Lobenberg: Valdegines ist zwar nicht von der Sonne verwöhnt und immer sehr schlank, aber es ist immer mein Lieblingswein der Crus bei Artadi, eben weil es der schlankeste ist, denn er liegt in reiner Ostexposition gegenüber von La Poza de Ballesteros. Wir haben mehr Schatten, es ist kühler. Zusammen mit dem Wechsel im Ausbau bei Artadi erfährt diese Finesse nochmal einen weiteren Schub. In der Nase wie ein eleganter Finesse-Sangiovese aus Südexposition, aber ein dichter, intensiver Sangiovese mit Schlehe, Kirsche und Sauerkirsche, dazu Holunder und Würze aus weißem Pfeffer. Eine Fracht an Salz und ein wenig säurebeladene Himbeere – ein Touch auch wie Loire Cabernet Franc. Das Ganze ist unglaublich poliert und tänzelnd. Aber wir sind hier in der Assoziation nicht im Burgund, sondern eindeutig in der Toskana und Loire, in dieser unendlichen Feinheit von Spitzenklasse Sangiovese aus Hochlagen. Auch der Mund ist eher typisch für Sangiovese mit dieser hohen Säurefracht, mit dieser Schlankheit und Rotfruchtigkeit. Das ist die pure Finesse eines Erzeugers wir Isole e Olena – tänzelnd, fein und verspielt. Graphit, Kalkstein und Salz kommen zur Schlehe und zur Sauerkirsche dazu. Das Ganze bleibt schlank, die Tannine sind total seidig. 2024 ist das erste Jahr mir der abgeschlossenen Veränderung in Richtung frühere Lese und NULL % Neuholz. Das ist phänomenal, das ist Cool Climate Sangiovese aus 1000 Metern Höhe! Und mit der roten Frucht hat das auch einen Hauch Assoziation an toskanischen Cabernet aus Hochlagen. Bolgheri lässt grüßen. Sehr schick, kein Riese, nicht zum Niederknien, sondern einfach nur Finesse – ein Zechwein mit grandioser Frische und tänzelnden Gerbstoffen! Sehr anders als bis 2021, der aber vom Klima und Wetterverlauf viel Ähnlichkeit mit 2024 hat. 2024 ist viel deutlicher im cool-climate und dramatischer Eleganz als der opultentere 2023 oder der grandios tanninreiiche 2022. Der Jahrgang entspricht dieser kühlen Lage total und so ist dieses Jahr das Jahr 1 in der neuen Zeitrechnung in Sachen Lese und Ausbau. *** Valdegines liegt in Laguardia und ist eine reine Ostexposition an einem Steilhang. Deshalb immer mit einer kühlen Stilistik und sehr delikaten Tannine. 4,1 Hektar mit 100 Prozent Tempranillo, 1989 gepflanzt. In der Mitte des Tals liegt ein kleiner Bach, und auf der anderen Seite der etwas früher gepflanzte La Poza de Ballesteros in kompletter Westexposition. Beide Weinberge mit Kalkstein, Lehm und viel Sandauflage im Boden. Also sehr feine Weine. Der Unterschied liegt in der Sonnenexposition, was zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führt. *** Erstmals mit dem Jahr 2022 hat der seit 15 Jahren heiß herbeigesehnte Wechsel in Vergärung und Ausbau bei Artadi stattgefunden. Vollendet wird dieser Wechsel jedoch erstmalig zum kühlen Jahrgang 2024, der in Spanien so sehr dem grandiosen Jahrgang 2021 entspricht. Ab 2024 wird grundsätzlich früher gelesen um Frische und Finesse zu erhalten und um jegliche Marmeladigkeit in der Tempranillo zu vermeiden, Alkoholgrade deutlich unter den früheren 14 oder 15 Grad sind das Ziel. Nach der nun deutlich auf nur noch 8 bis 12 Tage verkürzten Vergärung (damit der entstandene Alkohol die bitteren Tannine nicht aus den Kernen und Schalen holen kann) im großen Holztank oder auch Inox wird sofort umgezogen, die Malo findet dann in den 600 Liter-Holzfässern statt. Alles wird in Demi-Muids (600 Liter) und ein kleinerer Teil in Tonneaux (500 Liter) ausgebaut. Alles in gebrauchtem ein- bis dreijährigem Holz. Barriques und neues Holz sind ganz raus. Schon nach acht Monaten gehen die Weine in 3000-Liter Holzfuder. Danach folgt der Umzug nach sechs bis acht Monaten in den Stahltank. Dieser radikale Wechsel in Ausbau und Vergärung führt bei Artadi dazu, dass der Holzeinfluss dramatisch reduziert wird. Die Frucht und das Terroir stehen jetzt deutlich im Vordergrund. Schade eigentlich, dass es 15 Jahre gedauert hat, bis der Besitzer Juan Carlos und sein französischer Winemaker Jean-Francois einsichtig wurden. Dazu brauchte es erst die zahlreichen Reisen des Sohns Carlos durch die Weinwelt. Artadi beschreitet nun den Weg hin zum eindeutigen Terroirabdruck und zur totalen Finesse mit kühler Frucht und seidigem Tannin, der nun in Bordeaux, aber auch in der Rioja gegangen wird. Fette Frucht, Marmelade, hoher Alkohol, Holz und sehr extrahierte Tannine sind out. Jetzt zählen nur noch Feinheit und Finesse.