Lobenberg: Pechstein, der zweite große Star neben dem Kirchenstück. Das typische vulkanische Basaltgestein der Über-Gemeinde Forst ist hier im Pechstein mit dichtem Ton und Sand vermischt. Im 21er verblüfft mich die Nase etwas. Das hat einerseits definitiv die mystische Rauchigkeit, die so typisch ist für diese Lage. Feuerstein und dunkle Erdigkeit. Dann kommt aber so eine Klarheit, eine an reinen Kalkstein erinnernde, helle Mineralität dazu. Muschelschale und Meeresbrise, reife Limette und grüner Apfel mit Kräutern umrahmt. Wirkt fast wie Chablis Grand Cru in dieser Reinheit bei gleichzeitiger Erhabenheit. Eine sehr elegante Nase, deutlich weniger auf Frucht gebaut als die Deidesheimer Lagen, eleganter, etwas kühler und zugeknöpfter wirkend, wie das oft mit Forst der Fall ist. Die Mineralität dominiert. Die Frucht ist eher reduziert, nur ein Hauch von Zitruszesten, schlanke gelb-grüne Frucht. Der Mund kommt dann schön scharf geschliffen, aber zugleich total fein und elegant. Die Säurestruktur ist erhaben und samtig, dennoch vibrierend bis in den langen Abgang. Dramatischer Spannungsbogen, kernig und saftig in der Mitte, dann wieder zupackend salzig und mit rauchig-feiner Zitrusfrucht. Das ist straight, das ist pur und karg, zupackend und nimmt einen wirklich mit. Beeindruckend, aber anspruchsvoll und straff. Die Lage Pechstein ist auch 2021 einfach wieder ganz grandios. 98-99/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.