jahr der Eleganz 2021, das so verspielt, ja geradezu zart daherkommt, ist das natürlich umso mehr so. Alle Pinot Noirs 2021 wurden im Juni 2024 abgefüllt, lagen also über 2 Jahre im Fass. Tolle Nase, wenn man hohe Mineralität liebt, viel Gestein, Rauch, etwas Holzkohle, dunkle, straffe Beerenfrucht mit Schwarzkirsche und Holunder. Alles ganz fein, nicht diese wahnsinnige Intensität von 2020 zeigend, sondern feiner und leiser bleibend. Im Grunde mehr Pinot Noir-Charakter, denn diese ganz zarte Art ist ja, was ihn auszeichnet. Der Mund ist ein krachendes Ereignis, sehr saftig ausgelegt, die Tannine total seidig, hintersinnig und raffiniert. Eine schwebende Tänzerin. Salz und noch mehr Pfeffer und Schiefer, Holzkohle und Goudron dominieren den Ausklang, da spürt man dann, dass man doch an der Mosel ist und nicht im Burgund. Herb und zupackend in der Art, überhaupt nicht weichgespült. Wer etwas mehr fruchtigen Charme und Cremigkeit sucht, der muss mit dem Mandelgraben* gehen, hier ist man in der strammen Mineralität angelangt. Zum Essen fast zu schade, weil er so wunderbar animierend und tänzerisch ist. Am besten leicht gekühlt genießen und viel Luft geben. 94-95/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.