Scarzello Giorgo e Figli: Langhe Nebbiolo 2022

Scarzello Giorgo e Figli: Langhe Nebbiolo 2022

Zum Winzer

Nebbiolo 100%
rot, trocken
14,0% Vol.
Trinkreife: 2025–2038
frische Säure
pikant & würzig
strukturiert
Lobenberg: 94–95/100
Suckling: 91/100
Italien, Piemont
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Langhe Nebbiolo 2022

94–95
/100

Lobenberg: In diesen Langhe Nebbiolo gehen sowohl die Trauben der jungen Reben der Barolo Cru Lage Sarmassa und der auf auf 550 Höhenmetern gelegenen Lage Sinio, sowohl als auch aus einer 50 Jahre alten Parzelle in Madonna di Como, die auf 500 Höhenmetern in den Hügeln bei Alba liegt und von der Familie gemietet wird. Zudem werden ab dem Jahrgang 2022 auch Trauben aus der Lage Bricco delle Viole in Vergne, die durch die Familie Vajra Berühmtheit erlangte zugekauft. Bei Scarzello wird auch der Einstieg mit Anspruch gemacht, das heißt 100 Prozent Handlese, Gärung mit wilden Hefen, dann 20 bis 25 Tage Mazeration auf den Traubenschalen und anschließender 12-monatiger Ausbau in 5.000, 3.000 und 2.500 Liter fassendem Holzfässern und einigen 500 Liter fassenden Eichen Tonneaux. Alle Lagen werden separat ausgebaut bis der Blend kurz vor der Abfüllung gemacht wird. Vor dem Release bekommt selbst der Nebbiolo noch sechs Monate Flaschenlager. Brillantes, zartes Rubinrot im Glas. Die Nase dieses kleinen Nebbiolo ist fruchtklar, intensiv erdig und zugleich seltsamerweise zart. Eine Art aufgepimpter Chambolle-Musigny! Saftige, reife Kirschen, Himbeeren und duftige, wilde Walderdbeeren mit einem Hauch Vanille. Nach und nach kommen dezent saure Noten wie Hibiskus und ätherische Kräuter, etwas Weihrauch, Teer, schwebendes Himbeerblatt, Orangenabrieb, Salbei und duftendes Heu hinzu. Wow, in diesem kleinen Wein geht aromatisch so richtig die Post ab! Die fein-rauchige Erdigkeit ist herrlich verwoben. Im Mund krabbeln feinkörnige, reife, aber dennoch strukturierte, griffige Tannine über die Zunge. Verspielt und ätherisch komplex, hat der Wein eine trink-animierende Frische. Die reife rote Kirschfrucht hinterlässt zartbittere Kräuteraromen eines Amaro Likörs. Im Nachhall kommen Hagebutten und Cranberry dazu. Der Wein vibriert vor Frische und salziger Mineralität – ich bekomme sofort Lust auf den nächsten Schluck. Dieser Nebbiolo ist eine kleine Verführung und ein fabelhafter Einstieg in die Weine dieses (noch!) unbekannten Weinguts. Saftig strukturiert und mit genialer Komplexität. Alle Achtung – das ist einer der besten Langhe Nebbiolo der Region!

Jahrgangsbericht

2022 war in ganz Europa ein von Hitze und Trockenheit geprägter Jahrgang. Im Piemont fiel bereits im Winter 2021 kaum Schnee, und es regnete lediglich im Mai und dann wieder im August in sehr kleinen Mengen, was ein wenig zur Erleichterung der Reben beitrug. Vom Austrieb bis zur Lese verlief die Wachstumsperiode ungefähr zwei bis drei Wochen früher als im Durchschnitt. Dieses Jahr war also von extremem Wetter gezeichnet, aber glücklicherweise war es sehr regelmäßig und konstant heiß und trocken – vom Austrieb bis zur Weinlese während des »Indian Summer« – und es gab keine Hitzespitzen. Da die Trockenheit nicht plötzlich eintrat, bildeten die Reben dementsprechend kleinere Blätter und weniger Trauben aus. Vielleicht kamen sie deshalb so erstaunlich gut mit diesen erschwerten Bedingungen klar, weil sie sich seit dem Frühling langsam an diese Situation »gewöhnen« konnten.2022 kann unmöglich generalisiert werden, und jeder Wein verdient es, einzeln betrachtet zu werden. Die etwas kühleren Höhenlagen im Piemont sind häufig auch von durchlässigeren Böden geprägt und dieses Jahr aufgrund der Trockenheit deshalb nicht automatisch besser. So sind 2022 ton- und lehmhaltige Böden mit besserem Wasserhaltevermögen deutlich vorteilhafter als sandigere. Die sonst »besten« Cru-Lagen zeichnen sich durch ihre besonders »perfekte« Ausrichtung zur Sonne und somit noch wärmeren Temperaturen aus. Auch das Alter der Reben und die Herangehensweise jedes Weinguts in den Weinbergen konnte einen entscheidenden Unterschied machen. Wurde durch sanftes Entblättern der Sonnenschutz gewährleistet und die Böden nicht unnötig durch Pflügen geöffnet, was zum stärkeren Verdunsten von Wasser führt, hatten es die Reben bedeutend leichter. Aufgrund der Trockenheit bestand kein Krankheitsdruck, es gab weder Pilzkrankheiten noch Fäulnis, was die Arbeit während der Wachstumsperiode auch erleichterte. In Summe brachten die berühmtesten Lagen 2022 nicht automatisch die besten Weine hervor, wohl aber die kühleren und lehmigeren Böden mit gutem Wasserspeicher der »alten« Terroirs aus Castiglione, Serralunga und Monforte d’Alba, teilweise auch Verduno. 2022 ist laut Aussage von Luca Currado-Vietti vom qualitativen Potenzial her riesig, im Ergebnis aber wegen zweier fehlender Regenschauer im August und September und zwei Grad zu hoher Spitzentemperatur haarscharf unterhalb eines Jahrhundertjahrgangs hängen geblieben. Die Winzer, die viel Zeit in die Weinberge investierten und zudem bereits vor oder bei der Lese gnadenlos aussortiert haben, brachten die beeindruckendsten Weine hervor. Was nicht perfekt oder gar vertrocknet war, gelangte gar nicht erst in den Gärtank. Im Durchschnitt bedeutet das 15 bis 40 Prozent kleine Erträge gesunder und konzentrierter Trauben. Im Keller musste aufgrund des höheren Verhältnisses von Traubenschalen zum Saft sanft extrahiert werden; der Ausbau erfolgte oft ein paar Monate kürzer als sonst und somit etwas reduktiver, um die Frische der Weine zu bewahren.Der Jahrgang 2022 hat einen wunderbaren »Überraschungseffekt«, denn wer überreife Weine erwartet hat, wird das Gegenteil im Glas finden! Die Trockenheit bremste. Aber seit im Jahrgang 2003 ebenfalls Hitze auf Trockenheit traf, haben die Winzer viel dazu gelernt. Was bereits bei den Bordeaux Primeur Proben des Jahrgangs 2022 deutlich wurde, stimmt auch im Piemont: In der Spitze kann 2022 enorm was! Die Weine sind so konzentriert wie 2017, aber mit deutlich mehr Frische ausgestattet. Aromatisch sind sie herrlich intensiv und bereit, eine unwiderstehliche Performance abzuliefern. Die Struktur der Tannine hängt dabei von den oben genannten Faktoren ab. Es gibt strukturiertere Weine, die aber durch ihre Fruchtbalance dennoch meist durchaus harmonisch sind. Ich versichere, dass mit Offenheit ausgestattete Nebbiolo-Liebhaber dieses Jahr mit der ein oder anderen Neuentdeckung belohnt werden, denn 2022 gibt es durchaus viele hervorragende und gar überragende Weine im Piemont, auch wenn 2021 sicher über alle Regionen gesehen harmonischer und gleichmäßiger in seiner Weltklasse rüberkam.

91
/100

Suckling über: Langhe Nebbiolo

-- Suckling: Orange rind, sour cherries and dried flowers on the nose. It’s medium- to full-bodied, bright and crunchy with fine, tight tannins and a pretty finish. Drink now or hold.

Mein Winzer

Scarzello

Das Weingut Scarzello ist der direkte Nachbar von Bartolo Mascarello. Auch stilistisch verfolgt die Familie dieselbe Philosophie und trotzdem ist das Anwesen erstaunlicherweise (noch!) ein gut gehütetes Geheimnis.

Langhe Nebbiolo 2022