Lobenberg: Nascetta ist eine autochthone Rebsorte aus dem Piemont, eigentlich gibt es sie nur noch in Novello und nur wenige Erzeuger machen Wein daraus. Aber im Moment ist sie eine wieder aufkommende Sorte, wie auch Timorasso und andere, und das obwohl sie im Weinberg sehr »launisch« ist. Ein Jahr produziert sie Trauben, im nächsten Jahr nicht. Den Grund dafür kann sich Valter Fissore absolut nicht erklären. In manchen Jahren kommen einfach zu wenig Triebe. Die Reben stehen inmitten der Lage Ravera, dennoch trägt der Wein keine Lagenbezeichnung. 100 Prozent mit selektierten Hefen aus Novello, zur Hälfte im Stahltank und zur andern im Holz vergoren, es wird keine Malo durchgeführt. Ab 2019 gab es eine Stiländerung des Weins. Zuvor führte Valter Fissore immer einen »Cold Soak« durch – also 12 Stunden auf der Traubenschale. Das führt zwar zu einer tieferen Textur der Weine, aber zugleich verlieren sie dadurch auch etwas Säure, denn diese fällt während des Prozesses im Tank aus. Valter liebt Weine mit Energie und guter Säure! Daher führt er nun eine »cold stabulation« durch, das heißt, die Trauben werden direkt abgequetscht, dann geht der Saft in einen vollen Tank, der dann wiederum auf 3°C heruntergekühlt wird. Während dieser Zeit führt Valter eine »Bâtonnage« durch und rührt den Saft regelmäßig. So werden die Aromen der Pektine extrahiert, die nicht von der Haut stammen und die Säure bleibt erhalten. Nach ein paar Tagen wird der Saft in einen anderen Tank abgezogen, dann beginnt die Gärung bei 18 °C. Valter legt bei all seinen Weinen Wert auf eine langsame Gärung, denn durch sie entwickeln sich vielschichtigere Aromen. Nach der Hälfte der Gärung zieht ein Teil des Mosts ins Holzfass um, wo er dann sechs Monate lang getrennt ausgebaut wird, bevor der finale Blend gemacht wird. Die Aromatik erinnert mich immer ein bisschen an Arneis, aber mit einer viel höheren Mineralik und Präzision. Leuchtendes Zitronengelb mit intensiven, würzigen Kräutern in der Nase. Minze, Rosmarin, Salbei, auch etwas Zitronenmelisse, ein Hauch zart rauchiger Teer und etwas mineralischer Feuerstein auf gelber Birne und saftigem gelben Apfel. Definiert und doch duftend. Im Mund salzig, präzise und dabei zugleich auch immens mineralisch mit rieslingartiger Spannung und gelbfruchtiger Zartheit. 2024 ist präziser und nicht ganz so saftig wie 2023, dafür ist der Wein aber umso graziöser definiert – er verdient wirklich etwas Zeit im Keller! Daneben probiere ich eine Magnum aus dem Jahrgang 2021, die eine faszinierende Kombination aus cremigem Meursault mit geschmolzener Butter in der Nase und dieser krassen Spannung im Mund kombiniert. Der Jahrgang 2024 liefert genau diese geniale, geradlinige Spannung und verspricht – ebenso wie der Jahrgang 2021 – dass der Wein, mit ein paar Jahren Flaschenreife noch zulegen wird. Im Mund hat diese Nascetta eine attraktive mineralische Salzigkeit und Komplexität. Nichts zum Niederknien, aber ein Freudenspender und dabei ein sehr individueller, spannender Weißwein. Valter empfiehlt wie gesagt immer gerne, ihn ein paar Jahre im Keller zu lassen, denn nach 4-5 Jahren entwickelt die Rebsorte noch mehr würzige Aromen, beinahe wie Petrol und eine zarte Rauchigkeit. Das Reifepotenzial der Rebsorte beträgt ohne Probleme 15 Jahre im Keller. Im Piemont gibt es einfach unglaublich viele vinophile Schätze zu entdecken – diese Nascetta ist einer davon!
