Aldinger: Spätburgunder Untertürkheimer Gips Marienglas Großes Gewächs 2023

Aldinger: Spätburgunder Untertürkheimer Gips Marienglas Großes Gewächs 2023

Spätburgunder 100%
rot, trocken
13,0% Vol.
Trinkreife: 2027–2047
strukturiert
pikant & würzig
Lobenberg: 96/100
Weinwisser: 93–95+/100
Deutschland, Württemberg
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Spätburgunder Untertürkheimer Gips Marienglas Großes Gewächs 2023

96
/100

Lobenberg: Der Parade-Pinot bei Aldinger, aus der Monopollage Untertürkheimer Gips. Eine Lage am Fuße des Talkessels Stuttgart, die schon seit Jahrhunderten für außergewöhnlich mineralische Weine bekannt war. Vor etwa 200 Jahren entdeckten die Winzer dort dann Gips im Boden, woraufhin die Lage nur noch zum Abbau von Gips genutzt wurde. Es war die Familie Aldinger, die Mitte der 1970er Jahre erst wieder Wein auf diesem Terroir anbaute und ihr als Hommage auch den Namen »Gips« gab. Die Spitzenweine aus der Lage tragen den Zusatz »Marienglas«, ein Gipskristall was nur sehr selten vorkommt und häufig in Kirchen zum Einfassen von Gemälden genutzt wurde. Der Spätburgunder besticht in der Nase zunächst mit den für Aldinger so charakteristischen, rauchig-reduktiven und würzigen Aromen. Etwas Feuerstein und Sandelholz, Waldboden, auch Noten von Wacholder und Veilchen. Sehr kühl und elegant. Mit etwas Luft zeigen sich dann intensive dunkle Kirsche, Schlehe, Maulbeere, Walderdbeere und etwas rote Johannisbeere. Wunderbar dichte, dunkelrote Beerenfrucht mit Rosa Pfeffer, beträufelt mit Blutorangenöl und bestäubt mit dunklem Kakao. Wunderbare Tiefe und Komplexität. Im Mund kickt dann eine Pikanz aus dunkler Süßkirsche im Wechsel mit feinsäuerlicher Johannisbeere und Sauerkirsche so richtig rein. Wow, was für ein Spiel! Wieder Walderdbeere, dazu leicht ätherische Noten von Orangenschale und kühlen Kräutern. Präsente, aber total feine Tannine sorgen für eine dichte Struktur. Grandiose Länge, im Nachhall immer wieder kalkigen Grip und feines Salz zeigend. Ein wirklich edler, ja grandioser Pinot aus Württemberg!

Jahrgangsbericht

Der Winter 2022 auf 2023 brachte endlich, wovon wir in den letzten Jahren oft zu wenig hatten: Niederschlag. Dank Regen satt, waren die Wasserreserven nach dem viel zu trockenen 2022 endlich wieder gut gefüllt, was den Reben einen vitalen Start ins Frühjahr eröffnete. Nahezu keine Frostschäden und paradiesisches Wetter begleiteten eine tolle Austriebs- und Blütezeit, die die Winzerherzen höherschlagen ließ. Es folgte, woran wir uns – mit Ausnahme von 2021 – bereits gewöhnt haben: ein heißer und (zu) trockener Sommer. An den kargsten Standorten gab es wie im Vorjahr etwas Trockenstress. Die älteren Reben kamen aber aufgrund der satten Winterniederschläge glimpflich und sehr gesund durch den provençalischen Frühsommer. Nichtsdestotrotz hätte 2023 eine mittlere Katastrophe werden können, wenn die Trockenheit bis zur Lese so durchgepowert hätte, doch ausgerechnet der sonnenverwöhnte August brachte die Kehrtwende auf den Hacken, denn es war der regenreichste August seit langem. Ab Anfang/Mitte September – gerade recht zur Lesezeit – machte das Wetter vielerorts erneut eine Kehrtwende und schwenkte zurück zu sonnig-warmen, trockenen Verhältnissen. Die bereits kühleren Nächte ermöglichten eine hocharomatische Ausreifung, die 2023 diese gewaltige Fruchtstärke und kühle Brillanz beschert hat. Tatsächlich sahen die Trauben mancherorts aus wie von einem anderen Stern: goldgelb, hochreif und voll praller Energie und Saft. Ob 2023 wirklich DAS Jahr der Jahre ist, steht natürlich noch in den Sternen, aber die Vorzeichen sind mehr als grandios… es ist aus mehreren Gründen der faszinierendste Jahrgang der letzten Jahre. Kein Jahr zuvor war in der Vegetationsperiode so »sonnig« UND so »nass« zugleich. Also doch kein reines (Wein-)Wunder, dass 2023 diese wundervolle geschmackliche Mischung zwischen den aromatisch-dichten 2018ern und 2019ern, sowie den rassig-kühlen 2012ern und 2013ern ist. Warme, satte Agrumenfrucht ohne Ende, von Grapefruit bis Quitte ist alles dabei – und darunterliegend immer wieder dieser mitreißende Speichelturbo. Die Weine haben mehr Dichte als in 2020, eine höhere Reife als in 2021 und mehr Geschmeidigkeit als in 2022 – deshalb gefällt mir der Jahrgang beim Riesling in der Breite bisher auch besser als seine Vorgänger. 2023 kann sowohl 2021er Riesling-Freaks als auch Fans des runderen 2018 abholen. Die Einzigartigkeit der 2023er Rieslinge liegt im Akkord aus beeindruckender Dichte, die selten schwer wirkt, glasklarem Terroircharakter und einem Trinkfluss für die Götter. Die höhere Wasserverfügbarkeit der Reben hat vielen Weinen einen schwer in Worte zu fassenden »Fluss« verliehen. Die Besten sind so reich und geschmeidig, dennoch nie fett oder überwältigend, immer freudvoll und saftig. Vor allem im direkten Vergleich mit dem phenolisch-festeren und etwas kargeren Vorjahr 2022, ist das ein Quantensprung in Richtung früher Trinkbarkeit und Gourmetfaktor. Ich kann mir gut vorstellen, dass 2023 sogar bei den großen Weinen für eine längere Zeit offen und zugänglich bleibt. Das gibt dem Jahr potenziell ein riesiges Trinkfenster, denn dank tiefer pH-Werte und großer Balance ist das allemal auch ein Jahrgang für den Keller. In der Spitze sind die 2023er buddhistische Rieslinge. Keines der letzten drei Jahre hatte ein so stimmiges Gesamtbild aus expressiver Frucht, samtig-dichter Textur und perfekt reifen Säuren. 2023 fließt einfach – Hedonismus pur!

93–95+
/100

Weinwisser über: Spätburgunder Untertürkheimer Gips Marienglas Großes Gewächs

-- Weinwisser: Der Wein wirkt etwas dichter und würziger als der Lämmler, ist aber hochkomplex und filigran aufgefächert. Köstliches Aroma von roten Beeren und Wildkirschen, subtile Frische, ganz feine Säureadern beleben den Fruchtkörper und machen diesen Spätburgunder fast schwerelos; er zeigt eine finessenreiche Länge und einen feinmineralischen Grip.

Mein Winzer

Aldinger

In Fellbach, unweit entfernt von der Landeshauptstadt Stuttgart, befindet sich der VDP-Traditionsbetrieb Aldinger. Das älteste und bekannteste Weingut Fellbachs existiert schon seit 1492.

Spätburgunder Untertürkheimer Gips Marienglas Großes Gewächs 2023