Lobenberg: Der Gaisböhl ist eine Monopollage von Bürklin-Wolf – einzigartig nicht nur aufgrund seiner Alleinstellung, sondern auch durch sein Terroir: Buntsandstein, Verwitterung, sandiger Lehm, dazu ein kleiner Anteil Kalkmergel. Eine der wärmeren Lagen des Gutes, leicht in die Ebene auslaufend, mit mehr täglicher Sonneneinstrahlung. Südosthang – also keine drückende Abendhitze, aber viel Licht. Die Reben sind alt, tief verwurzelt, wie alles hier biodynamisch bewirtschaftet. Schon seit einiger Zeit werden die Weine bei Bürklin nicht mehr gekühlt vergoren, sondern bewusst warm – auch beim Gaisböhl. Das nimmt ihnen ein Stück vordergründige Frucht in der Jugend, bringt aber mehr Struktur und Tiefgang. 2024 steht dem Gaisböhl dieser Stil ganz hervorragend. Die Frucht ist klar da, aber feiner eingebunden denn je. Sehr reife Amalfizitrone, Pomelo, Grapefruit – dazu eine subtile Reduktion, rauchig, aber nie überdeckend. Er strahlt fast so stark wie das Ungeheuer, wirkt dabei aber etwas eleganter, brillanter, klarer in der Linienführung. Die Nase beginnt mit einer kühlen, kalkigen Rauchigkeit, dazu Muschelschale, etwas Jod. Dann kommt die Frucht: Zitronen- und Orangenschalen, Kumquat, Marille, reifer Pfirsich. Dazwischen salziger Hefeteig – wie eine salzige Zitronentarte. Sehr komplex, sehr fein. Kräuter blitzen auf, fast mediterran. Die Reduktion bleibt stets nur Hauch, eher Spannung als Störung. Am Gaumen dann ein Maul voll Wein. Kraft, Struktur, Dichte – aber mit glasklarer Frische. Reife Zitrusfrüchte, wieder Amalfi-Zitrone, Grapefruit, gelbe Limette. Alles unterlegt mit einer salzig-mineralischen Ader, die über den ganzen Gaumen zieht. Dazu eine ganz feine Bitternote von Zitrusschale, etwas griffiges Tannin, gepuffert durch cremigen Schmelz aus dem feinen Extrakt. Ultra geschliffen, total brillant, in sich ruhend. Die Textur ist beeindruckend, ohne je schwer zu wirken. Der Wein packt zu, bleibt haften, zieht sich lang und intensiv über Zunge und Gaumen. Die Säure ist reif und straff, aber völlig integriert – der Grip an den Backen bleibt. Auch im Finale bleibt alles salzig, rauchig, feinherb. Keine Breite, nur Zug. Jahr für Jahr scheint der Gaisböhl sich weiter zu steigern – und 2024 ist vielleicht der bisher klarste Ausdruck dieser Entwicklung. Fundamental, tief, glasklar. Große Klasse!
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!