Lobenberg: Die Nase von Haut-Maurac 2020 ist verblüffend frisch, total auf roter Frucht laufend, obwohl Merlot die Dominante ist. Sehr viel frische Himbeere, Walderdbeere, rote Johannisbeere und Schattenmorelle. Das Ganze mit heller Lakritze unterlegt. Feine Veilchen-Note, aber nichts Süßes, sondern eher ein feines Nasenbild, aromatisch. Nicht hochreif, sondern einfach nur wunderbar verwoben, seidig, aromatisch, schick. Die Tannine sind total seidig, aber der Wein ist unglaublich frisch. Man hat ein bisschen umgestellt. Die Merlot wird eine Woche eher geerntet als normal üblich. Die Reife lies das 2020 ja auch zu. Das Ergebnis ist einfach eine größere Frische, eine unglaublich verspielte rote Frucht. Kirsche, Schlehe, Schattenmorelle, rote Johannisbeere und Himbeere. Darunter ein ganz kleiner Hauch Cassis und Schwarzkirsche, aber die rote Kirsche und die rote Frucht allgemein dominiert den Wein. Extrem fein, extrem verspielt. Der Regen Mitte August ist dem Wein extrem zugutegekommen. Schick, rotfruchtig, frisch, eine Ode an die Freude. Mit seidigen Tanninen und wunderbar frischer Säure. Salziges Finale. Das ist kein großer Wein, nur ein extrem gelungener, harmonischer, balancierter, frischer Médoc. /// Dieses Weingut liegt ganz im Norden des linken Ufers und in direkter Nachbarschaft zum Überflieger des Médoc und Haut-Médoc, Château Clos Manou. Seit 2015 profitiert das nördliche Médoc extrem vom Klimawandel. Früher war dieser Teil des linken Ufers, inklusive des nördlichen Saint Estèphes, immer etwas benachteiligt. Feuchte und kühle Jahre funktionieren auf diesen neben Kies auch sand- und lehmhaltigen Böden nicht ideal. Aber der Wandel zum Mediterranen, speziell seit 2015, führt dazu, dass einige der Weingüter dieses Gebiets heute im Grunde klassifiziert gehörten, weil sie so großartige Weine hervorbringen. Weingüter wie Clos Manou würden sicherlich sogar in der Phalanx der viert- und drittklassifizierten Châteaus mitspielen. So sehr überwiegt die dramatisch gute Weinbergsarbeit gegenüber dem früheren Nachteil der Terroirs, der sich heute in den trockenen mediterranen Jahren zum Vorteil gewandelt hat. Haut-Maurac gehört Olivier Decelle, dem auch Château Jean Faure in Saint-Émilion gehört. Der Großteil der 24 Hektar umfassenden Weinberge liegt an den Hängen von Mazailes, mit Blick auf die Gironde. Der nächste Ort ist Saint-Yzans. Es ist derselbe Boden wie auf Clos Manou. Die Reben auf Haut Maurac sind inzwischen im Durchschnitt 35 Jahre alt, mit 6200 Stöcken pro Hektar relativ dicht gepflanzt. Produziert werden rund 35 Hektoliter pro Hektar, also weit unter einem Kilo pro Stock. 60 Prozent Merlot, 40 Prozent Cabernet Sauvignon. Man findet hier die einfache Guyot-Erziehung bei den jungen Nachpflanzungen. Ansonsten teilweise auch doppelter Guyot und Einzelstockerziehung bei den alten Reben. Die Ernte und die Vinifikation erfolgen Plot für Plot. Alle Trauben werden nach der Ernte auf einem Sortierband im Weingut nochmals nachselektioniert. Danach erfolgt die Vinifikation im temperaturgesteuerten Stahl, mit nur wenig Pigeage und Remontage. Der Ausbau geschieht zu 60 Prozent in großen Holzfässern und zu 40 Prozent in Barriques, von denen nur ein kleiner Anteil neu ist. Es werden ungefähr 100.000 Flaschen erzeugt. Haut-Maurac hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren nochmals weiterverbessert und ist inzwischen direkter Verfolger der beiden nördlichen Superstars Clos Manou und Château Carmenere. Auch knapp hinter Château Doyac, aber mit Charmail und Du Retout in der direkten Verfolgergruppe der besten Weine des Médoc und des Haut-Médoc überhaupt. Sociando Mallet und La Lagune, die ehemaligen Superstars, wie auch andere arrivierte und klassifizierte Crus, haben sich einfach in den letzten Jahren nicht weiterentwickeln können – oder weiterentwickeln wollen. Die kleinen besitzergeführten Weingüter auf den nun im Klimawandel besseren Terroirs sind einfach im Vorteil.