Lobenberg: »Gras im Ofen« – die kühlste Lage am Ihringer Winklerberg, eine Parzelle in der Gewann »Hinter Winklen«, nach Süd-Südwest ausgerichtet, aber durch die vorgelagerte Bergzunge des Rappeneckers beschattet und vom Wald oberhalb mit kühler Luft versorgt. Unten vulkanisches Gestein mit Kalkadern. Hier entstehen Jahr für Jahr herausragende weiße Burgunder, die in ihrer Klasse deutschlandweit mit an der Spitze stehen. 2023 war ein enorm schwieriger Jahrgang: Trockenheit und Hitze, dann während der Lese Ende August plötzliche Regenmassen, die die Böden nicht halten konnten. Zwei Tage Dauerregen, dann wieder extreme Hitze. Viele aufgeplatzte Trauben, viel Selektion – am Ende blieb wenig, aber das, was eingebracht wurde, war schlicht großartig. Ein Jahrgang zwischen 2021 und 2022 – mit Druck und Konzentration, aber auch zarter Frische und enormer Eleganz. Der Weißburgunder »Gras im Ofen« wird wie alle großen weißen Gewächse des Hauses im Holz ausgebaut, heute allerdings mit spürbar reduziertem Neuholzeinsatz, seit Rebecca Heger die Verantwortung trägt. Das Holz bleibt dezent und fügt sich als feiner Rahmen in das Gesamtbild. Die Nase zeigt sich von großer Präzision: saftige Mirabelle, gelber Apfel, reife Limette, dazu etwas weiße Pfirsichhaut, zarte Kräuter und Kamillenblüte. Unterlegt von kühler, kalkiger Mineralität, nassem Stein, Muschelschale und einem Hauch Rauch. Sehr klar, elegant, zurückhaltend. Am Gaumen dann die vibrierende Spannung: salzige Mineralität und zupackende Säure treffen auf saftige gelbe Frucht. Klar, fokussiert, brillant geschliffen, mit feiner Würze und einer elektrisierenden Frische. Quitte, grünliche Zitrusnoten, ein Hauch Grapefruitschale – alles wirkt straff, aber doch total balanciert. Der Nachhall ist lang, rauchig untermalt, mit salzig-mineralischem Grip und feiner Kräuterfrische. Dieser Weißburgunder erinnert in seiner aristokratischen Eleganz und kühlen Präzision durchaus an einen Corton-Charlemagne – hochfein, mineralisch, tiefgründig, ein Wein von purer Klasse. Immer einer der spannendsten Weißburgunder in ganz Deutschland.
            
         
        
    
        
            
                
                
                    
                        Der Winter 2022 auf 2023 brachte endlich, wovon wir in den letzten Jahren oft zu wenig hatten: Niederschlag. Dank Regen satt, waren die Wasserreserven nach dem viel zu trockenen 2022 endlich wieder gut gefüllt, was den Reben einen vitalen Start ins Frühjahr eröffnete. Nahezu keine Frostschäden und paradiesisches Wetter begleiteten eine tolle Austriebs- und Blütezeit, die die Winzerherzen höherschlagen ließ. Es folgte, woran wir uns – mit Ausnahme von 2021 – bereits gewöhnt haben: ein heißer und (zu) trockener Sommer. An den kargsten Standorten gab es wie im Vorjahr etwas Trockenstress. Die älteren Reben kamen aber aufgrund der satten Winterniederschläge glimpflich und sehr gesund durch den provençalischen Frühsommer. Nichtsdestotrotz hätte 2023 eine mittlere Katastrophe werden können, wenn die Trockenheit bis zur Lese so durchgepowert hätte, doch ausgerechnet der sonnenverwöhnte August brachte die Kehrtwende auf den Hacken, denn es war der regenreichste August seit langem. Ab Anfang/Mitte September – gerade recht zur Lesezeit – machte das Wetter vielerorts erneut eine Kehrtwende und schwenkte zurück zu sonnig-warmen, trockenen Verhältnissen. Die bereits kühleren Nächte ermöglichten eine hocharomatische Ausreifung, die 2023 diese gewaltige Fruchtstärke und kühle Brillanz beschert hat. Tatsächlich sahen die Trauben mancherorts aus wie von einem anderen Stern: goldgelb, hochreif und voll praller Energie und Saft. Ob 2023 wirklich DAS Jahr der Jahre ist, steht natürlich noch in den Sternen, aber die Vorzeichen sind mehr als grandios… es ist aus mehreren Gründen der faszinierendste Jahrgang der letzten Jahre. Kein Jahr zuvor war in der Vegetationsperiode so »sonnig« UND so »nass« zugleich. Also doch kein reines (Wein-)Wunder, dass 2023 diese wundervolle geschmackliche Mischung zwischen den aromatisch-dichten 2018ern und 2019ern, sowie den rassig-kühlen 2012ern und 2013ern ist. Warme, satte Agrumenfrucht ohne Ende, von Grapefruit bis Quitte ist alles dabei – und darunterliegend immer wieder dieser mitreißende Speichelturbo. Die Weine haben mehr Dichte als in 2020, eine höhere Reife als in 2021 und mehr Geschmeidigkeit als in 2022 – deshalb gefällt mir der Jahrgang beim Riesling in der Breite bisher auch besser als seine Vorgänger. 2023 kann sowohl 2021er Riesling-Freaks als auch Fans des runderen 2018 abholen. Die Einzigartigkeit der 2023er Rieslinge liegt im Akkord aus beeindruckender Dichte, die selten schwer wirkt, glasklarem Terroircharakter und einem Trinkfluss für die Götter. Die höhere Wasserverfügbarkeit der Reben hat vielen Weinen einen schwer in Worte zu fassenden »Fluss« verliehen. Die Besten sind so reich und geschmeidig, dennoch nie fett oder überwältigend, immer freudvoll und saftig. Vor allem im direkten Vergleich mit dem phenolisch-festeren und etwas kargeren Vorjahr 2022, ist das ein Quantensprung in Richtung früher Trinkbarkeit und Gourmetfaktor. Ich kann mir gut vorstellen, dass 2023 sogar bei den großen Weinen für eine längere Zeit offen und zugänglich bleibt. Das gibt dem Jahr potenziell ein riesiges Trinkfenster, denn dank tiefer pH-Werte und großer Balance ist das allemal auch ein Jahrgang für den Keller. In der Spitze sind die 2023er buddhistische Rieslinge. Keines der letzten drei Jahre hatte ein so stimmiges Gesamtbild aus expressiver Frucht, samtig-dichter Textur und perfekt reifen Säuren. 2023 fließt einfach – Hedonismus pur!