Lobenberg: Komplett auf Muschelkalk gewachsen, die Reben sind rund 30 Jahre alt. Deutsche und französische Genetik gemischt. Satte Himbeere und Erdbeere. Lässt kaum Platz für etwas Zwetschge und rote Kirsche. Tendenziell frisch und eher früh gelesen, schlank und fein im Stil gehalten. Vergoren mit rund 25 Prozent Ganztrauben. Ausbau in Barriques für 15 Monate, nur 10 Prozent Neuholz. Das regenreiche Jahr 2021 hat eine extreme händische Selektion erfordert. Durch den hohen Pilzdruck musste stark ausgelesen werden, sehr anstrengend im Steilhang, aber es musste im Weinberg vorsortiert werden und dann im Weingut nochmal. Süße rote Kirsche, Himbeere, Walderdbeere, sehr duftig und feingliedrig, heller in der Aromatik als im reicheren 2020. Keine Überreife, kühl und geschliffen. Lebhaft und verspielt, ein schlanker, kühler Pinot Noir aus Franken, hell in der Frucht aber dunkler in der Würze. Der Mund wirkt dann sogar richtig ernsthaft, bekommt eine herben, kühlen, fokussierten Ausdruck. Ein wenig Graphit, ein wenig vom Kalkstein stammendes Salz als mineralische Unterlage. Delikat und herbsaftig, mit guter Konzentration in der Mitte und schöner Kirschsüße, die mit dem herberen Kakaopulver um die Wette eifert im Nachhall. Das ist in diesem Preisbereich ziemlich stark. 93+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.