Die Weinberge liegen direkt neben Haut Brion, besseres Terroir in der Appellation gibt es nicht. Dieses perfekte Bordelaiser Terroir bildet den Grundstein für die magischen Weine von Les Carmes Haut Brion. Eine dicke Kiesschicht auf feiner Tonunterlage, gemischt mit Sand- und Kalksteinablagerungen. Scheinbar hatten die Mönche damals schon ein Gespür dafür, welche Rebsorte wo am besten wächst, denn die Bodenuntersuchungen zeigten hier kaum Optimierungsbedarf beim Standort der Reben. Carmes Haut Brion ist mittlerweile sogar das einzige Weingut, dessen Adresse direkt in Bordeaux liegt. Die Stadt hat sich mit der Zeit so ausgeweitet, dass sie an das Château reicht. Die Weine von Les Carmes Haut Brion haben meist einen gewissen Grip und Körper, dieser Extrakt wird durch teilweise Vergärung mit Rappen gewonnen, danach wird die Maische sanft gepresst, um nicht zu viele grüne aromen aus den Rappen zu bekommen und teilweise mit ganzen, ungepressten Beeren vergoren. Les Carmes Haut Brion ist eines der Wenigen, wenn nicht sogar das einzige Weingut des linken Ufers, welches bei der Klassifikation von 1855 leer ausgegangen ist, aber mittlerweile wahrscheinlich mindestens als 2éme Cru eingestuft werden würde.
Seit Jahren ist die Qualität hier überragend und spätestens seit den unfassbar starken Bewertungen des 2022er Jahrgangs ist klar, dass hier einer der besten Weine der Appellation gekeltert wird!
Stolze 10.000 Stöcke stehen hier in Dichtpflanzung. Damals State of the Art - und heute wieder! Zwischendurch wurde in vielen Bordelaiser Weingütern eher auf eine einfachere Befahrbarkeit mit Traktoren und dadurch breite Abstände zwischen den Zeilen und Stöcken gesetzt. Durch die Beständigkeit der Anlagen bei Les Carmes Haut Brion wurzeln die uralten Reben tief und kommen so leichter an Nährstoffe, was insbesondere in Zeiten des Klimawandels unfassbar wichtig ist. Die Reben sind hier im Schnitt um die 50 Jahre alt, die Ältesten allerdings über 100 Jahre alt! Durch die Dichtpflanzung und das immense Alter der Reben bewegen sich die Erträge im Schnitt bei unter einem halben Kilo pro Rebe. Das führt zu dieser extremen Konzentration und der unbeschreiblichen Tiefe in den Weinen von Les Carmes Haut Brion. Allerdings auch zu einer gewissen Verknappung. Die Parzellen mit besonders schweren, tonreichen Böden, die besonders von Verdichtungen gefährdet sind, werden mittlerweile sogar mit Pferden bearbeitet! In Zeiten des Klimawandels ist das extrem wichtig, um die Aufnahmefähigkeit von Wasser zu optimieren, außerdem werden wertvolle Mikroorganismen im Boden so geschont.
Nach dem Verkauf im Jahr 2010 wurde nicht nur die Vision, sondern gleich das ganze Weingut verändert. Das futuristisch aussehende Kellergebäude, was zu einem Markenzeichen des Hauses avanciert, ist von niemand anderem als dem Stardesigner Philippe Starck designt!
Bei Carmes Haut Brion wurde nicht nur in Äußerlichkeiten investiert, denn was bei dem Trunk der Götter am ehesten zählt, sind eben die inneren Werte, so schön auch die Châteaux und Etiketten aussehen mögen. Neben dem High End inneren des Kellers sind auch die Weinberge so gut in Schuss wie noch nie. Die Biodiversität wird stark gefördert, ob durch neue Hecken und Grünstreifen, Begrünung der Rebzeilen oder dem Ausbau des Parks um das Château. Dieser umfasst die Hälfte (!) des zehn Hektar großen Anwesens.
Selbstverständlich sprechen wir hier von einem Bordeaux des linken Ufers mit hohem Cabernet Sauvignon, als auch Merlot Anteil, dementsprechend ist das Burgundische im Kontext eines vollen, schweren Weins zu sehen. Aber dennoch ist der Vergleich angebracht! Die Zusammensetzung der Rebsorten im Cuvée ist hier besonders. Bei kaum einem anderen Weingut wird so undogmatisch gearbeitet. So überwiegt in einigen Jahren sogar Cabernet Franc, was eine absolute Seltenheit ist. Die Weine haben durch außergewöhnlich hohen Anteil an Cabernet Franc von bis zu 50 Prozent oft etwas florale Noten und einen mineralischeren, frischeren Zug, als es die Nachbarn haben. Dabei sind die Weine von Carmes Haut Brion klassisch und traditionell im besten Sinn, tief, lang und ultrakomplex, ohne dabei an Trinkigkeit zu verlieren.
Mit Guillaume Pouthier hat Les Carmes Haut Brion einen der besten Winemaker der Welt zu sich geholt. Früher federführend bei Chapoutier tätig, hat er Les Carmes Haut Brion an die Weltspitze geführt.
Die Änderungen bei Carmes Haut Brion betreffen die grundlegende Philosophie, von der Arbeit im Weinberg bis hin zur Weinbereitung. Grundsätzlich wird seit seiner Ankunft nach biodynamischen Standards gearbeitet, bisher allerdings nicht zertifiziert. Die biodynamische Arbeit im Weinberg hat hier ein klares Ziel, so soll der Weinberg als Organismus und nicht als reine Produktionsfläche betrachtet werden. Das gesamte Ökosystem soll in ein lebendiges Gleichgewicht gebracht werden und nicht ödes Agrarland sein. Die Mikroorganismen sollen sich wieder etablieren, Nützlinge, Pflanzen und Mikroklima wieder in Einklang kommen und der Mensch dabei eher als Helfer fungieren, statt als Gestalter. Der Nährstoffhaushalt der Weinberge wird durch Kompost und biodynamische Präparate unterstützt, die Böden werden begrünt und das nicht nur wegen der Optik: Die Begrünung hält Wasser im Boden, lässt sie leichter abkühlen und zieht Nützlinge an. Das Wassermanagement wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger und daher ist besonders der Aspekt der Bodenfeuchtigkeit wichtig. Im ersten Moment denkt man natürlich, dass mehr Pflanzen mehr Konkurrenz bzgl. Wasser und Nährstoffen darstellen, allerdings sind die Wurzeln der Begrünung nur in der oberen Erdschicht und reichen nicht bis zu den tiefen Wurzeln der Reben. Wasser wird durch Begrünung besser aufgenommen, da die Böden lockerer sind und so kann das Wasser auch in tiefe Erdschichten durchsickern, Erosionen werden verhindert und außerdem hält der Schatten der Pflanzen die Erde kühl, was Verdunstung verhindert.
Besonders ist auch das Laubwandmanagement, so wird in kühlen Jahren auf gesteigerte Fotosynthese mit mehr Blättern gesetzt, während in warmen Jahren mehr entblättert wird. Bei Jahren mit viel Hitze wird mit einer natürlichen Beschattung durch eine höhere Laubwand gearbeitet. So penibel wie bei Les Carmes Haut Brion arbeitet wahrscheinlich kein Winzer in der Gegend, das ist absolut großes Kino. Geerntet wird auch unter Guillaume Pouthier selbstverständlich per Hand in kleine Kisten, um Quetschungen und vorzeitige Oxidation zu verhindern. Das ist besonders für die nächsten Schritte wichtig, denn Guillaume Pouthier setzt auf teilweise Vergärung mit Ganztrauben, in manchen Jahren sogar bis zu 70 Prozent. Das sorgt für einen besseren Tanninextrakt, mehr Frische und einen niedrigeren Alkoholgehalt. So waren die Alkoholwerte auch in den extremen letzten Jahren niedriger als die der meisten Nachbarn und bewegten sich unter 14% Alkohol. Die Beeren werden auch aus dem Grund nicht angequetscht, um nur die weicheren Tannine aus den Häuten zu extrahieren und nicht die grünen Tannine aus den Kernen. Bei der spontanen Vergärung im Betontank wird ein Schichtverfahren angewendet. Entrappte und nicht entrappte Schichten wechseln sich ab, die Flüssigkeit wird völlig natürlich umgewälzt, sodass immer alle Beeren von Saft umgeben sind. So wird eine sanftere und gleichmäßigere Extraktion sichergestellt. Das Ganze nennt sich passive Extraktion. Nach der ersten Fermentationsphase wird der Free Run Juice weiter separat fermentiert. Der Rest wird sanft abgepresst. Beide Partien werden nach acht Tagen der Fermentation wieder vereint. All das wird getan, um nichts Hartes in die Weine zu bekommen und trotzdem die Frische aus Rappen zu erhalten. Ausgebaut wird zu 70 Prozent in Neuholz, zu 10 Prozent in Amphoren und zu 20 Prozent im neuen 1800-Liter Holzfass. Was bei diesem Ausnahmeweingut alles bewegt wurde und vor allem, was weiterhin bewegt wird, ist wirklich außergewöhnlich, eine der, wenn nicht sogar die größte Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Wer neben Weingütern wie Haut Brion und Mission Haut Brion eine gute Figur macht, ist wahrlich für die größten Laufstege gemacht.