Lobenberg: Der Gutedel 10hoch4 ist DIE große Legende schlechthin, einfach eine absolute Ikone! Man probiert diesen Wein und fragt sich einfach, wie bekommt Hanspeter Ziereisen es jedes Jahr aufs Neue hin, einen so großartigen Gutedel zu vinifizieren? Und dann auch in 2021 mit nur 10,5% Vol. eine solche Tiefe, Struktur und Kraft reinzubekommen? Unfassbar und wirklich einmalig großer Stoff! »Make Gutedel great again« ist Hanspeter Ziereisens Motto und dieser Wein ist der eindeutige Beweis dafür, dass man aus dieser Rebsorte wirkliche Klasse produzieren kann. In der Nase haben wir wirklich nur ganz versammelte, feine, kühle, sehr steinige Spannung. Zarte Reduktion, zerstoßenes Gestein, dezente Holzwürze und nur ganz feine Frucht. Amalfizitrone, Zitronenthymian, Austernschale, Feuerstein. Mich erinnert die Nase des 21er an einen kühlen Puligny Pucelles oder Hochlagen-Meursault. Mit etwas Luft kommt auch Quitte, Bergamotte und zarte Marille, aber die Frucht steht total hinter der wahnsinnigen Eleganz mit diesem unendlich langen, feinmineralischen Spiel, das alles in Rauch und zerstoßenen Kalkstein einhüllt. Das ist eine wahnsinnige Eleganz, betörend in der Filigranität, aber gleichzeitig voll da und intensiv. Im Mund dann nochmal eine Schippe drauf in der Intensität, aber auch hier total auf der Mineralität laufend, maximal etwas Quitte, weißer Tee, Melisse, wieder reife Zitrone, aber alles nur in Nuancen kommend. Vor allem ganz viel Salz aus dem Kalkstein, so langgezogen und trotzdem eine Saftigkeit und einen mineralisch aufgeladenen Trinkfluss. Erinnert in dieser Präzision dann schon eher an Chablis, aber doch ist es einmalig in dieser Struktur. Das ist großes Kino aus Deutschland, abseits von Riesling und Chardonnay und zurecht schon seit Jahren eine solch gesuchte Ikone. 100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.