Lobenberg: Dieser Chardonnay*** wurde erstmalig 2017 auf den Markt gebracht, er stammt aus einer etwas älteren Rebanlage in Bickensohl. Die originale Lagenbezeichnung ist eigentlich »Mistgraben« – Chardonnay*** klingt dann aber doch etwas eleganter. Es ist sein Herzstück, seine Parzelle mit dem größten Potenzial für diese Rebsorte. Der Boden ist hier zwar tiefgründig und nährstoffreich, aber der hohe Lössanteil speichert Wärme und bringt genau jene Finesse und innere Dichte, die Holger sucht. Und weil der darunterliegende Kalkfels – ganze vier Meter unter der Oberfläche – von den Wurzeln kaum erreicht wird, bringt Holger seit Jahren Vulkangesteinsmehl ein. Nicht, weil er es muss. Sondern weil er überzeugt ist, dass große Chardonnay-Stilistik nicht vom Zufall kommt. Der Boden soll nicht einfach nur tragen – er soll sprechen. Und genau das tut er hier immer deutlicher. 2024 war ein kühleres Jahr, mit mehr Leichtigkeit und weniger Kraft als 2023, aber dafür mit noch mehr Finesse. Kein Frost, aber am letzten Aprilwochenende immerhin etwas Graupel, der die jungen Triebe zum Glück verschonte. Ende Mai dann einige kühlere Nächte – in der Folge eine recht deutliche Verrieselung. Die Erträge blieben unter dem Durchschnitt, aber das kam Holger gerade recht. Kleine, lockerbeerige Trauben, hoch aromatisch, in perfektem Gleichgewicht aus Zucker und Säure. Gelesen mit maximaler Präzision, spontan vergoren in einem 600 Liter Stockinger-Fass, auf der Vollhefe ausgebaut. Die Nase ist wunderbar kühl und kräutrig, glockenklar, fast asketisch. Zitronenmelisse, ein Hauch Zitronengras, dazu weißer Tee, frischer Ingwer, etwas Kamille und ein Touch von Selleriesalz und Fenchelsaat. Dahinter helle Steinfrucht, Mirabelle, ein bisschen Birne, auch etwas Apfelkompott vom Boskoop, ganz zart geröstete Haselnuss, nur ein klitzekleiner ein Hauch von Rauch, aber alles bleibt zurückhaltend, nie laut, nie vordergründig. Am Gaumen zeigt er sich karg, präzise, fast salzig – ein Chardonnay ohne Pomp, aber mit einer vibrierenden inneren Energie. Die Frucht bleibt schlank, klar, gelbfruchtig, von Aprikose über Grapefruit bis zu einem Hauch Quitte, getragen von einer feinen phenolischen Struktur und dieser leisen, aber spürbaren Mineralität, die Holger mit dem Vulkanmehl förmlich in den Boden gegraben hat. Der 2024er hat fast etwas Meditatives – er wirkt nicht sofort zugänglich, aber er belohnt Aufmerksamkeit mit Tiefe und Länge. Nichts ist vordergründig, nichts laut und doch bleibt er lange haften. Ein Chardonnay, der sich nicht anbiedert, sondern aufrichtig bleibt. Feingliedrig, klar, kalkig. Vielleicht nicht so saftig wie 2023, aber mit mehr Fokus, mehr Präzision, mehr Stringenz. Und damit vielleicht sogar noch näher dran an dem, was Holger Koch wirklich will. Große, leise Burgunderstilistik aus dem Kaiserstuhl. Ganz stark.
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!