Lobenberg: Domäne Serrig, das sind knapp 25 Hektar an einem Stück, reine Monopollage von Markus Molitor seit 2016. Überwiegend blauer und grauer Schiefer, ein spektakulärer Hang, sehr steil, stellenweise extrem karg, am Hangauslauf auch etwas tiefgründiger. Im Jahr 1904 durch Kaiser Wilhelm II als Privat-Domäne als Hommage an die großen Saar-Weine der Jahrhundertwende errichtet. Heute unter Molitor mit 100 Prozent Riesling bestockt und es gibt nur zwei Weine: Vogelsang Kabinett und Vogelsang Große Lage trocken. Rund 5 Hektar sind alter Rebbestand von 1993, die restlichen 20 Hektar sind von Molitor selbst angelegt. Top-Genetik aus Selection Massale von alten, wurzelechten Stöcken von Markus selbst und ein, zwei befreundeten Kollegen. Komplett im 3000 Liter Stockinger vergoren und ausgebaut. Schon von der Nase wird man an die Saar davon getragen, beim so filigranen 2021er noch mehr als beim 2020er. Die Nase ist die reinste Finesse und doch, mit etwas Luft, viel profunder und dichter als ich es aus dem kühlen Jahr 2021 vermutet hätte. Das ist eben Markus Molitor, er ringt jedem Jahr das allerbeste ab in seiner wahnsinnigen Akribie. Der Duft ist so kristallin und rein, wie es nur die Saar kann. Feinster Schiefer, auch etwas Fleur de Sel, ein Hauch Schießpulver, Flieder und Apfelblüte, Zitronenabrieb, duftig, schwebend fein und verspielt. Es ist absolut faszinierend wie Molitor den hochfeinen Saar-Charakter einfängt und mit seiner kraftvollen, satten Handschrift verbindet, ohne dass es einen Deut zu viel wäre. Der Mundeintritt ist beeindruckend, der Wein nimmt direkt gewaltig Fahrt auf mit seiner enormen Frische aus Grapefruit- und Orangenzesten, ich habe mehr spitze Säure erwartet dieses Jahr, aber es ist total seidig und köstlich gepuffert von dieser feinen hellgelben Frucht und dem großartigen Holzeinsatz, den Markus so perfekt beherrscht. Ein bisschen weißer Pfeffer prickelt auf der Zunge, dann rollt wieder etwas mehr Salz heran. Der Wein bleibt eeewig auf der Zunge haften in seiner mineralischen Stringenz mit süßen Orangenzesten und Orangenblüte. Schiefer in puristischster Ausführung. Der Wein erinnert mich in seiner kristallinen Art etwas an Molitor Scharzhofberger, den man unter seinen größten Weinen wie Prälat und Doctor auch immer spielend leicht erkennt, weil er so fein ist. Der Vogelsang knüpft genau da an. Das kann eben nur die Saar. Und dabei ist er in 2021 eben nicht nur ein mineralischer Extremist ganz oben auf der Leiter, wie erwartet, sondern dazu auch sagenhaft köstlich in seiner blumigen Verspieltheit. Das ist weiterhin so ziemlich das Beste, was es an trockenem Saarwein gibt. Durch den feinfruchtigen Charme der Saarweine ist er zugänglicher und trinkfreudiger als Markus' extreme Zeltinger Weine. Ein Stoff für Jahrzehnte und im Vergleich zu seinen besten Auslese*** quasi ein Schnäppchen im molitor'schen Universum. Was Egon Müller in Süß ist, ist Markus Molitor in Trocken. Saar Champions League und Deutschlands Weltklasse im internationalen Fine Wine. 100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.