Von Heiner Lobenberg

Der Jahrgang 2015 im Weingut Egon Müller-Scharzhof

Zum dritten Mal in Folge gab es keinen richtigen Winter. Im November und Dezember fiel noch normaler Niederschlag, danach waren alle Monate teilweise deutlich zu trocken. Bis Ende August betrug das Niederschlagsdefizit etwa 180 Millimeter. Generell war es schön, nach dem 10. April gab es keinen Frost mehr und die Blüte begann Ende Mai und war in der Wiltinger braunen Kupp am 15. Juni zu Ende. Just zu dieser Zeit war es eine Woche lang kühler und regnerisch und die Blüte in den anderen Lagen wurde entsprechend verzögert und erst um den 22. beendet.


Im Juli und August war es trocken und heiß, wenn auch nicht so extrem wie in 2003. Wegen der Trockenheit war der Infektionsdruck durch Pilzkrankheiten minimal und wir haben während der ganzen Saison nur dreimal gespritzt, aufgrund der Spätinfektion durch Schwarzfäule im Vorjahr mit systemischen Mitteln. Möglicherweise wäre die Saison aber ganz ohne Pflanzenschutz nicht anders verlaufen. Es gab keine Krankheiten. Laub und Trauben waren vollkommen gesund.
 
Die erste Septemberdekade war noch sommerlich aber dann schlug das Wetter um. Am 1. regnete es 20 Millimeter, die wohl der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein waren aber vom 13. bis zum 23. September regnete es ständig, alleine am 16. fielen 40 Millimeter. Die Reife war zwar schon weit fortgeschritten, aber trotzdem kam es wieder zu Stiellähme, einer Schwäche vor allem des Rieslings, die dazu führt, daß die Trauben abfallen.  Botrytis trat auf und verbreitete sich schnell.
 
Ab  dem 26. September wurde das Wetter wieder besser. Vom 24. Septmeber bis zum 3. Oktober fiel kein Regen und bei kräftigem Ostwind stiegen die Mostgewichte schnell. Es gab im Verlauf immer mehr Bodentrauben, besonders in den Drahtanlagen.
 
Am 4. Oktober begannen wir mit der Lese, in der Hoffnung, Beeren- und Trockenbeerenauslesen zu ernten. Schnell mussten wir jedoch feststellen, daß das in diesem Jahr nicht so einfach sein würde: Obwohl die Mostgewichte der gesunden Trauben sehr hoch waren, war es nie ganz trocken und immer, wenn die faulen Trauben einzutrocknen schienen, fiel ein wenig Regen. Das änderte sich während der ganzen Lesezeit nicht und obendrein war die Wettervorhersage nie wirklich stabil. Die hohe Reife der gesunden Trauben tat ein Übriges um und anzutreiben und so unternahmen wir zwar große Anstrengungen, intensiv auszulesen,aber wir arbeiteten auch fast ohne Pause und am 24. Oktober beendeten wir die Ernte.
 
2015 ist sicher ein großer Jahrgang. Nach dem Sommer hätte man mit einem 2003er rechnen können und es gibt sicher einige Parallelen: Die Erntemenge ist fast auf den Liter so groß wie 2003 und die Mostgewichte liegen auf dem gleichen Niveau. Anfangs hing wohl etwas mehr an den Stöcken, im Verlauf wurde die Menge immer kleiner und im Durchschnitt haben wir 30 Hektoliter pro Hektar geerntet. Das Bild der Ernte war auch ähnlich. Bis zum Ende blieb der Großteil der Trauben gesund, der Anteil an Botrytis war relativ klein. Ein Unterschied erklärt sich durch das Lesewetter und dadurch, daß es nie richtig trocken wurde: Es war zwar relativ einfach, große Auslesen zu ernten und eine Trockenbeerenauslese gibt es auch, aber die unglaublichen Mostgewichte, die 2003 möglich waren haben wir nicht annähernd erreicht.
 
Was man nach dem Sommer aber kaum erwartet hätte, sind die Säurewerte, die doppelt so hoch sind wie in 2003 und die 2–3 Gramm über den Werten für 2007 oder 2009 liegen. Wieder einmal haben wir also einen Jahrgang, wie es ihn noch nicht gegeben hat. Man darf aber erwarten, daß wir uns daran erfreuen werden.


Egon Müller

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