Lobenberg: Laut Tim Fröhlich ist 2024 ein Mega-Jahr, fast zu schön, um wahr zu sein. Dort, wo es keine Frostschäden gab, war es so trügerisch gut, sodass man aufpassen musste, sich nicht in zu großer Sicherheit zu wiegen. Perfekte Trauben in Bockenau, nur in Schloßböckelheim gab es herbe Verluste, Felsenberg ist sehr wenig, Kupfergrube ist ein Totalausfall. Der Sommer war moderat, nicht zu heiß, mit genug Regen, dass immer Wasser im Boden war. Da Tim den Pflanzenschutz im Griff hatte, war es im Grunde relativ entspannt über den Sommer, der dann zur Reife hin nochmal etwas abgekühlt ist. Die Lese begann erst Ende September, für Riesling sogar erst Anfang Oktober, also eine eher späte, quasi »normale« Lese. Sehr hoher Arbeitsstunden-Aufwand mit Entblätterung und Pflanzenschutz zur richtigen Zeit, dafür konnten annähernd perfekte Trauben gelesen werden. Zudem sind die 2024er Rieslinge, die ersten, die im neuen Weingut gekeltert und vinifiziert wurden. Das erlaubt noch mehr Präzision und Fokus, weil dort alles genau nach Tims Vorstellungen und Arbeitsweise perfekt geplant wurde. Mehr geht dann wirklich nicht mehr. Tims GG stammt aus einem der ältesten Plots im Frühlingsplätzchen, sehr steil und felsig. Mit die ältesten Reben, die Tim Fröhlich überhaupt hat – an die 60 Jahre. Aus dem steilsten Kernstück des Frühlingsplätzchens, sehr felsig. Tief unten hängende Trauben. 2012 hat er den Weinberg so umgestellt. Neue Pfähle, neue Drahtrahmen, Laubwand etwas weiter nach oben gezogen. Purer Rotschiefer, richtige harte verwitterte Schieferplättchen. Man merkt dem Frühlingsplätzchen an, dass das der kargste Teilbereich ist. Dennoch hat der Rotschiefer immer etwas expressivere, charmantere Frucht. Der 2024er hat eine dunkle, packende Würze, Rauch, Flechten auf nassem Stein, roter Weinbergpfirsich, Grapefruit. Es gab keinerlei Trockenstress in 2024, daher ist es auch fließender und feiner in der Struktur als die blockigen 2022er. Die Präzision des Frühlingsplätzchens ist irre, da musste man schon extrem auslesen, das war brachiale Handarbeit durch die frostgeschädigten Parzellen. Da es in Fröhlichs Haupt-Weinberg, dem Felseneck, aber keinen Frostschaden gab, konnte er mehr Manpower in das Frühlingsplätzchen stecken. Das ist schon ein ziemlich wilder Stoff, straff, spontiwürzig, reduktiv. Nicht so floral und duftig wie es an der Mosel ist, sondern hier an der Nahe durch die Quarzitadern ist es ernsthafter, kühler, stringenter. Das ist in 2024 schon ziemlich aufregend, fast so wild wie normal eher die Schloßböckelheimer Lagen sind. Chapeau, das ist brachial gut.
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!