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Im Portrait

Timothée Stroebel

Stroebels Champagner sind ganz eigene Charaktere – fernab der Masse in winzigster Auflage erzeugt.

Die Philosophie: Non-Interventionist mit vollem Einsatz

Hier wird nicht einfach nur Wein gemacht, hier wird mit der Natur gelebt. Stroebel setzt auf eine bäuerliche, fast archaische Bewirtschaftung mit biodynamischem Ansatz. Teilweise sind die Reben über 70 Jahre alt und noch von seinem Vater gepflanzt. Er pflegt sie wie ein Burgunder-Winzer auf maximale Langlebigkeit und nicht auf maximalen Ertrag. Generell ist sein gesamter Ansatz viel näher an einer burgundischen Weinphilosophie als am Champagner – zumindest in erster Linie. Das ist nicht verwunderlich, denn er hat in Beaune studiert und bei einigen renommierten Burgunder-Domaines gelernt, bevor er zurück nach Hause in die Champagne kam.

Seine Weinberge liegen quasi direkt hinter dem ältesten Teil seines historischen Bauernhauses in der Montagne de Reims, mittig zwischen Reims und Épernay auf einer waldigen Anhöhe. Stroebel lässt Begrünungen zwischen den Stöcken stehen und pflügt so wenig wie möglich, um das Bodenleben nicht zu sehr zu beeinflussen. Alles ist mühevolle Handarbeit. Er beackert seine Lagen wie kleine Gärten und mit nur wenigen Mitarbeitern, oft sogar ganz alleine. Im Winter weiden Schafe in den Parzellen. Die Bodenbearbeitung macht Timothée mit dem Pferd, alles wie früher, nahezu ohne Einsatz moderner Maschinen oder Technik – die besitzt Stroebel gar nicht.

Stroebel erntet seine Trauben recht spät und reif, geht zudem mit etwas weniger Zucker in die zweite Gärung, sodass der Druck nicht so hoch geht und die Textur geschmeidiger bleibt. Ohnehin geht es Stroebel mehr um Struktur als um Frucht, die bei ihm durch den Verzicht auf Schwefelung und den Holzausbau meist ohnehin bis zu einem gewissen Grad aboxidiert.

Nach der Lese folgt die Ganztraubendirektpressung auf einer alten Korbkelter, dann geht es ohne Vorklärung in gebrauchte Barriques und Tonneaux zur Spontangärung und spontanen Malolactique. Es gibt während der gesamten Vinifikation keine Filtrationen oder Zusätze. Ausbau für rund ein Jahr, manchmal auch eineinhalb ohne zugesetzten Schwefel, dann geht es in die Flaschengärung für rund drei Jahre. Auch degorgiert wird ungeschminkt. Brut Nature, ohne Wenn und Aber: Die Champagner werden komplett ohne Dosage (Zero Dosage) gefüllt. Manchmal bleibt ein wenig Restzucker aus den Spontangärungen übrig, so zwei, drei Gramm, aber in der Regel sind sie knalltrocken. Das ist ein mutiger, puristischer Akt, der kaum Fehler verzeiht.

Das Ergebnis ist eine Stilistik, die strukturiert, komplex und vor allem sehr persönlich ist. Stroebel ist ein extrovertierter Charakter, ein Champagner-Anarchist, der wie ein Hermit auf seinem Bauernhof seinem eigenen Geschmack folgt. Er macht keine Kompromisse oder Zugeständnisse und seine Champagner sind durchaus freakig und sehr eigen. Oft gibt es nur wenige Hundert oder ein paar Tausend Flaschen von jedem Wein – auch die Labels gestaltet er selbst und nummeriert sie per Hand.

Sein Stoff ist sicher nichts für Einsteiger und auch nicht jedermanns Geschmack. Doch wer sich in die besondere Welt der Mikroproduktion von Timothée Stroebel begibt, wird enorm spannende Schaumweine entdecken, die abseits vom Mainstream einen ganz eigenen Weg einschlagen. Der Vollblut-Biowinzer und hands-on Landwirt achtet penibel auf das Wohlergehen seiner Rebstöcke und der Natur, danach lässt er den Weinen so weit es geht freien Lauf. Ein Freigeist mit burgundischem Spirit und einer der spannendsten Winzer der Montagne de Reims.