Lobenberg: Erstmalig mit diesem Jahrgang 2018 haben Vater und Sohn Tardieu zusammen mit ihrem Vertragswinzer in Crozes Hermitage und Saint Joseph beschlossen, den kleinsten und kühlsten Teil des Weinbergs mit den ältesten Reben und dem härtesten Terroir separat zu lesen und zu vinifizieren. 3 Weine haben sie als »selection parcellaire« auf diese Art gemacht und sie nennen das Projekt 'Le Gout du Lieu' - Der Geschmack des Terroirs! Von jeder »selection parcellaire« gibt es nur 600 Flaschen für den weltweiten Markt. Die Saint Joseph Einzellage 'Chanson' ist sehr speziell und fast multipel, hier darf man sogar Viognier anpflanzen und dann heißt der Stoff Condrieu. Also eine Grenzgänger-Lage auf reinem Granit. Die winzige Parzelle für diese nur 600 Liter liegt kühl und hoch und die Sirene-Reben (auch Petit Syrah genannte kleinbeerige Syrah) sind schon über 100 Jahre alt und wurzelecht! Biologisch bearbeitet. Zur Hälfte als Ganztraube mit Stilen und Stängeln in die Vergärung im kleinen Holz. Nach der behutsamen Abpressung weitere 24 Monate auf der Feinhefe ausgebaut, keine Bâtonnage. Danach weitere 6 Monate in der Sandstein-Amphore finalisiert und dann ungeschönt und unfiltriert gefüllt. Der Saint Joseph zeigt etwas mehr Frische, auch aus den 50% Ganztrauben überwiegend aus der über 100-jährigen Sérine. Die Nase zeigt wie der Crozes auch die unglaublichen Fleischmengen, Blut, gerösteter Speck, so dicht, so wuchtig, so schiebend. Dahinter dunkle, süße Lakritze, Brombeere, süße Maulbeere, etwas Cassis, Holunder und an Schiefer erinnernde Gesteinsmassen, anders kann man das nicht sagen. Die Nase ist ein schiebendes Ereignis und dennoch ist der Saint Joseph noch etwas mehr mit roter Frucht unterlegt als der Crozes. Im Mund ist der St Joseph wie auch der Crozes ein Ereignis der besonderen Art, ein ganz anderer Wein. 2018 ist nicht zu vergleichen mit allen vorherigen Jahrgängen, die ich bisher probiert habe. So wie es im Bordelais eine Jahrgangsreminiszenz an 1982 war, so haben wir an Nord- und Südrhône auch einen Jahrgang, der in den letzten 20 Jahren keine vergleichbaren Vorläufer hat, weil er einfach so reich ist. Dieser St Joseph hat so viel Schub, so eine hochkonzentrierte Frucht, ist nicht marmeladig und trotzdem süß und schiebend. Eingekochte rote Pflaume mit Wildbrombeere, das Ganze mit Lakritze und heller Schokolade angerührt, dicht, drückend, schiebend, präsent und gar nicht mehr aufhörend. Das Faszinierendste ist dabei aber sowohl der unerwartet niedrige Alkohol und die noch über die Mineralität und Frische dominierende Blumigkeit. Faszinierende Massen von blauduftigen, seidigen Veilchen, Rosenblüten und Trockenblumen. Das schwingt ultrafein über der roten Frucht und Power und macht aus dem Syrah fast einen Bonnes Mares aus Morey Saint Denis oder einen Clos de la Roche. Das ist ein Jahrhundertjahrgang an der Nordrhône, aber einer der nichts mit den verspielten, frischen Jahren wie 2016 zu tun hat, sondern ein Jahr von dem die Leute in 50 Jahren noch reden werden, nach dem Motto: Wisst ihr noch, damals 2018…? Es ist diese Art feinster und verspielter Blockbuster, ein intensiver, reicher und doch verspielter Wein, der mindestens 5 bis10 Jahre weggesperrt gehört. Eine andere Dimension, nicht zwingend besser, sondern einfach nur anders als alles, was ich bisher an der Rhône probiert habe. Zwischendurch sind viele Minuten vergangen und dennoch haftet der Wein immer noch im Mund. Michel Tardieu selbst beschreibt das Jahr als eine Mischung aus der Reichhaltigkeit von 2009 und der Dichte und Feinheit von 2010, es gibt kein einzelnes Jahr das vergleichbar wäre. Das ist eine neue Art Nordrhône, eine neue Art St Joseph. Mein Gott, wie beeindruckend ist das denn?! Die Nordrhône scheint 2018 bei den besten Erzeugern Weine fürs Vererben hervorzubringen. Diese winzige Cuvée ist wohl das Beste, was ich je aus Saint Joseph probieren durfte und der Beweis, dass die Granitböden von Saint Joseph in der allerobersten Spitze mit Cote Rotie mithalten können, wenn auch stilistisch etwas wärmer und viel feiner und zarter und noch mehr in roter Frucht unterwegs, was aber keineswegs ein Genuss-Nachteil ist. 100/100 ***