Wenn man über die Konstanten im Bordelais spricht, über Weingüter, die Jahr für Jahr zuverlässige, charaktervolle und gleichzeitig bezahlbare Weine liefern, dann stößt man eben früher oder später auf Chantegrive. Kein großes Châteauschloss, kein Marketing-Overload – stattdessen eine Familie, ein klarer Qualitätskompass, ein fantastisches Terroir und eine Menge Geduld. Geradlinige, schicke und zugängliche Weine mit Tiefgang – rot wie weiß. Kein hipper »Garage-Bordeaux«, sondern eher ein ernsthafter, klassischer, aber zugleich so unglaublich leckerer Graves.
Die südexponierten Lagen liegen auf typischen Graves-Schotterböden – einer Mischung aus grobem Kies, feinem Sand und ton-kalkhaltigem Untergrund – und bieten ideale Bedingungen für rote und weiße Spitzenweine. Seit 1985 ist Chantegrive Mitglied der Union des Grands Crus de Bordeaux, was viel über den Qualitätsanspruch des Hauses sagt und spätestens mit dem Einstieg von Hubert de Boüard (Château Angélus) als beratender Önologe ab 2006, haben die Weine zusätzlich an Präzision und Tiefe gewonnen – ohne dabei ihre Authentizität zu verlieren. Sozusagen ein »Perfect Match«, das Chantegrive zu internationaler Konstanz und Anerkennung verholfen hat. Heute unter der Leitung von Tochter Marie‑Hélène, die das Familienerbe mit demselben Herzblut und Qualitätsbewusstsein wie ihre Eltern weiterführt.
Nachhaltigkeit mit Substanz – HVE und Biodiversität
Die Familie Lévêque arbeitet seit Jahren mit klarem Fokus auf Nachhaltigkeit. Bereits 2017 wurde das Château HVE-zertifiziert (Haute Valeur Environnementale, Stufe 3) – das höchste französische Umweltzertifikat für nachhaltigen Weinbau. In den Weinbergen wird bewusst auf Biodiversität gesetzt: Begrünung zwischen den Rebzeilen, Insektenhotels, sanfte Bodenbearbeitung, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln – nicht als Trend, sondern aus Überzeugung.
Elegante Rotweine, Cuvée Caroline als Weißweinreferenz
Die roten Weine von Chantegrive – der klassische Erstwein, sowie die etwas strukturiertere Cuvée Henri Lévêque – basieren auf Merlot und Cabernet Sauvignon, ergänzt durch kleine Anteile Cabernet Franc und Petit Verdot. Der Stil ist ganz klar klassisch Bordelais, aber ohne jegliche Strenge. Saftige Frucht, feines Tannin, gute Frische, elegante Holznote. Die Weine sind trinkfreudig jung, aber haben Substanz genug, um reifen zu können. Bordeaux, wie man ihn sich für den Alltag wünscht – unprätentiös, stimmig, einfach sehr gut gemacht.
Und dann ist da der eigentliche Star: Cuvée Caroline, der große Weißwein des Hauses. Benannt nach einer der Töchter der Familie, heute ebenfalls in der Leitung des Weinguts tätig. Jahr für Jahr eine der besten Weißwein-Werte in ganz Bordeaux. Ein Blend aus Sémillon, Sauvignon Blanc und einem Hauch Sauvignon Gris, vinifiziert im Barrique (etwa 50 % neues Holz), mit Bâtonnage – und doch nie fett oder überladen. Caroline zeigt, wie finessenreich und ernsthaft weißer Bordeaux sein kann, wenn man ihn richtig macht. Reife gelbe Frucht – Grapefruit, Ananas, Birne, weiße Blüten – dazu Vanille, zartes Toasting, und eine salzige, fast kühle Mineralität im Finish. Am Gaumen cremig, saftig, gleichzeitig frisch. Ein Weißwein, der zwischen Pessac-Léognan und Meursault steht – nur zu einem Bruchteil des Preises.
Chateau Chantegrive ist nie laut, immer eher ein hidden Star, der aber Jahr für Jahr performt. Es ist ein Weingut, das lieber mit Konstanz, Qualität und Bodenhaftung überzeugt. Kein Hype, keine Spekulation – sondern ehrliches Graves-Handwerk mit Anspruch. Wer Bordeaux sucht, das zugänglich ist und gleichzeitig Tiefe hat, wird hier fündig. Und mit der Cuvée Caroline liefert Chantegrive einen der feinsten weißen Bordeaux in seiner Klasse – stilistisch klar, eigenständig, und mit echtem Reifepotenzial. Ein Wein, der zeigt, wie groß Graves blanc sein kann, wenn man ihn ernst nimmt. Und das tut man hier – kompromisslos.