Riesling 1896 Erste Lage 2022

Carl Loewen: Riesling 1896 Erste Lage 2022

Holzkiste

Zum Winzer

97–100
100
2
Riesling 100%
5
weiß, trocken
12,0% Vol.
Trinkreife: 2030–2058
Verpackt in: 6er OHK
9
mineralisch
unkonventionell
fruchtbetont
3
Lobenberg: 97–100/100
Suckling: 98/100
6
Deutschland, Mosel Saar Ruwer
7
Allergene: Sulfite, Abfüllerinformation
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Riesling 1896 Erste Lage 2022

97–100
/100

Lobenberg: An einem Tag gelesen. Dieser Wein ist in vielerlei Hinsicht ein Kuriosum. Zuallererst einmal in der Bezeichnung. Der Wein kommt aus dem gleichen großen Weinberg wie der Herrenberg Großes Gewächs, aus dem unteren Teil mit den 1896 gepflanzten wurzelechten Reben in Einzelstockerziehung. Es darf aber ja bim VDP nicht zwei GGs aus einer Lage geben. Peter Jakob Kühn hat sich damit geholfen, seine Topweine Unikate zu nennen, was ich im Grunde verständlicher finde als diese Version von Carl Loewen, zumal es ja auch eine Erste Lage 1896 gibt. Der nur 1896 heißende Wein ist auf jeden Fall ein Experimentalwein, der hergestellt wird wie vor 100 Jahren. Hier kommt aber auch das beste Lesegut aus dem dritten Lesedurchgang des Herrenberg GG mit dazu. Die Verarbeitung geschieht wie vor 120 Jahren in reiner Handarbeit. Die mit der Hand gelesenen Trauben werden mit der Hotte zu den Traubenbütten auf dem Anhänger getragen. In der Bütte werden die Trauben unentrappt sofort mit den Füßen eingestampft, direkt noch auf dem Anhänger, damit der Saft austritt und die Mazeration der Trauben beginnt. So können die Aromen der Trauben voll aufgeschlossen werden. Am Abend des Erntetages beginnt erst das Keltern. Hierfür konnte das Weingut eine alte Korbkelter erwerben, die mit der Technik des vergangenen Jahrhunderts arbeitet. Mit Muskelkraft wird gekeltert, und zwar über die ganze Nacht in einem Durchgang, ohne erneutes Aufscheitern. Der Most wird ohne Sedimentation direkt ins Fuder gegeben. Die Gärung erfolgt spontan mit traubeneigenen Hefen. Über diesen langen Prozess ergibt sich dadurch automatisch eine relativ lange Maischestandzeit und dadurch eine gewisse Phenolik. Der Wein verbleibt bis zum nächsten Sommer komplett auf seiner Vollhefe, geschwefelt wird erst sehr spät. Die Vergärung geschieht im ältesten Holzfass des Weinguts von 1960, um jeglichen aromatischen Holzeinfluss zu vermeiden. Der Boden dieses 1896 ist – wie im Herrenberg – roter Schiefer, und er verfügt über eine besondere Wärme. Das einzige Manko hier ist, dass es immer nur ein einziges Fass ist. Das ist das Fass aus dem die Loewens am liebsten mal ein Gläschen abzapfen während des Ausbaus, weil es so faszinierend und packend ist. Man kann sich schwer davon losreißen. Gelbe und rote Frucht spielen wild durcheinander, dann wird es blumiger, dann wieder steiniger, sehr komplex und vielschichtig. Der 2022er ist druckvoll und intensiv, aber absolut nicht laut, so unglaublich geschliffen und elegant. Dennoch hat er diese gewaltige Frucht vom Rotschiefer, diese fast opulente Aromatik, die dennoch so fein und schwebend ankommt. Ich bin sehr angetan von diesem wunderschön dichten und gleichzeitig eleganten Naturwein. Ein großer Wein, der die Natur und den Genießer mitnimmt. 97-100/100

Jahrgangsbericht

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland. Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst. Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität. Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht. Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert. Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin. Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

98
/100

Suckling über: Riesling 1896 Erste Lage

-- Suckling: Extremely complex nose with lemon zest, fresh pineapple and spicy aromas. Just a whiff of caramel. Rich and very concentrated, the palate creamy at the front and silky at the back, making this very easy to drink now. The finish is at once stony and filigree. However, this is still at a very early stage in its life, so writing a long list of adjectives would give entirely the wrong impression of this unique wine. Vegan. Drink or hold. 98/100

Mein Winzer

Carl Loewen

Stuart Pigott, der wohl neben Stephan Reinhardt (Parker) bekannteste Weinjournalist mit dem Schwerpunkt "Deutsche Weine", erklärte das Weingut Carl Loewen in der FAZ im November 2017 zum Liebling des Jahres.

Riesling 1896 Erste Lage 2022