Lobenberg: Jorge Monzón von Dominio del Aguila ist studierter Önologe und hat absolute Top-Stationen hinter sich, unter anderem bei Bernard Noblet bei Romanée Conti, Vega Sicilia und Arzuaga. Mehr muss man wohl nicht sagen. Bis er sich dann 2010 mit seinem Projekt selbstständig machte. Er kauft seitdem uralte Weinberge, meist als Mischsatz gepflanzt nach traditioneller Art. Der Ausbau erfolgt Terroir-getreu mit minimalem technischem Einsatz und mit möglichst wenig Eingriffen. Nur die alten Weinberge sollen aus den Weinen sprechen. Die Ergebnisse sind spektakulär und super spannend, Ribera hat einen neuen Rising-Star. Der Picaro entsteht aus uralten Reben eines Tempranillo dominierten gemischten Satzes. Eine kühle Lage, rein biologisch bewirtschaftet. Hier stecken immer einige Prozente von undefinierbaren, indigenen Rebsorten drin, die im gemischten Satz noch drinstehen und von denen niemand mehr genau weiß was es eigentlich ist, weil die Reben so alt sind. Rot und auch etwas weiß gemischt. Alles wird immer mit den Füßen eingemaischt. Es gibt keinen Entrapper bei Dominio del Aguila, immer 100% Ganztrauben, aber extreme Selektion und Auslese der Trauben. Immer vollreif, aber bloß niemals überreif, Rosinen werden komplett entfernt. Alles wird zusammen spontan vergoren im Betontank, danach Ausbau für 11 Monate in französischen Barriques. Die Nase begeistert mit einer Spannung zwischen mediterraner Wärme und Würze im Bouquet, als auch einer gewissen Kühle und Frische, die fast etwas an nassen Kalkstein oder Kreide erinnert. Feine Komposition aus dunkelroter und blauer Frucht wie sie typisch für Ribera-Tempranillo ist, knackige Blaubeere, Schwarzkirsche, etwas frische Brombeere, Feigenblätter, alles gänzlich ohne jede Üppigkeit, stylisch, poliert und superfein. Nicht der geringste Hauch von Überreife trotz der hohen Fruchtkonzentration in der Nase, alle Elemente scheinen in nahezu perfekter Balance zu ruhen. Am Gaumen kommt dann satter Schub, hohe Konzentration, unglaubliche Tannindichte, geradezu massiv in der Dichte, aber alles ist samtig und reif. Famose Frische mit Brombeere, Blaubeere, Maulbeere, Nelke und etwas Cassis, aber eben alles in der frischsten, knackigsten Ausführung. Auch im Mund trotz fester Gerbstoffattacke von den stets unentrappten Trauben eine strahlende Brillanz und Feinheit in der Frucht. Der unsterblichen Säurefrische sei Dank. Dieser Wein hat das große Potenzial und die unglaubliche Struktur eines Clos Manou aus dem Médoc, um dann mit der nötigen Reife einen Rockstar-mäßigen Auftritt für diesen Preis hinlegen zu können. Alle Anlagen sind da, unsterbliche Säure, üppigste Tannine, vollreife Fruchtkonzentration, gleichzeitig noch etwas jugendlich-kühle Zurückhaltung. Wenn Sie den Wein im Jungstadium genießen möchten planen Sie ausreichend Belüftungszeit ein, um die Struktur dieses kleinen Rohdiamanten etwas zu bändigen.
Da ich als zuständiger Weinscout inzwischen einen Teil meiner Jahreszeit in Spanien verbringe, bin ich über Wetter und Klima vor Ort permanent gut im Bilde. Trockenheit, Hitze, wenige guten Regenfälle vor allem in den ersten 4 Monaten. Weil es im Winter wie auch im März April satt Regen gab, war die Basis für den trockenen Sommer perfekt. Und Wärme gab es auch zum Austrieb und auch zur Blüte, sich wie ein roter Faden bis zur Ernte ziehend. Dazu erstaunlich kühle Nächte im Mai, Juni, Juli und August, aber ein eher warmer trockener Spätsommer und Herbst. Die Story der großen Trockenheit wurde mir von jedem Winzer immer wieder erzählt. Und diese Story ist oft baugleich zu Bordeaux, das ja oft die gleiche Wetter- und Klimageschichte wie alle mittleren und östlichen Nordregionen Spaniens über das Jahr hat. Selbst die atlantischen frühen September-Unwetter und Regenmengen in Bordeaux und der Rioja bleiben seit dem Klimawandel oft aus, fast immer kann jetzt im September und Oktober in Ruhe bis zum optimalen Erntezeitpunkt gewartet werden. Die Ernte wurde nach etwas glücklichem kleinen Regen im Juli und August somit teilweise über 6-8 Wochen gestreckt. Die absolute Besonderheit in 2022 war aber auch in Spanien der kontinuierliche Verlauf der Trockenheit und Hitze und die relativ kühlen Nächte über das sommerliche Weinjahr. Die Reben waren 2022 perfekt assimiliert an das Klima. Trotz der Hitze war nichts gekocht, die Laubarbeit und Bodenbearbeitung der Winzer war dem Klima über die Jahre perfekt angepasst, eine perfekte Anpassung der Reben fand statt, war ganz anders als im von plötzlichen Hitzewellen dominierten Schock-Jahr 2003 mit schlecht präparierten Winzern und Weinbergen. Und auch 2022 gibt es, wider Erwarten von uns Laien, trotz oft hoher Alkoholgradationen eine erstaunliche Frische in den Weinen. Tiefe PH-Werte sind die Regel, die Biodynamiker sprechen von den tiefsten je gemessenen Werten. In Zusammenhang mit oft hohen Tanninlevel, hoher Reife, satter samtig seidiger Frucht, hohem Alkohol und zugleich famoser Säure, sprechen viele Winzer vom besten Jahr ihrer Geschichte (Oxer, Artadi und Cuentavinas), und das von der Rioja bis Ribera, vom Priorat bis Bierzo. ALLE Regler nach rechts! Und es gibt 2022 eine grandiose Harmonie und Balance und sensationelle Finesse und Feinheit. Wie in Bordeaux. Nach meiner Verkostung kann ich das durchaus in vielen Fällen bestätigen, obwohl es auch 2021 hochinteressante, oft sogar aufregendere und energiegeladenere Weine und oft sogar präzisere Weine gab. Für mich selbst war, von Einzelfällen abgesehen, 2021 und 2022 bei absolut verschiedenem Charakter eher auf gleicher Höhe, manchmal sogar mit leichtem Vorteil bei 2021. Wer z.B. 2022 bei so viel Feinheit zu viel neues Holz einsetzte oder die Weine zu lange im Holz ließ, konnte die Weine mit ihrer samtigen Seidigkeit auch mal zu »nett«, zu holzlastig und auch manchmal etwas belanglos ausfallen lassen. 2021 hatte klar mehr Druck und Wucht, um neues Holz wegzudrücken. Und wie in Bordeaux gilt auch in Spanien: Die besten Terroirs und alten Reben waren 2022 dramatisch im Vorteil und die Biodynamiker hatten »das Jahr der Jahre«.