Von Marc Dröfke

Nusserhof – Heinrich Mayr und der Lagrein

In einem meiner letzten Beiträge bin ich auf eine der vielfältigen autochthonen Rebsorten Italiens eingegangen (in diesem Fall Timorasso), um ein wenig Licht auf diese, leider oft unter dem Radar der Weinliebhaber, laufende Kategorie zu werfen. Diese kleine Serie möchte ich heute mit einer Rebsorte fortsetzen die ursprünglich aus Südtirol stammt und dort auch heute noch hauptsächlich angebaut wird (ein kleiner Teil findest sich inzwischen in den USA sowie Australien im Versuch). Die Rede ist von der Lagrein.

Weinberg Nusserhof

Geschichtsstunde

Eine Analyse aus dem Jahre 2010 kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Kreuzung aus den beiden italienischen Rebsorten Teroldego und Vernatsch handelt. Einige Experten zweifeln dieses Ergebnis jedoch an, sodass eine finale Klarstellung weiterhin fehlt.
In jedem Fall, wird aus der Lagrein heutzutage zumeist dichter, druckvoller Rotwein erzeugt. Dies war nicht immer so. In früheren Zeiten (bis ins 18. Jahrhundert) wurde mit der Lagrein meist der Weiße Lagrein assoziiert, der seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit hinein als wahrscheinlich bedeutendste Südtiroler Rebsorte bekannt war. Die rote Variante erlebte ihre Boom-Zeiten erst im 20. Jahrhundert. Die Anbaufläche ist jedoch mit ca. 500–800 Hektar (die Angaben gehen hier doch stark auseinander) weiterhin eher klein.
Das »Epizentrum« der Lagrein befinde sich rund um Bozen. Hier findet die Rebsorte im warmen Bozener Talkessel ideale Bedingungen, um voll auszureifen. Allerdings wurde, beeinflusst durch das positive Wachstum der Stadt in den letzten 50 Jahren, immer mehr Anbaufläche, die bis dato mit Lagrein bestockt war, für städtebauliche Projekte verwendet. Die produzierten Mengen sanken stetig. Erst im letzten Jahrzehnt wurde diese Entwicklung auf Grund der steigenden Beliebtheit der Traube gestoppt. Mittlerweile nimmt die Anbaufläche wieder zu. Neben reinsortigen Exemplaren wird die Lagrein auch häufig mit internationalen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot im Verschnitt angeboten.
 

Die Stadt rückt an den Wein heran
Die Stadt rückt an den Wein heran

Familie Mayr

Internationale Rebsorten haben Heinrich Mayr und seine Frau Elda nicht angepflanzt. Und auch ein Verschnitt kommt für die beiden Besitzer des Weingutes Nusserhof nicht in Frage. Sie setzen in ihren Rotweinen auf die pure Ausdrucksstärke der Lagrein. Bis ins Jahre 1788 lässt sich die Geschichte der Familie zurückverfolgen, die seit einer gefühlten Ewigkeit das Land rund um den Nusserhof bearbeiten. Der Hof wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei musste um seinen Erhalt einige Male hart gekämpft werden. Als Josef Mayr-Nusser (ein Vorfahre von dem heutigen Besitzer Heinrich) den Eid auf Adolf Hitler verweigerte, bezahlte er dafür mit seinem Leben. Auch nach dem Krieg musste die Familie Unwägbarkeiten wie eine Enteignung wegen Stadterweiterung und einen damit einhergehenden gewünschten Abriss des Hofes abwehren. Schließlich wurde er Mitte der 80ger Jahre im Andenken an Josef Mayr-Nusser unter Schutz gestellt.

Die Arbeit im Weinberg und Keller

Nicht ganz so lange wie die Familie selbst, jedoch mit einem beachtlichen Alter von bis zu 80 Jahren, sind die Rebstöcke im Boden rund um den Nusserhof verwurzelt. Die alten Reben bilden den Grundstock dieser tiefgründigen Weine. Mit einer Fläche von gerade einmal 2,4 Hektar zählt der Nusserhof definitiv zu den kleineren Winzern in Südtirol. Im Weinberg wird ausschließlich nach Bio Richtlinien gearbeitet. Seit 1994 bereits ist der Nusserhof zertifiziert. Im Keller wird ausschließlich spontan vergoren. Holzausbau hilft lediglich bei der Strukturgebung und wird nicht als Stilmittel eingesetzt. Die Typizität der jeweiligen Rebsorte zu bewahren, steht hier an oberster Stelle. Daher werden nur große Holzfässer verwendet. Der sonstige Ausbau erfolgt regelmäßig im Stahl. Den Weinen wird viel Zeit im Stahl / Holz aber zusätzlich eben auch auf der Flasche gelassen bis sie in den Verkauf gehen. Ein Prozedere, dass den Gewächsen zusätzlich Komplexität einflößt und leider viel zu selten in der Weinwelt betrieben wird.

Heinrich Mayr im Weinberg
Heinrich Mayr im Weinberg

Das Ergebnis

Mit seinem Lagrein Kretzer Rosé aus 2015 zeigt Mayr dieses gerade angesprochene Plus an Komplexität sehr schön auf. Mit Rosé verbinden viele Konsumenten einen eher leichten Sommerwein, der solo getrunken am Swimming Pool oder auf der Gartenparty einen nicht allzu anstrengenden Genuss bietet. Mir persönlich sind diese Weine zumeist nicht mit der letzten Konsequenz und dem nötigen Anspruch an die höchste Qualität vinifiziert. Rosé kann so viel besser sein als sein (oft) schlechtes Image. Mayr geht einen anderen Weg und lässt seinem Lagrein Kretzer acht Monate im Stahl sowie die gleiche Zeit auf der Flasche Entwicklungsspielraum. Schon die Nase zeigt sich tief und komplex. Rote Kirsche trifft auf reichlich weiße Grapefruit, andere Zitrusfrüchte sowie eine erdige Komponente. Am Gaumen findet man einen sehr ausbalancierten, erwachsenen Wein. Eine Harmonie bindet die Säure, leichte Gerbstoffe und eine pikante Note zu einem runden Bild zusammen. Das lange Finale ist mineralisch geprägt. Ein Rosé mit richtig Anspruch.

Auch bei ihren Rotweinen machen die Mayrs keine Kompromisse. In den Lagrein Riserva 2011 flossen lediglich 45 Hektoliter pro Hektar Ertrag, was für diese Rebsorte ausgesprochen gering ist. Die Trauben der 25–80 Jahre alten Rebstöcke werden penibel aussortiert. Was qualitativ nicht passt, darf nicht in den Wein. Der Ausbau erfolgt für 30 Monate im 20 Hektoliter-Holzfass bevor der Wein nach der Abfüllung für weitere 30 Monate ins Flaschenlager kommt. Erst dann erfolgt die Auslieferung an Händler, Gastronomen und Endverbraucher.
Das Nasenbild der Riserva ist geprägt von einer unheimlich tiefen, dunklen Frucht. Brombeere trifft auf Blaubeere, schwarze Kirsche sowie etwas schwarze Johannisbeere. Hinzu kommt eine Würzigkeit in Form von schwarzem Pfeffer, Majoran und einem Hauch Rauchfleisch. Am Gaumen findet man diese tiefe, dunkle Frucht wieder. Sie ist aber wunderbar eingekleidet in ultra poliertes, geschmeidiges Tannin. Das ganze Konstrukt wird von einer guten Säure gestützt. Der Wein wirkt nie zu fett. Das Finale ist lang und mit ordentlich Power ausgestattet. Ich würde diesem Ausnahme-Lagrein locker 15 Jahre Alterungspotential attestieren. Ein toller Begleiter für Schmorgerichte mit kräftigen Aromen, aber auch solo genossen eine wahre Bereicherung meiner Trinkerfahrung.    

Marc Dröfke

Marc Dröfke

Wein ist für Marc ein Hobby, das er allerdings mehr als ambitioniert betreibt. Woher der Wein dabei genau kommt, ist nicht so wichtig. Er sollte nur seine Herkunft nicht verleugnen. Nebenbei schreibt Marc noch für Originalverkorkt.de.

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