Bruno Giacosa: Nebbiolo d'Alba 2022

Bruno Giacosa: Nebbiolo d'Alba 2022

Nebbiolo 100%
rot, trocken
14,5% Vol.
Trinkreife: 2025–2035
saftig
pikant & würzig
seidig & aromatisch
Lobenberg: 94/100
Italien, Piemont
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Nebbiolo d'Alba 2022

94
/100

Lobenberg: Wo diese Trauben herstammen, weiß vermutlich niemand außerhalb des Weinguts. Höchstwahrscheinlich aus den jüngeren Reben der Top-Crus in Barolo und Barbaresco. Beim anderen Nebbiolo von Giacosa kennen wir den Weinberg: Valmaggiore. Dieser Nebbiolo hier ist aber weniger bekannt, obwohl er schon viel länger im Portfolio von Bruno Giacosa vertreten ist. Dies liegt an der geringen Produktionsmenge. Bei Giacosa wird auf Langlebigkeit unglaublich viel Wert gelegt. Ob diese Trauben aber auch einen Wein ergeben, der noch in 15 oder mehr Jahren besser wird, darf bezweifelt werden. Während der abendlichen Verkostung wird meine Vermutung immer wahrscheinlicher, dass eben dieser Nebbiolo aus selektierten Fässern der besten Lagen der Langhe kuvertiert wurde. Zumindest habe ich wohl noch nie einen solch genial expressiven jungen Nebbiolo von Giacosa probiert und komme daher nicht umher, diesen in mein Programm aufzunehmen. Kirsche und sofort auch Kampfer, Zitrus und Minze, Tabak, trockenes Unterholz, Amarenakirsche, Pflaume, frisch gehackter mediterraner Kräutermix, Thymian, Rosmarin, rote Johannisbeere, Teer, staubige Sommerlandstraße bei Regenanbruch, abgehangenes Fleisch, Bündnerfleisch, getrocknete Kräuter, Umami! Dies ist nur das Nasenbild! Im Antrunk schwebend, wolkig, es kommt sofort noch Waldmeister hinzu, wieder Tabak, Kirsche und Amarenakirsche. Typischer Gripp eines Nebbiolo, der einen unglaublich langen Nachhall ergibt und einen Doppelpass mit dem feinen Gerbstoff spielt und so allem eine faszinierende Länge verleiht. Alles bleibt fein, typisch großer Nebbiolo, aber auch extrem Giacosa. Er hat alles, was ein toller Wein aus der Langhe braucht, aber auch noch mehr. Er ist komplex, trinkig, sich immer wieder wandelnd und doch so in sich ruhend. Es hat wohl noch nie einen solchen Wert bei Giacosa gegeben, zumindest nicht seit ich dort probiere. Für alle jene, die Giacosa kennen, oder kennen und lieben lernen wollen, ein absolutes Kaufmuss! Und für alle, die sich nicht recht an Barolo herantrauen sowieso, weil der burgundische Wein in seiner üppigen Frucht so einlädt! 94/100

Jahrgangsbericht

2022 war in ganz Europa ein von Hitze und Trockenheit geprägter Jahrgang. Im Piemont fiel bereits im Winter 2021 kaum Schnee, und es regnete lediglich im Mai und dann wieder im August in sehr kleinen Mengen, was ein wenig zur Erleichterung der Reben beitrug. Vom Austrieb bis zur Lese verlief die Wachstumsperiode ungefähr zwei bis drei Wochen früher als im Durchschnitt. Dieses Jahr war also von extremem Wetter gezeichnet, aber glücklicherweise war es sehr regelmäßig und konstant heiß und trocken – vom Austrieb bis zur Weinlese während des »Indian Summer« – und es gab keine Hitzespitzen. Da die Trockenheit nicht plötzlich eintrat, bildeten die Reben dementsprechend kleinere Blätter und weniger Trauben aus. Vielleicht kamen sie deshalb so erstaunlich gut mit diesen erschwerten Bedingungen klar, weil sie sich seit dem Frühling langsam an diese Situation »gewöhnen« konnten.2022 kann unmöglich generalisiert werden, und jeder Wein verdient es, einzeln betrachtet zu werden. Die etwas kühleren Höhenlagen im Piemont sind häufig auch von durchlässigeren Böden geprägt und dieses Jahr aufgrund der Trockenheit deshalb nicht automatisch besser. So sind 2022 ton- und lehmhaltige Böden mit besserem Wasserhaltevermögen deutlich vorteilhafter als sandigere. Die sonst »besten« Cru-Lagen zeichnen sich durch ihre besonders »perfekte« Ausrichtung zur Sonne und somit noch wärmeren Temperaturen aus. Auch das Alter der Reben und die Herangehensweise jedes Weinguts in den Weinbergen konnte einen entscheidenden Unterschied machen. Wurde durch sanftes Entblättern der Sonnenschutz gewährleistet und die Böden nicht unnötig durch Pflügen geöffnet, was zum stärkeren Verdunsten von Wasser führt, hatten es die Reben bedeutend leichter. Aufgrund der Trockenheit bestand kein Krankheitsdruck, es gab weder Pilzkrankheiten noch Fäulnis, was die Arbeit während der Wachstumsperiode auch erleichterte. In Summe brachten die berühmtesten Lagen 2022 nicht automatisch die besten Weine hervor, wohl aber die kühleren und lehmigeren Böden mit gutem Wasserspeicher der »alten« Terroirs aus Castiglione, Serralunga und Monforte d’Alba, teilweise auch Verduno. 2022 ist laut Aussage von Luca Currado-Vietti vom qualitativen Potenzial her riesig, im Ergebnis aber wegen zweier fehlender Regenschauer im August und September und zwei Grad zu hoher Spitzentemperatur haarscharf unterhalb eines Jahrhundertjahrgangs hängen geblieben. Die Winzer, die viel Zeit in die Weinberge investierten und zudem bereits vor oder bei der Lese gnadenlos aussortiert haben, brachten die beeindruckendsten Weine hervor. Was nicht perfekt oder gar vertrocknet war, gelangte gar nicht erst in den Gärtank. Im Durchschnitt bedeutet das 15 bis 40 Prozent kleine Erträge gesunder und konzentrierter Trauben. Im Keller musste aufgrund des höheren Verhältnisses von Traubenschalen zum Saft sanft extrahiert werden; der Ausbau erfolgte oft ein paar Monate kürzer als sonst und somit etwas reduktiver, um die Frische der Weine zu bewahren.Der Jahrgang 2022 hat einen wunderbaren »Überraschungseffekt«, denn wer überreife Weine erwartet hat, wird das Gegenteil im Glas finden! Die Trockenheit bremste. Aber seit im Jahrgang 2003 ebenfalls Hitze auf Trockenheit traf, haben die Winzer viel dazu gelernt. Was bereits bei den Bordeaux Primeur Proben des Jahrgangs 2022 deutlich wurde, stimmt auch im Piemont: In der Spitze kann 2022 enorm was! Die Weine sind so konzentriert wie 2017, aber mit deutlich mehr Frische ausgestattet. Aromatisch sind sie herrlich intensiv und bereit, eine unwiderstehliche Performance abzuliefern. Die Struktur der Tannine hängt dabei von den oben genannten Faktoren ab. Es gibt strukturiertere Weine, die aber durch ihre Fruchtbalance dennoch meist durchaus harmonisch sind. Ich versichere, dass mit Offenheit ausgestattete Nebbiolo-Liebhaber dieses Jahr mit der ein oder anderen Neuentdeckung belohnt werden, denn 2022 gibt es durchaus viele hervorragende und gar überragende Weine im Piemont, auch wenn 2021 sicher über alle Regionen gesehen harmonischer und gleichmäßiger in seiner Weltklasse rüberkam.

Mein Winzer

Bruno Giacosa

Bruno Giacosa war als Traditionalist das Gegenteil der jungen wilden Barriquefreunde Altare, Scavino, Sandrone, Clerico, Gaja und Co. Seine extrem eleganten Weine sind trotz ihrer von kaum einem anderen Erzeuger erreichten Finesse in der Jugend verschlossen, obwohl er sie immer erst ein bis drei...

Nebbiolo d'Alba 2022