Lobenberg: Seit Richard Grosche mit an Board ist bei Wegeler hat sich der Stil des Hauses zum positiven verändert – 2021 ist der erste Jahrgang bei dem das dann auch direkt deutlich wird. Es geht schon ein klein wenig in die alte buhl’sche Stilistik unter Grosche-Kauffmann, also trockener, schlanker, präziser und lägerer Hefekontakt ohne Schwefel. Es ist schon im ersten Jahr ein klarer Stilwandel zu erschmecken und auch höhere Präzision und zugleich etwas mehr Laissez-faire. Das ist schon erstaunlich. Die berühmteste Lage der Mosel, direkt oberhalb von Bernkastel gelegen. Brutal steil und karg, Schiefer pur. Alles Einzelpfahl. Von Lieser, Thanisch über Molitor tummeln sich hier einige der Stars der Mosel. Wegeler hat – im Gegensatz zu den gepachteten Flächen von Molitor und Lieser – allerdings schon lange einen ausgedehnten Besitz an besten Parzellen hier, zudem den historischen Doktorkeller direkt unter dem Berg. Irre Mineralik schon im Duft, pures Gestein, nasser Ton, klar wie eine Eifelquelle. Diese kristallklare Puristik setzt sich auch im Mund fort, viel Druck, wow, da ziehen sich die Augen zusammen so viel Schiefer und Salz rauschen da durch. Dann schieben Mirabelle mit Orangenschalen und Mandarinen nach, auch die bitterfrische Herbheit von Grapefruit. Der Speichelfluss ist kaum zu unterdrücken, sehr pikant, würzig, pfeffrig, intensiv. Doctor eben. Immer ein monumentaler Wein! 96-98/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.