Lobenberg: Das Bernkasteler Johannisbrünnchen lag eigentlich direkt ans Gutshaus von Loosen angrenzend, das Weingut hieß ja ursprünglich mal Johannishof. Nach der Flurbereinigung wurde das Brünnchen etwas nach oben verlegt und direkt am Haus liegt jetzt nur noch der Bernkasteler Lay. Wir sind hier in etwa auf 100 Metern Höhe über der Mosel, komplett auf Blauschiefer, also kühler Boden, gut wasserversorgt, eigentlich kaum Trockenstress, in kühlen Jahren gibt es hier auch mal vermehrt Botrytis, aber die warmen, mediterranen Jahre sind ziemlich perfekt für das Johannisbrünnchen. Nun war 2024 sicher kein warmes Jahr, sondern ein mittelreifes. Es hat recht viel geregnet im Sommer und gab keinen Trockenstress, allerdings auch sehr wenig Botrytis. Alle GGs werden bei Loosen gleich behandelt. Topgesundes, reifes Lesegut absolut botrytisfrei gelesen bei den GGs. Sanftes Abpressen, dann folgt die Spontangärung. Natürliche Klärung durch Sedimentation, aber nicht zu blank, schon mit etwas Dreck und Speck. Dann direkt in die großen, alten Holzfässer mit langem Hefekontakt. Ernie Loosen füllt extrem spät, stellt auch zur Premiere in Wiesbaden Ende August immer nur Fassproben an. Die Weine werden im Herbst 2025 gefüllt. Es ist immer ein straffer, schlanker und eleganter Ausdruck der Mosel. Das Johannisbrünnchen ist eine kühle Lage, die sich straff und steinig zeigt, aber auch eine sehr aromatische Frucht hat. Ich bin sehr verblüfft über diese 2024er. Das Johannisbrünnchen schiebt eine große Aromenwolke vor sich her, da kommt richtig viel aus dem Glas. Wow! Kühle, saftig-feine Frucht von weißer und schwarzer Johannisbeere, Litschi, Gletschereisbonbon, Eukalyptus. Eine Ätherik und Kräuterigkeit vom Feinsten in diesem kühlen, steinigen Mundeintritt, der viel Graphit zeigt. Das Johannisbrünnchen ist eine ganz feine Klinge in 2024, und doch auch jung schon erstaunlich zugänglich. 95-97/100
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!