Lobenberg: 2021 ist der erste Jahrgang für diesen Wein. Er stammt komplett aus dem Kallstadter Steinacker, also im Grunde eine Erste Lage. Die Reben stehen hier auf einem kleinen Plateau, was die Familie John gänzlich allein bewirtschaftet. Ein uraltes Riff aus purem Kalkstein. Die Johns haben hier teils alte Stöcke aus den 80er Jahren übernommen, teils nachgepflanzt und auch umveredelt. Es gibt nur ein Barrique von diesem Erstlingswerk. Hälftig entrappt und hälftig mit Stielen vergoren. Knapp 30 Monate auf der Feinhefe im gebrauchten Barrique, anschließend unfiltriert und nur minimal geschwefelt abgefüllt. Schon die Nase lässt großes erahnen! Ganz zarte Reduktion zu Beginn, sehr fein mit sehr dezenter Rauchnote. Abgehangenes Fleisch und Kirsche in allen Facetten. Vollreife, dunkle Frucht, Brombeere, aber auch Himbeere. Sehr ätherisch, auch leicht erdig. Noten von Lakritze kommen dazu, dann auch zerstoßener Kalkstein. Pures Burgund, pure Kraft und Tiefe. Am Gaumen hat das die Komplexität, die Länge eines Premier Cru! Süße Frucht, feinst poliertes Tannin, zarte Rappenwürze und filigrane Säurestruktur. Alles ist unglaublich stimmig. Der Kallstadter Pinot ist nicht unbedingt der beeindruckendere Wein im vergleich zum Kalkstein, sondern eher noch der elegantere. Toller Stoff, ein Langstreckenläufer! 96+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.