Von Heiner Lobenberg

Chablis top – down

Das einzige, was hilft, …

… ist, einfach immer wieder mal etwas Neues zu probieren. Ein neues Anbaugebiet entdecken, einen Winzer, dessen Weine man noch nie probiert hat, oder eine Rebsorte, um die man aus welchen Gründen auch immer bislang einen Bogen gemacht hat. Da bieten sich dann meistens Rebsorten wie Trollinger oder Gutedel an. Also einfach mal raus aus den alten Gewohnheiten! Oder man fragt den Weinhändler seines Vertrauens: »Packen Sie mir doch mal eine Flasche dazu, von der Sie meinen, dass sie mir wohl gefällt oder dass ich diesen Wein einmal getrunken haben sollte!« So habe ich schon viele wunderbare Weine kennengelernt, übrigens auch den Calendal (Sie erinnern sich?).

Bei der Gelegenheit fällt mir gerade wieder einer der Sprüche ein, bei denen gestandene Sommeliers sehr an ihre gute Kinderstube denken müssen, um nicht mit der Weinkarte oder dem Korkenzieher um sich zu werfen: »Chardonnay trinke ich nicht! Mag ich nicht! Aber Chablis, den mag ich!« Ihnen muss ich den Fehler ja nicht erklären, oder?

Wer bisher aus welchen Gründen auch immer noch nicht dazu gekommen ist, sich mit Chablis näher zu befassen (soll es ja geben. Ich kenne Leute, die sind ihr Lebtag über Rheingauriesling nicht hinausgekommen und immer noch nicht damit durch), dem rate ich, was ich in solchen Fällen immer rate: Nähere Dich Wein top – down. Fange ruhig mit einem hoch klassifizierten, sehr gut bewerteten und – manchmal darf es ruhig ein bisschen mehr sein – teureren Wein an. Mit der Benchmark sozusagen. Später, wenn Du Dich ein wenig besser auskennst, dehne die Suche aus, Du weißt dann, welcher Maßstab anzusetzen ist. Wie der Wein sein sollte.

Um beim Chablis zu bleiben

Da wäre der 2012 Chablis Grand Cru »Le Clos« von Patrick Piuze eine sehr gute Wahl. Natürlich kommen an dieser Stelle so sicher wie das Amen in der Kirche nörgelige Gesinnungskrokodile auf den Plan und rufen »Kindermord!« So ein Wein, der solle erst mal 10 Jahre liegen und dann zeige der erst seine ganze Klasse. Irgendwo haben sie natürlich Recht, aber ein Wein, der in 10 Jahren richtig gut ist, der kann ja wohl heute nicht schlecht sein. Und man möchte doch schon einmal eine Ahnung davon bekommen, was einen für Genüsse in den nächsten Jahren erwarten. Was natürlich bedeutet, dass man sich davon besser mehr als eine Flasche hinlegt. Denn in 10 Jahren gibt es den 2012er sicher nicht mehr. So viele Flaschen werden davon ja nicht produziert.

Und jetzt gieße ich diesen wunderbaren Wein ins Glas, freue mich an seiner elegant gelben Farbe mit goldenen und grünen Reflexen und rieche diesen zauberhaften Duft, der aus dem großen Glas steigt. Was das Glas angeht, so empfehle ich ein großes, so eines, das man auch für einen hochwertigen Pinot Noir nehmen würde, so ein Burgund-Flagship (vulgo: Goldfischglas).

Duft von frischen Kräutern, saftig-sauren Früchten wie Stachelbeeren und grüne Mirabellen steigt auf, dazu eine leicht mineralische Note, nicht so intensiv und dominant wie die oft schweflig-mineralische Feuersteinnote großer Burgunder, zarter, eher angedeutet als ausformuliert. Später legt sich eine florale Note, frisch aufgeblühte Pfingstrose, über die Frucht.

Im Mund zeigen sich sowohl die Verwandtschaft mit den großen Montrachets als auch die Unterschiede. Schmelzig und doch straff am Gaumen, elegant wie ein Puligny und komplex, dabei mit einem ganzen Korb voller heller Beeren und Früchte spielend: Limette, Mirabelle, Stachelbeere, weiße Johannisbeere. Geschliffen und dicht im Mund. Daneben salzig, John Gilmans Assoziation von leeren Austerschalen kann ich gut nachvollziehen, etwas Kalk, ein wenig Meersalz verbunden mit einer klaren Frische. Am Gaumen zeigt sich die Mineralnote klarer, definierter, ausdrucksstärker. Ein Monolith! Je länger man trinkt, desto dichter und intensiver werden die Aromen.

Die önologische Binsenweisheit, dass die Qualität eines Weines vor allem an der Länge seines Abganges zu messen sei, wird hier auf das Beste bestätigt. Die Welle von Frucht, Gewürz, Mineral füllt Mund- und Rachenraum aus und ist auch nach Minuten noch präsent.

Wow! So kann Wein sein. So muss Wein sein. Breathtaking, sagt man in England, was viel passender klingt als atemberaubend. Und in 10 Jahren sehen wir uns dann wieder!

Neueste Beiträge

Reise an die Rhône 2025

Reise an die Rhône 2025

Der Jahrgang 2024 an der Rhône bringt überraschendes Klima und trotzdem liefern die Top-Winzer teils herausragende Qualität. Wir haben...

Portugalreise 2025

Portugalreise 2025

Was lange währt, wird endlich gut! Uns hat es nach langer Zeit mal wieder in das Land der tausend Rebsorten gezogen! Eine Reise, die...

Deutschlandreise 2025

Deutschlandreise 2025

2024 war ein Jahr, das Winzer zu Geduld, Selektion und klarem Fokus auf Qualität zwang. Die Weine zeigen sich – trotz teils widriger...