Lobenberg: Der Wein ist im Astheimer Karthäuser auf hellem Muschelkalk gewachsen, es ist die Nachbarlage des Escherndorfer Lumpp. Der R stammt aus der besten Parzelle dieses Weinbergs. Die Reben sind 20 Jahre alt, französische Klone aus dem Burgund. Nach 20 Jahre Wartezeit auf das passende Rebalter kommt dieser Wein nun endlich als Chardonnay R in den Handel. Wenn auch in den Raritätenhandel, denn es gibt weniger als 1000 Flaschen, das ist eine handverlesene Zuteilung. Die Vergleichsspielwiese für diesen Chardonnay lässt in Deutschland wenige in den Sinn kommen, eigentlich am ehesten Julian Huber, der ist vielleicht auch das stilistische Vorbild. Auch wenn es hier bei Fürst nicht unbedingt selbst so gesehen wird. Die Machart ist definitiv burgundisch, die Trauben werden leicht als Ganztraube mit den Füßen angequetscht (wie alle Weißweine im Top-Bereich bei Fürst), dann langsam und schonend gepresst und im Barrique relativ trüb vergoren, rund 20 Prozent Neuholz. Anschließend auf der vollen Hefe im selben Barrique verbleibend ausgebaut. Der Wein verbleibt das erste Jahr in diesem Barrique dann wird einmal mitsamt der Hefe abgestochen in einen Stahltank für 6 Monate, um noch mehr Klarheit in die Frucht zu bekommen, dann wird unfiltriert gefüllt und ein weiteres Flaschenlager angeschlossen. Eine großrahmige, dichte Nase, die mich auch an einen großen Chenin Blanc von der Loire denken lässt, aber nur die allerbesten. Feinste Nobel-Reduktion, Chinakracher und heller Rauch, zerstoßene Muschelschalen, Curry, Geißblatt. Die Mineralik krallt sich auf der Zunge fest. Was für eine Mineralattacke! Die Energie trägt mich fast aus der Kurve, rassig, fordernd, zieht voll durch. Das ist kein Stoff für Einsteiger, sondern Chardonnay Champions League in Deutschland. 2023 ist definitiv straffer und pikanter als das charmantere 2022, das ist eher Chablis als Meursault. Auch wenn die Reben noch nicht uralt sind, ist das ein großer Chardonnay, der sich in Deutschland durchaus in die erste Reihe stellen darf. Da haben wir Hegers Gras im Ofen, da haben wir Hubers Schlossberg, da haben wir Ziereisen. So viele ganz große Chardonnay Erzeuger in dieser Klasse gibt es noch nicht in Deutschland. Fürst gehört definitiv auf die Liste der Top-Erzeuger. Das ist groß.
Der Winter 2022 auf 2023 brachte endlich, wovon wir in den letzten Jahren oft zu wenig hatten: Niederschlag. Dank Regen satt, waren die Wasserreserven nach dem viel zu trockenen 2022 endlich wieder gut gefüllt, was den Reben einen vitalen Start ins Frühjahr eröffnete. Nahezu keine Frostschäden und paradiesisches Wetter begleiteten eine tolle Austriebs- und Blütezeit, die die Winzerherzen höherschlagen ließ. Es folgte, woran wir uns – mit Ausnahme von 2021 – bereits gewöhnt haben: ein heißer und (zu) trockener Sommer. An den kargsten Standorten gab es wie im Vorjahr etwas Trockenstress. Die älteren Reben kamen aber aufgrund der satten Winterniederschläge glimpflich und sehr gesund durch den provençalischen Frühsommer. Nichtsdestotrotz hätte 2023 eine mittlere Katastrophe werden können, wenn die Trockenheit bis zur Lese so durchgepowert hätte, doch ausgerechnet der sonnenverwöhnte August brachte die Kehrtwende auf den Hacken, denn es war der regenreichste August seit langem. Ab Anfang/Mitte September – gerade recht zur Lesezeit – machte das Wetter vielerorts erneut eine Kehrtwende und schwenkte zurück zu sonnig-warmen, trockenen Verhältnissen. Die bereits kühleren Nächte ermöglichten eine hocharomatische Ausreifung, die 2023 diese gewaltige Fruchtstärke und kühle Brillanz beschert hat. Tatsächlich sahen die Trauben mancherorts aus wie von einem anderen Stern: goldgelb, hochreif und voll praller Energie und Saft. Ob 2023 wirklich DAS Jahr der Jahre ist, steht natürlich noch in den Sternen, aber die Vorzeichen sind mehr als grandios… es ist aus mehreren Gründen der faszinierendste Jahrgang der letzten Jahre. Kein Jahr zuvor war in der Vegetationsperiode so »sonnig« UND so »nass« zugleich. Also doch kein reines (Wein-)Wunder, dass 2023 diese wundervolle geschmackliche Mischung zwischen den aromatisch-dichten 2018ern und 2019ern, sowie den rassig-kühlen 2012ern und 2013ern ist. Warme, satte Agrumenfrucht ohne Ende, von Grapefruit bis Quitte ist alles dabei – und darunterliegend immer wieder dieser mitreißende Speichelturbo. Die Weine haben mehr Dichte als in 2020, eine höhere Reife als in 2021 und mehr Geschmeidigkeit als in 2022 – deshalb gefällt mir der Jahrgang beim Riesling in der Breite bisher auch besser als seine Vorgänger. 2023 kann sowohl 2021er Riesling-Freaks als auch Fans des runderen 2018 abholen. Die Einzigartigkeit der 2023er Rieslinge liegt im Akkord aus beeindruckender Dichte, die selten schwer wirkt, glasklarem Terroircharakter und einem Trinkfluss für die Götter. Die höhere Wasserverfügbarkeit der Reben hat vielen Weinen einen schwer in Worte zu fassenden »Fluss« verliehen. Die Besten sind so reich und geschmeidig, dennoch nie fett oder überwältigend, immer freudvoll und saftig. Vor allem im direkten Vergleich mit dem phenolisch-festeren und etwas kargeren Vorjahr 2022, ist das ein Quantensprung in Richtung früher Trinkbarkeit und Gourmetfaktor. Ich kann mir gut vorstellen, dass 2023 sogar bei den großen Weinen für eine längere Zeit offen und zugänglich bleibt. Das gibt dem Jahr potenziell ein riesiges Trinkfenster, denn dank tiefer pH-Werte und großer Balance ist das allemal auch ein Jahrgang für den Keller. In der Spitze sind die 2023er buddhistische Rieslinge. Keines der letzten drei Jahre hatte ein so stimmiges Gesamtbild aus expressiver Frucht, samtig-dichter Textur und perfekt reifen Säuren. 2023 fließt einfach – Hedonismus pur!