Hanspeter Ziereisen: Grauer Burgunder MUS (ehemals Musbrugger) 2022

Hanspeter Ziereisen: Grauer Burgunder MUS (ehemals Musbrugger) 2022

Zum Winzer

Grauburgunder 100%
weiß, trocken
13,5% Vol.
Trinkreife: 2025–2035
exotisch & aromatisch
mineralisch
Lobenberg: 93–94/100
Falstaff: 92+/100
Deutschland, Baden
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Grauer Burgunder MUS (ehemals Musbrugger) 2022

93–94
/100

Lobenberg: Die Reben für diesen Ziereisen Wein wurden in den 70er Jahren gepflanzt. Reiner Kalkstein mit Lehm-Löss-Eisen-Auflage. Maischestandzeiten mindestens über Nacht, manchmal auch etwas länger, dann wird ganz vorsichtig und langsam mit Sauerstoffkontakt abgepresst. Spontanvergoren und ausgebaut im 600 Liter Halbstückfass in dritter und vierter Belegung, also nur minimaler Holzeinfluss. Die Phenolik kommt durch, auch das Alter der Reben ist bemerkbar, der Musbrugger ist qualitativ schon in der Einflugschneise des Jaspis Grauburgunder aus gleichem Hause, der meines Erachtens nach der beste Grauburgunder der Welt ist. Und dieser Musbrugger nähert sich dem mit großen Schritten, es gibt kaum einen anderen Grauburgunder in Deutschland dem ich diese Klasse attestiere. Ja natürlich hat der Musbrugger auch ein kleines bisschen von den Apfelnoten, eine erdige Würze aus dem Boskoop, auch etwas Birnenschale, eine zarte Holznote und leichte Phenolik. Aber für einen Grauburgunder ist der Duft eher dezent, sehr reduziert und mineralisch geprägt. In der Nase wirklich rauchig. Diesen Wein in einer Blindverkostung für einen Meursault zu halten wäre keine riesige Überraschung. Er hat auch ein bisschen Pfirsich, aber alles moderat, durch den oxidativen Ausbau ist die Frucht eher zurückgenommen. Sehr schick, auch im Mund diese Burgunder-Art, diese fast an Feinheit von Chardonnay herankommende Geschmeidigkeit, leichter Schmelz aus dem Holz, phenolische Griffigkeit, schöne Länge, Birne, Quitte, etwas grüne Aprikose, schöne Kalkmineralik darunter. Charmante Frucht und eine feine, anschmiegsame Art. Im Nachhall wird es sogar etwas rotbeerig. Nein, das ist dennoch kein Meursault, das ist nicht ganz in dieser Liga, aber das ist für Grauburgunder dennoch unglaublich fein und hat viel Salz hintenraus. Ziereisens Grauburgunder oberhalb des Gutsweins sind mit nichts in Deutschland zu vergleichen, da bin ich absolut sicher.

Jahrgangsbericht

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland. Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst. Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität. Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht. Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert. Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin. Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

92+
/100

Falstaff über: Grauer Burgunder MUS (ehemals Musbrugger)

-- Falstaff: Eine helle rötlich-goldene Farbe. Dezent würziges Holz, aber auch Apfel, rote Johannisbeere, noch recht verschlossen. Im Mund zeigt sich ein dichter Bau, eine hohe Menge feinkörniger Phenole trifft auf eine intensive Extraktsüße und auf eine lebendige Säure, der Wein endet mit Spiel und mit einem kompakten, konzentrierten Extraktkern.

Mein Winzer

Hanspeter Ziereisen

Den in Mischwirtschaft betriebenen Hof seiner Eltern wollte der gelernte Zimmermann Hanspeter Ziereisen zunächst nicht weiter führen, zu mühsam war der Broterwerb als Landwirt im Spargeldominierten Markgräflerland.

Grauer Burgunder MUS (ehemals Musbrugger) 2022